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Sheltie Fibel

 

 

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Die Sheltie-Fibel

 

COPYRIGHT:

Die Autoren, Dr. Franz Riemann und Dr. Karin Riemann, beanspruchen für das vorliegende digitale Dokument den im Literaturwesen üblichen Schutz des Urheberrechts.

Originaltext kann unter http://www.sheltie-fibel.de heruntergeladen werden

1

Die Sheltie-Fibel

Inhaltsverzeichnis Seite

1 Einleitung 3

2 Falls Sie noch keinen Sheltie haben . . . 5

3 Die Geschichte des Sheltie 8

4 Der Standard: Beschreibung des Zuchtideals 21

5 Ausstellungen 37

6 Gedanken über das Richten und Ausstellen von Shelties 44

7 Körperpflege 53

8 Kippohren - ein Kapitel für sich 59

9 Die Auswahl der Zuchttiere 65

• Einführung 65

• Grundzüge der Vererbungslehre für den Züchter 68

• Von der Fremdpaarung bis zur Inzucht:

Zuchtmethoden der Sheltiezüchter 73

• Vererbung der Fellfarben 79

• Die Wahl des Zuchtrüden 89

Die Sheltie Fibel

2

• Die Wahl der Zuchthündin 91

• Spezielle Zuchtprobleme 97

10 Zucht-Praxis 104

• Vorbereitungen für die Zucht 104

• Läufigkeit, Paarung und Trächtigkeit 106

• Der erste Wurf 114

• Die Auswahl der Welpen 124

11 Größenvoraussage:

Wie groß wird der Welpe einmal werden? 129

12 Leben mit dem Sheltie 136

• Ein Welpe kommt ins Haus 136

• Die entscheidenden Lebensmonate:

Besonderheiten des Sheltie-Charakters 139

• Fütterung des Welpen und Junghundes 141

• Der Tierarzt - Impfungen - Bekämpfung von Parasiten 146

• Ein wenig Sheltie-Erziehung 149

• Mit dem Sheltie unterwegs 155

• Der sportliche Sheltie 158

• Der halbwüchsige Sheltie 159

• Der alte Sheltie 162

13 Die Bibliothek des Sheltiefreundes 167

3

1 Einleitung

Wenn ein Hund ins Haus kommen soll, gibt es verschiedene Wege der

Auswahl der Rasse. Sowohl die Liebe auf den ersten Blick, als auch

nüchterne Überlegungen spielen eine Rolle.

Was spricht bei diesen Überlegungen für einen Sheltie? Er ist ein

kleiner, leicht erziehbarer Schäferhund, der sein Leben in erstaunlicher

Weise auf das Zusammenleben mit seinen Besitzern einrichten kann. Er hat

viele gute Eigenschaften eines Collies oder Deutschen Schäferhundes,

aber er ist nur etwa 35 bis 40 Zentimeter hoch. Er ist friedlich und

anpassungsfähig an das Leben in der modernen Welt. Zu unserer

Überraschung wird er sogar von Leuten wohlwollend geduldet, die sonst

als Hundefeinde gelten.

Viele mittelgroße Rassehunde, die heute als Gesellschaftshunde

gehalten werden, sind im Grunde Jagdhunde; die gelegentlich

durchbrechende Neigung zur Wilderei zeigt es. Ganz anders ist es mit

vielen Schäferhunden. Ihre Welt ist eng mit der Menschenwelt verbunden.

Shelties wünschen die Nähe ihres Besitzers. Wenn man gern einen Hund als

ständigen Begleiter bei Freizeitbeschäftigungen haben möchte, beim

Wandern, während der Arbeit im Garten und auf Reisen mit dem Auto,

dann kann ein Sheltie die richtige Wahl sein.

Nachdem wir im Jahre 1974 unseren ersten Sheltie erwarben, lernten

wir die Welt der Hunde-Ausstellungen und anderer sportlicher

Wettbewerbe mit dem Hund und die Welt idealistischer Hundezüchter

kennen (die Schattenwelten kennen wir auch). Wir erfuhren, daß sich von

England ausgehend weltweit eine ganze Kultur entwickelt hat, in deren

Zentrum der Sheltie steht. Es gibt viele englischsprachige Bücher über diese

Rasse, mehr als über die meisten anderen Hunderassen. Wir besprechen

sie hinten in einem Kapitel über die Bibliothek des Sheltie-Freundes. Deren

Autoren sind oft namhafte Sheltie-Züchter, denen wir die Schöpfung

wesentlicher Merkmale dieser Hunderasse und Grundlagen zur

Formulierung des Zuchtideals, des sogenannten Standards, verdanken. In

Einleitung

4

"Kleiner, langhaariger Arbeitshund von großer Schönheit..."

Der blue merle Rüde Ch. GLENAMOY SILVER CRUSADER, geb. 1976, ein Sohn von Ch. Such

a Frolic at Shelert.

reichem Maße werden wir aus diesen Büchern zitieren und daneben

unsere eigenen Erfahrungen hinzufügen, die wir als Besitzer eines oder

zeitweise zweier Shelties gewonnen haben. In den Kapiteln über die Zucht

lassen wir theoretische Kenntnisse einfließen, die wir als Biologen während

unseres Studiums gelernt haben. Einige Kapitel dieses Buches haben wir

bereits früher, zum Teil in leicht veränderter Form, in verschiedenen

europäischen Zeitschriften und Club-Handbüchern veröffentlicht. Andere

Teile entstammen einer Anleitung, die wir für Besitzer unserer Welpen

geschrieben haben.

Ein Schweizer Sheltie-Freund sagte einmal: "Ein Sheltie ist das Glück,

das man kaufen kann." Wir wünschen Ihnen, lieber Leser, Glück mit dieser

Hunderasse.

5

2 Falls Sie noch keinen Sheltie haben . . .

Ein Radio kauft man nicht beim Bastler, sondern im Fachgeschäft -

einen Hund hingegen, so lautet die Empfehlung der Zuchtverbände, kauft

man nicht im Fachgeschäft, sondern beim Züchter. Der unerfahrene

Kaufinteressent sieht sich deshalb vor eine für ihn ungewohnte Situation

gestellt; der Züchter sollte das wissen und darüber hinaus sich einmal

Gedanken machen über das Besondere seines Status als Lieferant einer

Ware, die auch ein süßer Sheltie nun einmal ist.

Das muß erläutert werden. Der Züchter geht einer Liebhaberei nach.

Wenn seine Tiere sich wohl fühlen und die Nachbarn ungestört sind, ist eine

richtig und maßvoll betriebene Hundezucht ein harmloses, normal

erscheinendes Hobby. Ungewöhnlich aber ist, daß der Hundezüchter Geld

für seine Welpen nimmt. Uns Züchtern erscheint dies aus verschiedenen

Gründen selbstverständlich, aber man muß sich darüber im klaren sein,

daß es kaum ein anderes Hobby gibt, dessen Anhänger von Kunden Geld

nehmen, um die Kosten ihrer Freizeitbeschäftigung zu reduzieren. In einer

Photozeitschrift erkundigte sich einmal ein Freizeit-Photograph beim

Redakteur, wie er denn seine Bilder vermarkten könne, um die ihn

drückenden Kosten für sein Gerät etwas auszugleichen. Ein Journalist

belehrte ihn daraufhin, wie amateurswidrig und ungewöhnlich dieses

Ansinnen sei, denn welcher Segler vermiete beispielsweise sein Boot,

welcher Wintersportler seine Skier zur Erstattung der eigenen Kosten seiner

Liebhaberei! Der gescheite Journalist hat jedoch die Zunft der

Hundezüchter vergessen. Das Ungewöhnliche des finanziellen Ausgleiches

für die hohen Kosten ihres Hobbys ist bei ihnen normal. Mit vielerlei

Argumenten, oft verbunden mit Anschuldigungen gegenüber dem

Verhalten anderer Züchter, versucht man die problematische Situation zu

bewältigen, daß man Amateur und Geschäftsmann zugleich ist. Der

Züchter fühlt sich bei solchen Gesprächen nicht wohl und der Interessent

auch nicht.

Wir haben diesen Prolog etwas ausführlicher geschrieben, um dem

unerfahrenen Kaufinteressenten die Besonderheit der Situation zu schildern,

Falls Sie noch keinen Sheltie haben...

6

in die er mit seinem Wunsch nach einem Rassehund geraten ist. Er hat sich

in einen heiklen Grenzbereich des Geschäftslebens begeben, in dem

Taktgefühl und wechselseitiges Vertrauen ein besonders wichtiger

Bestandteil sind.

Wie kauft man nun einen Sheltie? Man kann sich über Zeitschriften

oder Bekannte, die mit dem Rassehundewesen vertraut sind, die Adresse

eines Sheltie-Clubs (oft sind Sheltie-Leute vereint mit Liebhabern von Collies

und anderen britischen Hütehunden, wie in Deutschland beispielsweise im

"Club für Britische Hütehunde") verschaffen und dort Züchteradressen

erbitten. Besser noch, meinen wir, ist es, wenn man die Züchter und ihre

Hunde auf Ausstellungen aus der Distanz kennenlernt. Über

Ausstellungstermine und Orte informieren ebenfalls die Hundeclubs;

spezielle Clubschauen, die nur wenigen Rassen gewidmet sind, sind

besonders lehrreich. Dort kann man sich selbst manche Frage über Shelties

(und ihre Halter und Züchter) beantworten. Shelties sind sehr verschieden,

und Ausstellungsbesuche haben gegenüber dem Besuch einzelner

Zwinger (oder Wohnzimmer) den Vorteil, daß der Aspirant als still

vergleichender Beobachter seinen Geschmack für Farben, Gestalt- und

Wesensmerkmale entwickeln kann, dabei vielleicht seinen Typ entdeckt

und dann Kontakte mit dem Züchter solcher Shelties aufnimmt. Wenn der

Interessent dann auch Gefallen an Ausstellungen findet, ist es umso besser.

Der Züchter wird sich freuen, wenn seine Käufer zu seinen Anhängern und

Freunden werden und seine besten Zuchtresultate geschickt präsentieren.

Falls Sie aber nach dem Besuch der Ausstellungen merken, daß Sie

diesen Sportbetrieb und die Beteiligung an der Zucht nicht mögen, dann

sollten Sie sich überlegen, ob Sie sich nicht für einen übergroßen Sheltie

begeistern können, der auf Ausstellungen kaum Chancen hat, sonst aber

ein prachtvoller Gefährte sein kann. In einem Rüden, der 42 Zentimeter

(bei der Hündin 39 cm) oder ein paar Millimeterchen mehr in der

Schulterhöhe mißt, vereinigen sich nach unserer Erfahrung oft die

schönsten Eigenschaften eines Sheltie. Größer sollte er allerdings nicht

werden, er verliert sonst einiges vom Sheltie-Typus, auch kann man ihn

dann nicht mehr auf den Arm nehmen, was beispielsweise beim

Rolltreppenfahren notwendig ist.

Nicht selten kann man einen leicht übergroßen Sheltie im

Junghundealter von etwa einem halben Jahr erwerben: der Züchter hat

sich dieses Tier wegen besonderer Qualität für sich selbst zurückbehalten

und merkt nun erst, daß wegen der bei Zucht und Ausstellung recht streng

gehandhabten Größenbewertungen er seine Chancen verlieren würde

und bietet dann diesen Hund einem Liebhaber an, der ohne diese

speziellen Ambitionen ist. Andere schöne Shelties, die man im

fortgeschrittenen Jugendalter vom Züchter erwerben kann, sind solche, bei

denen man nach dem Zahnwechsel erkennen mußte, daß das Gebiß

Falls Sie noch keinen Sheltie haben...

7

nicht vollständig ist.

Manchmal läßt der Züchter von allen oder einigen Welpen seines

Wurfes dem Interessenten die freie Auswahl - dies ist jedoch nur sehr selten

von Vorteil für den Interessenten. Die Auswahl von Sheltie-Welpen ist

nämlich ein sehr schwieriges Unterfangen sowohl für den Laien wie für den

Erfahrenen (einige Gesichtspunkte zur Einschätzung der voraussichtlichen

späteren Entwicklung haben wir im Kapitel über die Zucht-Praxis

zusammengestellt). Der einzige, der einigermaßen verläßliche Voraussagen

machen kann, ist der erfahrene Züchter, der sich mit seiner Sheltie-Linie

intensiv befaßt hat. Er wird auch versuchen, den richtigen Partner für jeden

seiner Welpen auszusuchen.

Eines Tages fahren Sie zusammen mit einem Begleiter zum Züchter

und holen Ihren Wunschhund ab. Wir mußten 500 Kilometer mit unserem

ersten Hund fahren. Unterwegs saß der kleine Hund in einem gepolsterten

Pappkarton auf dem Schoß des Beifahrers und sah uns mit seinen klugen

dunklen Augen an - wir haben unser Leben verändert, wir sind

Sheltie-Leute geworden!

8

3 Die Geschichte des Sheltie

"Der Sheltie geht (wie der Collie) auf den Border-Collie zurück, welcher

zu den Shetland-Inseln gebracht wurde und dort mit kleinen, intelligenten,

langhaarigen Rassen gekreuzt und zu Miniaturproportionen verkleinert

wurde. Später wurden gelegentlich Kreuzungen mit Collies durchgeführt."

Wir haben diesen Auszug aus der Präambel des amerikanischen

Sheltie-Standards unserem Kapitel vorangestellt, weil er uns wie eine

vorbildliche Kurzfassung der Geschichte des Sheltie für den eiligen Leser

vorkommt.

Die Shetland-Inseln also sind die Urheimat unserer Shelties. In

Stichworten wollen wir sie beschreiben: eine schottische Inselgruppe, etwa

200 km nördlich vom schottischen Festland in Höhe von Norwegen; über

100 meist unbewohnte Inseln, stürmisches, feuchtkühles Klima, felsig,

moorreich, spärlicher Pflanzenwuchs, keine Bäume; Shetlandpony-Zucht,

Schafzucht, Fischfang (siehe Duden-Lexikon). Neuerdings sind die

Shetlands zu Anliegern eines bedeutenden Erdölbohrgebietes geworden.

Hier wohnten arme Kleinbauern abgeschieden von der Welt, hatten

kleine, liebe Allzweck-Haus- und Hütehunde und erzählten sich vermutlich

lieber Balladen, als daß sie Zuchtbücher anlegten. Es ist deshalb schwer,

die frühe Geschichte der Shelties zu rekonstruieren. Viele Informationen

entnahmen wir den Büchern von Coleman (1943), Gwynne-Jones (1958),

B.M. & J.M. Herbert (1961), Osborne (1973), Davis (1973), Rogers (1974 &

1980), Riddle (1974) und Moody (1990).

Die Urbewohner auf den Shetlands hatten zweifellos Spitze, und die

Aufmerksamkeit der Sheltie-Historiker konzentrierte sich auf nordische

spitzartige Hunde, welche durch Walfänger und Fischer verbreitet wurden.

Spitze könnten unseren Shelties die Stehohren, die verpönte

Schwanzhaltung und die gelegentlich vorkommende Schwärzung des

Vorgesichtes vererbt haben, wohl auch die typische Fellverteilung und

Haartextur, die Kleinheit und den Spaß an der Bellerei. Die Spitze kamen

Geschichte des Sheltie

9

mit Border-Collies zusammen, jenen nordbritischen Arbeits-Collies, die für

ihre grandiosen Hüte- und Dres sur lei s tungen im gesamten

englischsprachigen Raum bekannt sind und viele Anhänger haben.

Border-Collies sind langhaarige, recht breitköpfige, meist mittelgroße

Hunde, vielfach mit Hängeohren, oft mit breiter weißer Kopfblesse und

schwarzem Haarkleid, das im übrigen weiße Abzeichen wie beim

modernen Collie trägt. Für Border-Collies gibt es ein Zuchtbuch seit der

Jahrhundertwende, seit 1976 aber sind sie erst als Rasse vom englischen

Kennel Club anerkannt. Auch die Geschichte des Border-Collie liegt im

Dunkel. Es gab im letzten Jahrhundert in England viele verschiedene, als

Collies bezeichnete Hütehundschläge, und der uns wohlbekannte

Langhaar-Collie, von den Arbeits-Collie-Leuten manchmal als Show-Collie

bezeichnet, differenzierte sich etwa seit der Mitte des letzten Jahrhunderts

von den Border-Collies, beziehungsweise deren Vorfahren (denn auch die

Border-Collies haben sich fortentwickelt). Kleine Border-Collies haben

sicher eine ganz wesentliche Rolle bei der Entstehung des Sheltie gespielt,

und wenn wir die Photographien der Shelties aus der Zeit gleich nach der

Jahrhundertwende mit den Abbildungen früherer Border-Collies

vergleichen, finden wir eine große Ähnlichkeit.

Weitere Hunderassen haben in der Zeit ohne exakte schriftliche

Überlieferung vermutlich ihr Erbe in die Entwicklung der Shetland-Inselrasse

eingebracht. Ein schwarzbrauner Spaniel wird zum Beispiel erwähnt, aber

man muß bedenken, daß schon die frühen britischen Hütehunde nicht

scharf von Jagdhunderassen getrennt gezüchtet wurden. Schwarzbraune

(Schwarz mit Loh, Black and Tan) Shelties sollen nach dem ersten

Zuchtbuch (1909, siehe Rogers im Handbuch des English Shetland

Sheepdog Club von 1966, Seite 23) auf den Shetland Inseln sehr häufig

gewesen sein. Seit den 1930er Jahren ist dieser Farbschlag in der Rasse

verschwunden. Wir haben den Verdacht, daß diese Shelties ohne die

typi schen weißen Col l ie-Abzeichen eine besondere f rühe

Verwandtschaftsgruppe ohne Collie-Einfluß darstellen, konnten aber keine

weiteren Belege finden. Für Shiel (1977) waren diese Hunde ein Hinweis auf

einen Spaniel unter den Sheltie-Ahnen.

Ungefähr in der Zeit der Jahrhundertwende wurden Sheltie-Welpen als

Souvenirs von Inselbesuchern, wie Seeleuten der englischen Marine,

geschätzt; die armen Shetländer taten alles, um die Wünsche nach den

süßen, flauschigen kleinen Welpen zu befriedigen. An die Konsolidierung

einer Rasse dachten sie nicht, noch nicht. Aber auch das Erzeugen eines

süß aussehenden Welpen ist ein Zuchtziel, und der heutige Sheltie-Züchter,

der an der Wurfkiste seiner Welpen steht, wird uns zustimmen, daß dieses

Ziel in vollkommener Weise erreicht wurde.

Die Shetland-Inseln wurden also zum Schmelztiegel verschiedener

Hunderassen. War die hier entstandene Inselrasse, der "Toonie dog",

Geschichte des Sheltie

10

"Peerie dog" oder "Shetland Collie", wie er schließlich hieß, eine sich rein

vererbende Rasse? Ein Bericht aus dem Jahr 1917 (siehe ESSC Handbook

1970, Seite 9) bejaht dies. Die Rasse vererbe sich so hinreichend rein, so

heißt es hier, daß die Feststellung, sie wäre das Resultat einer kürzlich

vorgenommenen Kreuzung, widerlegt sei.

Um die Jahrhundertwende begannen die Versuche, die Shetland

Collies als Rasse zu bewahren. Zuerst kamen Zwingergründungen und

Zeitungsberichte über die Rasse, dann der historische Montag, 23.

November 1908: Gründung des Shetland Collie Club in Lerwick, der

Hauptstadt der Inselgruppe. Ein damaliger Zeitungsartikel (abgedruckt bei

Riddle, der auf S. 23-29 einige interessante und rührende Dokumente aus

diesen Jahren wiedergibt) nennt in zwei Sätzen die wesentlichen Punkte

des Rasse-Standards, auf die man sich auf der nächsten Sitzung des neuen

Clubs geeinigt hatte. Der Shetland Collie solle nicht über 12 Inch (30,5 cm

!) hoch und 14 engl. Pounds (6,35 kg) schwer sein - und er solle dem

Langhaar-Collie in Miniatur gleichen. Eine, wie die Zukunft zeigte,

unerfüllbare Forderung.

Der vorbildhafte große Collie hatte zu diesem Zeitpunkt schon eine

Karriere als Schau- und Modehund hinter sich, wobei manchmal große

Geldpreise für die Hunde erzielt wurden. Er ist dem Sheltie als etablierter

Rassehund etwa 40 Jahre voraus und war schon lange aus den Hütten

armer Leute in die Fürstenhäuser gezogen.

Die Verwendung des populären Namens "Collie" wurde den

Shetländern und Schotten, die kurze Zeit später ebenfalls einen Club

gründeten, verwehrt. Collie-Leute veranlaßten das Verbot des Namens

Collie für die neu vorgestellte Rasse, die seither Shetland Sheepdog oder

Sheltie heißt.

Was aber nicht verboten werden konnte, war die Einkreuzung von

Collies in die frühen Shelties. Denn so schön die kleinen Schäferhunde im

Gebäude waren, die breiten Köpfe und großen fransigen Flatterohren

waren alles andere als Collie-ähnlich. Mit den Collie-Einkreuzungen, die

schon auf den Shetland-Inseln, z.B. vom Gastwirt Loggie, dem Gründer des

Clubs, vorgenommen wurden, kamen die enormen Probleme der

Größenkonstanz in die Zucht, die heute noch nicht überwunden sind. Und

es kamen erbitterte Richtungskämpfe, bei denen es um die Erhaltung der

Identität der alten Inselrasse ging. Diese Konflikte wurden erst zu Ende der

zwanziger Jahre beigelegt als mit Champion Helensdale Laddie und Ch.

Gawaine of Cameliard zwei Shelties gezeigt wurden, die allen Seiten

gerecht werden konnten (siehe den Bericht von Clara Bowring im ESSC

Handbook 1951).

Im Jahre 1909 wurden die ersten Shelties in England auf Ausstellungen

Geschichte des Sheltie

11

vorgestellt, 1913 feierte "Zesta", eine süße, gelb-weiße Hündin aus Lerwick

Triumphe auf der Cruft's Show in London. Im Jahre 1914, unmittelbar bevor

der Londoner Kennel Club die Rasse Shetland Sheepdog offiziell

anerkannte, wurde der English Shetland Sheepdog Club (ESSC) gegründet,

dem wir so viel für die Erhaltung und Förderung unserer Rasse verdanken.

Bedingt durch den 1. Weltkrieg waren dann allerdings die Shelties

nach 1917 beinahe verschwunden. Mit den wenigen noch vorhandenen

Zuchttieren und neuen Collie-Einkreuzungen wurde zu Beginn der

zwanziger Jahre ein neuer Anfang gemacht. Von nun an stehen die

Shelties im Lichte verläßlicher rassegeschichtlicher Aufzeichnungen.

Die Mitglieder des English Shetland Sheepdog Club haben eine in der

kynologischen Welt einzigartige Leistung als Historiker der Entwicklung ihrer

Hunderasse vollbracht. Im Handbuch des Clubs, das 1949 erschienen war,

hatte Margaret Osborne die Ahnenreihen aller im Ausstellungsring als

Championatsanwärter (CC-Winner) erfolgreichen Shelties geordnet

(dieselbe Arbeit leistete sie auch bei den Collies). Eine erste Aufstellung

dieser Ahnenreihen bei Shelties wurde schon von Catherine Coleman 1943

in einem amerikanischen Buch präsentiert. Später führte F.M. Rogers dieses

Werk fort. Im Jahre 1980 hat Miss Rogers die Ahnenreihen von 789 bis dahin

qualifizierter Shelties in väterlicher und mütterlicher Folge, beginnend mit

den Anfängen der Registrierung (noch in den zwanziger Jahren wurden

Shelties unbekannter Herkunft zur Zucht verwendet), auf Karten vollständig

dargestellt. In den für jeden Sheltie-Ahnenforscher wertvollen

Handbüchern - die überdies die prämierten Hunde im Bilde zusammen mit

ihren Ahnentafeln zeigen - werden wir über 7 männliche Linien (die

männliche Ahnenreihe der väterlichen Seite) und 26 weibliche Familien

(die weiblichen Ahnenreihen der mütterlichen Seite) informiert. Zwei

männliche Linien ("BB" und "CHE") produzieren noch heute Anwärter auf

den Champion-Titel, die übrigen gelten als ausgestorben, das heißt, sie

sind aus dem Rampenlicht verschwunden. Bei den Hündinnen sind noch

11 Familien erfolgreich. Jeder moderne englische Sheltie kann auf eine der

genannten Linien und Familien zurückgeführt werden (in Skandinavien gibt

es noch eine weitere, spezielle Familie, die auf einem sehr frühen Import

beruht, siehe Aud Jorun Lie im Norsk Shetland Sheepdog Klubbs

Handbuch 1975, S. 43-44).

Aufzeichnungen von Ahnenreihen werden unterschiedlich gewürdigt.

Einige Sheltie-Freunde finden sie langweilig wie alttestamentarische

Zeugungsgeschichten; andere finden sie interessant, weil sie immer wieder

Namen entdecken, die sie schon kennen. Und dann gibt es einige wenige

Begeisterte, die lesen in Ahnentafeln wie ein Konzertmeister in seiner

Partitur. Melodien klingen gewissermaßen bei ihnen im Lesen auf, wo ein

anderer nur Striche und Punkte sehen mag. Ihnen werden die Hunde im

Gedächtnis wieder lebendig.

Geschichte des Sheltie

12

Geschichte des Sheltie

13

So beschreiben unsere englischen Lehrmeister beim Erörtern der

Sheltie-Geschichte ihre Erinnerungen an Shelties, die lächeln können, an

Rüden, die jedes Jahr schöner wurden, an Hündinnenfamilien, wo immer

wieder weiße Flecken auf dem Rücken vererbt wurden, an Show-Stars, die

sich im Ring wohl fühlten, und an solche, die hier eher schüchtern waren,

und an die vielen Tiere, die wegen irgendwelcher Fehler oder Unglücke

kaum im Rampenlicht der Ausstellungen standen und dennoch als

Zuchttiere berühmt wurden.

Aus der Fülle dieser Informationen wollen wir einige wenige Ereignisse

heraussuchen, die wir in zeitlicher Reihenfolge vorstellen möchten; als

Leitlinie dienten uns die Darstellung der männlichen Ahnenfolgen bei

Margaret Osborne und Felicity Rogers.

Von den zwei gegenwärtigen Linien ist die BB-Linie heute in England

vorherrschend. Sie ist benannt nach Butcher Boy, von dem man kaum

mehr weiß, als daß er um 1906 geboren sein mußte und der Vater von

Wallace, einem der besten Shelties seiner Zeit war. In der Ahnentafel von

Ch. Eltham Park Eureka, einem bedeutenden Vererber und wahren

Fundament der Rasse, erscheint in vier Generationen fünfmal der Name

dieses Wallace. In der gleichen Ahnentafel steht dreimal der Name Teena,

dies ist eine kleine Collie-Hündin, die systematisch und in aller Offenheit mit

Shelties gepaart wurde, um die Rasse zu verbessern. Es gelang, und der

1925 geborene Rüde Eureka war der Beweis. Nach einer Photographie zu

urteilen würde er mit seinen kräftigen Beinen auch heute sehr viel Eindruck

machen. Nach einer gloriosen Ausstellungskarriere wurde der sable Rüde

im Alter von 3 1/2 Jahren nach Amerika verkauft. Von seinen zwei

englischen Söhnen (Ch. Max of Clerwood und Eltham Park Evolution) ist

aber unsere Rasse nachhaltig beeinflußt worden.

Der eine Stammbaum-Ast über den tricolour Max of Clerwood (der

andere Ast geht über Evolution zu den Aberlours, siehe weiter unten) führt

nach vier Generationen zu Fydell Startler (geb. 1937). Er gehörte zu den

Shelties, die über lange Zeit jung bleiben, gewann noch nach dem 2.

Weltkrieg eine Championatsanwartschaft und zeugte einen Sohn, der 1947

geboren wurde, Ch. Helensdale Bhan. Bhan hatte mehrere erfolgreiche

Nachkommen, berühmt aber wurde Ch. Helensdale Ace (geb. 1949), das

Ergebnis einer ungewollten Paarung von Bhan mit seiner Mutter.

Ace war ein Sheltie mit einem solch faszinierenden Auftreten, daß

viele Seiten Lobes über ihn geschrieben worden sind. Die Ausstrahlung des

leuchtend orange-sable Rüden mit der breiten Blesse war derart

bezwingend, daß die Augenzeugen bekunden, nur ihn gesehen zu haben,

wenn er mit der Konkurrenz im Ring stand. Als Ace im Alter von sechs

Monaten sein erstes CC gewann, stellte der Richter fest: ein Stern ist

geboren! Auch als Vererber leistete Ace Hervorragendes, 10 Champions

14

Berühmte Shelties der Vergangenheit

1 - ZESTA, geb. ca. 1913. Gezüchtet von Mr. Loggie von den Shetland Inseln (aus

Coleman 1943, S. 22).

2 - Frühe Shelties: Links JASON, geb. 1912, Mitte LERWICK FREYJA und LERWICK JARL,

geb. 1907 (aus ESSC Handbuch 1951, S. 8).

3 - CHESTNUT LASSIE, geb. ca. 1920, die Mutter von Chestnut Rainbow, einem

Gründer-Rüden der CHE-Linie (aus Coleman 1943, S. 4).

4 - WISHAW MYRTLE, geb. 1912, ein früher Sheltie mit deutlichem Border Collie-Aussehen

(aus ESSC Handbuch 1970, S. 8).

5 - CH. SPECKS OF MOUNTFORT, geb. 1922, ein Enkel und Urenkel der Collie-Hündin

Teena (aus ESSC Handbuch 1970, S. 11).

6 - Vier Champion-Hunde aus dem Zwinger Houghton Hill. Der zweite von rechts ist der

berühmte CH. UAM VAR, geb. 1927 (aus ESSC Handbuch 1956, S. 103).

7 - CH. ELTHAM PARK ENA, geb. 1927 (aus Coleman 1943, S. 96).

8 - CH. ELTHAM PARK EUREKA, geb. 1925, der Vater von Ena und Sohn von Specks of

Mountfort. Die Eltham Park Shelties brachten ein starkes Collie-Erbe ein. Diesem

Typus ähneln noch heute amerikanische Shelties (aus Coleman 1943, S. 96).

9 - CH. TILFORD TONTINE, geb. 1927, eine einflußreiche Zuchthündin aus der CHE-Linie.

M. Davis widmet ihr ein Kapitel in ihrem Buch (aus Osborne, 1973, bei S. 97).

10 - CH. HELENSDALE LADDIE, geb. 1925, CHE-Linie. Auch er wurde, wie viele der frühen

Shelties, nach Amerika exportiert. Hier begrüßt er seinen Züchter aus Schottland,

Mr. Saunders (aus G. & M. Fallas 1986, S. 20).

11 - CH. ASHBANK ACTRESS, geb. 1928, CHE-Linie, eine Tochter von Helensdale Laddie

(aus Hutchinson ca. 1935, S. 1703).

12 - CH. NICKY OF ABERLOUR, geb. 1938 (aus Osborne 1973, bei S. 21).

13 - CH. RIVERHILL RUFUS, geb. 1934, der erste Champion aus dem berühmten Zwinger

Riverhill (aus Osborne 1973, bei S. 80).

14 - CH. HELENSDALE ACE, geb. 1949, vorgeführt von seinem Züchter Mr. Saunders (aus

Moody, 1990, S. 11).

15 - CH. DILHORNE BLACKCAP, geb. 1955, CHE-Linie, Vater von acht englischen

Champions, Sohn von Ch. Viking of Melvaig (aus G. & M. Fallas 1986, S. 141).

15

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Berühmte Shelties der Vergangenheit, Fortsetzung

16 - CH. RIVERHILL RESCUER, geb. 1951. Ein Vorfahr vieler deutscher Shelties aus den

1960er und 70er Jahren (aus ESSC Jubiläums-Heft 1974, S. 4).

17 - CH. RIVERHILL RARE GOLD, geb. 1954. Sie setzte als Zuchthündin Rekordmarken (aus

ESSC Handbuch 1956, S. 65).

18 - Vier Champion-Nachkommen der Rare Gold-Tochter Ch. Riverhill Rather Rich (von

links): RICHMAN, RATHER DARK, RAIDER und RATHER NICE (aus Rogers 1980, S. 43).

19 - CH. RIVERHILL ROGUE, geb. 1957, CHE-Linie (aus ESSC Handbuch 1961, S. 68).

20 - RIVERHILL ROLLING HOME, geb. 1959. Sohn von Rare Gold und Vater von sieben

englischen Champions (aus ESSC Handbuch 1966, S. 85).

21 - CH. VIKING OF MELVAIG, geb. 1950. Ein berühmter Vererber aus der CHE-Linie (aus

Rogers 1980, S. 71).

22 - CH. ANTOC SEALODGE SPOTLIGHT, geb. 1962, ein Rolling Home-Sohn (aus ESSC

Handbuch 1966, S. 125).

23 - CH. SAMANTHA OF SHELERT (links), geb. 1964 und STRIKIN' MIDNIGHT AT SHELERT,

geb. 1963, Vater von zehn englischen Champions (aus Davis 1973, S. 81).

24 - CH. MONKSWOOD MOSS TROOPER, geb. 1967, mit drei Linien zu Riverhill Rare Gold

(aus Baker 1988, S. 92).

25 - CH. EBONY PRIDE OF GLENHILL, geb. 1955, ein beeindruckender Ausstellungs-Sieger

(aus Moody, 1990, bei S. 36).

26 - CH. SHES MY FANCY AT SHELERT, geb. 1971. Sie gilt vielen als Verkörperung des

Standards (aus ESSC Handbuch 1975, S. 155).

27 - CH. RIVERHILL RIKKI, geb. 1950. Auch er ein Modell-Sheltie mit hervorragendem

Gebäude (aus ESSC Handbuch 1956, S. 62).

28 - CH. SUMBURGH SIRIUS, geb. 1962, hervorgegangen aus Hunden des legendären

Helensdale-Zwingers. Über seinen Sohn S. Debonair hatte er einen Einfluß auf die

deutsche Zucht (aus Rogers 1980, S. 103).

29 - CH. DRANNOC SUSILEY SPACEGIRL, geb. 1969. Ihre Ahnentafel geht auf alle 5 Würfe

von Riverhill Rare Gold zurück (aus Moody 1990, bei S. 36).

30 - CH. JEFSFIRE FREELANCER, geb. 1966, der erfolgreichste englische Zuchtrüde der

70er Jahre, mit Einfluß auch auf die deutsche Zucht (aus Rogers, 1980, S. 84).

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Geschichte des Sheltie

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waren unter seinen Nachkommen, und wenn man weiß, daß einer von

ihnen, Ch. Alasdair of Tintobank (geb. 1951) wiederum 10 Champions

zeugte, ahnt man den Ruhm, der den Zwingernamen Helensdale umgab.

Der Besitzer, J.G. Saunders, gehörte zu den Pionieren, die in den zwanziger

Jahren die Collie-Hündin Teena besaßen und deren Erbgut in die Urshelties

einbrachten. Mr. Saunders starb 1964, seine Sheltie-Linie wurde unter dem

auch in Deutschland bekannten Namen Sumburgh (Ch. Sumburgh

Debonair ist als Deckrüde bei uns um 1970 viel benutzt worden) von Mrs.

Morewood weitergeführt.

Von den Nachkommen von Ace's Sohn Ch. Alasdair of Tintobank

möchten wir jetzt einmal eine Hündin vorstellen: Ch. Riverhill Rare Gold,

geboren 1954. Sie wies einen bezaubernd süßen Ausdruck auf, hatte eine

beneidenswerte Ausstellungskarriere und setzte als Zuchthündin

Rekordmarken. Mit fünf verschiedenen Rüden brachte sie in fünf Würfen 29

Welpen, von denen 27 großgezogen werden konnten. Darunter waren

allein 4 Champions, und wenn man bedenkt, daß über ihre beiden

titellosen Söhne Riverhill Rolling Home und Riverhill Ranger über 50

Champions und CC-Winner kamen, wird die Bedeutung von Rare Gold

besonders eindrucksvoll.

Viele sehr bekannte Hunde haben zwei- oder mehrmals den Namen

Rare Gold in ihren Ahnentafeln. Ch. Jefsfire Freelancer (geb. 1966), der

erfolgreichste englische Zuchtrüde der 70er Jahre, hat z.B. zweimal die

Verbindung Rare Gold mit Carousel of Melvaig (dessen Mutter eine

Tochter von Alasdair ist) in seiner Ahnentafel. Söhne von Freelancer waren

gleichfalls erfolgreiche Zuchtrüden in England und im Ausland (z.B. Ch.

Jefsfire Allanvail Gold Spark in Dänemark, Ch. Jefsfire Allensway Captain

Scarlet in Deutschland).

F.M. Rogers sagt in ihrem Buch, wenn sie nur einen Hund aus der

BB-Linie aussuchen dürfte, würde ihre Wahl auf Ch. Nicky of Aberlour

(geb.1938, zur Abstammung siehe weiter oben) fallen. Dieser leuchtend

rotgoldene Rüde mit der breiten weißen Blesse war sowohl als "Showman"

wie auch als Vererber von herausragender Wirkung. M. Davis widmet ihm

als einem der großen Shelties der Vergangenheit ein Kapitel in ihrem Buch.

Die meisten Champions der BB-Linie gehen auf ihn zurück, beim

genannten Helensdale Ace beispielsweise erscheint er zweimal, in der

mütterlichen und väterlichen Linie. Nicky's Sohn Ch. Riverhill Redcoat und

dessen Urenkel Ch. Midas of Shelert möchten wir als Nachfahren

besonders erwähnen, da man ihnen oft in den Ahnentafeln der Hunde aus

den sechziger Jahren begegnet. Nicky of Aberlour erlebte noch die

Nachkriegszeit, gezeichnet von den Folgen der Staupe, die er

durchgestanden hatte.

Von dieser Krankheit heimgesucht war auch Ch. Riverhill Rescuer

Geschichte des Sheltie

19

(geb. 1951, er wurde 16 Jahre alt), der über Hector of Aberlour (einem

Verwandten Nickys) und Ch. Orpheus of Callart kommt und diese Linie

über Hartfield Herald, Ch. Ebony Pride of Glenhill und Carousel of Melvaig

zu Riverhill Rolling Home (geb. 1959) führt, einem der erfolgreichsten

Zuchtrüden der sechziger Jahre. Rescuers Name erscheint häufig auch in

den Ahnentafeln deutscher Shelties, vor allem über die Hündinnen aus

dem Zwinger from Shiel von Margaret Osborne. Riverhill Rolling Home ist

der Vater von Strikin' Midnight at Shelert (geb. 1963), der im

ESSC-Handbuch von 1975 als bedeutendster tricolour Zuchtrüde in der

Geschichte der Rasse gefeiert wird. Der Zwinger Shelert der Schwestern

Beryl und Joan Herbert wurde gleich nach dem Krieg gegründet und

erlangte sehr große Bedeutung; bis 1974 zählen wir 24 englische

Champions mit dem Zwingernamen Shelert, der über zahlreiche

Importhunde auch in deutsche Ahnentafeln getragen wurde.

Wir haben uns bei der Darstellung der Geschichte bislang vor allem

auf die Rüden der BB-Linie konzentriert, es bleibt noch die zweite

gegenwärtig existierende Linie zu erwähnen, die ihren Namen von

Chestnut Rainbow (CHE) hat. Diese Linie bringt in direkter Folge heute nur

noch wenige Nachkommen in England, blühte dort aber in der

Vorkriegszeit und beeinflußte vor allem Amerika. Das für Europa so

bedeutende Erbe von Nicky of Aberlour war ohne Auswirkung auf

Amerika, wie Mary Davis hervorhebt.

Wenn wir von zwei Rüden-Linien reden, darf nicht der Eindruck

entstehen, wir hätten zwei säuberlich getrennte Sheltie-Schläge vor uns,

denn über die Hündinnen sind die Linien mannigfach vernetzt.

Der wichtigste Zweig der CHE-Linie beginnt mit einer Reihe von

tricolour Hunden, die auf unglaublich verschlungenen Wegen miteinander

verbunden sind. Chestnut Rainbow wurde 1924 mit Chestnut Sweet Lady,

einer nahen Verwandten mit viel Collieblut im Hintergrund, gepaart. Das

Resultat waren sieben Hunde, die alle Karriere machten. Eine im Zwinger

Houghton Hill (später unter dem Namen Exford weiterlebend) fortgeführte

Inzucht mit einem von ihnen brachte schließlich 1927 den Champion Uam

Var of Houghton Hill, einen Zeitgenossen von Eltham Park Eureka, den wir

als einen der Pionier-Hunde der BB-Linie vorstellten. Uam Var war ein

kleiner, kräftig gebauter Tricolour mit gewaltigem Haarkleid. Er hatte einen

erheblichen Einfluß auf die Zucht. Seine blue merle Tochter Ch. Blue

Blossom of Houghton Hill (geb. 1929, ihre Urgroßmutter war die erste

namhafte blue merle Sheltie-Hündin) ist die Stamm-Mutter einer

erfolgreichen Hündinnen-Familie, zu der auch die oben genannte Riverhill

Rare Gold gehört.

Unter den männlichen Nachkommen von Uam Var möchten wir nur

seinen Urenkel, Ch. Riverhill Rufus (geb. 1934), den ersten Champion aus

Geschichte des Sheltie

20

Felicity M. Rogers

im Jahre 1979, anläßlich der Feier des

65. Geburtstages des English Shetland

Sheepdog Club mit ihrer 8-jährigen

Hündin Ch. RIVERHILL RATHER SPECIAL.

Diese Hündin ist die 4. Generation von

Riverhill-Champion-Hündinnen,

beginnend mit Ch. RIVERHILL RARE

GOLD, geb. 1954, über Ch. RIVERHILL

RATHER RICH, geb. 1957, und Ch.

RIVERHILL RATHER NICE, geb. 1962. -

In der Mitte steht Barbara Thornley mit

ihrem Ch. FELTHORN BEACHCOMBER,

geb. 1972, und im Hintergrund

unterhält sich Ch. McINTOSH OF

FRANCEHILL, geb. 1974, mit seiner

Besitzerin Margaret Searle (später:

Margaret Norman).

dem berühmten Zwinger Riverhill der Schwestern F.M. und P.M. Rogers,

vorstellen. Der reinerbig sablefarbene Rufus erscheint in der Ahnenfolge

eines jeden Sheltie mit dem Namen Riverhill (im Jahre 1986 starb die letzte

Riverhill Champion Hündin, Ch. Riverhill Rather Special). Die Photographie

des Kopfes von Rufus diente dem ESSC noch 1985 als Modell zur Illustration

des Sheltie-Standards. Den Schwestern Rogers verdankt die Sheltie-Kultur

sehr viel, die vielen prachtvollen Hunde und die getreue Überlieferung ihrer

Geschichte.

21

4 Der Standard: Beschreibung des Zuchtideals

Als Standard bezeichnen wir die Zusammenfas sung der

Rassekennzeichen eines Haustieres; es ist der Versuch der Beschreibung

eines Zuchtideals. Der Standard ist Menschenwerk, er ist Moden

unterworfen, und er kann im Widerstreit von Konservativen und

Progressiven auch Gegenstand von Konflikten sein. Wie ein Standard sich

wandeln kann, sei am Beispiel der Schulterhöhe des Sheltie erläutert: Die

ideale Schulterhöhe einer Hündin soll heute nach englischer, für uns

bindender Standardbeschreibung 14 Inch (35,56 cm; ein Inch ist 2,54 cm)

betragen. Bei der Gründung des "Shetland Collie Club" auf der Heimatinsel

wurde jedoch 1908 festgelegt, daß die Höhe des Sheltie 12 Inch (30 cm)

nicht überschreiten dürfe, 1910 nannte der gleiche Club 15 Inch (38 cm)

als Grenzmaß. Später verlangten der englische und der schottische Club

12 Inch als Idealgröße, 1923 der englische Club 12 bis 15 Inch als zulässige

Spanne und 13,5 Inch als Ideal; 1948 wurde vom englischen Kennel Club

als übergeordnetem Verwalter eines vereinheitlichten Standards 14 Inch

als Ideal anerkannt. Seit 1965 gelten 14 Inch für die Hündin, 14,5 Inch für

den Rüden als Idealmaß. Für die Shelties in Amerika gilt ein anderer

Standard; dort werden 13 bis 16 Inch als Schulterhöhe vorgeschrieben.

Der Standard ist keine photographieähnliche Beschreibung des

Ideals, sondern er hat in manchen Teilen eine bemerkenswerte Bandbreite

des Zulässigen; im Gegensatz zum amerikanischen Standard gilt dies

besonders für den englischen Standard des Sheltie. Diese Bandbreite gibt

Raum für züchterische Eigenwilligkeit, läßt zwischen Duldung und

Bevorzugung Raum für die Kritik des Richters auf Ausstellungen, und im

Wechselspiel zwischen Resultat und Kritik führt dann manchmal die Zucht

einer Hunderasse zu einer Neufassung ihres Standards.

Nach Vorschrift der internationalen hundekundlichen Vereinigung FCI

(Fédération Cynologique Internationale), der auch der deutsche Club für

Britische Hütehunde angehört, gilt für eine Rasse jeweils der Standard des

Mutterlandes, für den deutschen Sheltie-Liebhaber bringt diese Regelung

ein besonderes Problem mit sich, das der Sprache. Man muß bedenken,

daß schon englische Züchter mit Auslegungsproblemen des Standards in

Der Standard

22

ihrer Muttersprache zu tun haben. Wenn man darüber hinaus weiß, daß

die englischen Worte oft keine genau entsprechenden deutschen

Gegenstücke haben, wird klar, daß der Übersetzer gewisse Inhalte

umschreiben muß, was die Gefahr in sich birgt, daß ursprüngliche

Angaben und Absichten der Verfasser abgewandelt werden können.

Der gegenwärtig gültige Standard wurde 1986 vom englischen Kennel

Club veröffentlicht; er löste eine 1965 eingeführte Version ab. Die neue

Fassung wurde am 24. Juni 1987 für den FCI-Bereich gebilligt und 1989 in

deutscher Sprache herausgebracht.

Bei der nachfolgenden Diskussion des Standards benutzten wir die

Kommentare zu (teilweise veralteten oder abweichenden) Standards in

den Büchern von M. Osborne, M. Davis, B.M. und J.M. Herbert, O. Gwynne

Jones, B.J. McKinney & B.H. Rieseberg sowie eine 1989 vom Vorstand des

English Shetland Sheepdog Club veröffentlichte Broschüre mit dem Titel:

"The Shetland Sheepdog Standard - an Elaboration". Zum Vergleich

benutzten wir ferner eine von einem anonymen Übersetzer verfertigte

deutsche Fassung des englischen Standards von 1965; diese Fassung

wurde den Mitgliedern des deutschen Clubs für Britische Hütehunde seit

1975 in einer Broschüre beim Eintritt in den Club überreicht. Eine

entsprechende Broschüre des Schweizer Shetland Sheepdog Club (datiert

April/Mai 1974) enthält die zum Vergleich empfehlenswerte Übersetzung

der Schweizer Züchter H. und H.J. Roth und S. Streun.

STANDARD DES SHETLAND SHEEPDOG

(nach der am 24. Juni 1987 von der FCI gebilligten Version)

Übersetzung: F. und K. Riemann unter Mitwirkung des Schweizer Shetland

Sheepdog Club und von Uwe H. Fischer (Standard-Kommission des VDH).

ALLGEMEINES ERSCHEINUNGSBILD: kleiner, langhaariger Arbeitshund von

großer Schönheit, frei von Plumpheit und Grobheit. Umrißlinie symmetrisch, so

daß kein Teil unproportioniert erscheint. Das üppige Haarkleid, die üppige

Mähne und Halskrause und ein schön geformter Kopf mit einem lieblichen

Ausdruck verbinden sich zum idealen Erscheinungsbild.

CHARAKTERISTIKA: wachsam, sanft, intelligent, kräftig und lebhaft.

WESEN: liebevoll und verständig gegenüber seinem Herrn, reserviert

gegenüber Fremden, niemals nervös.

KOMMENTAR: Der Anfang des Standards hat in Anpassung an gewisse

Normen des englischen Kennel Clubs, die zu einer Vereinheitlichung der

Darstellung der Standards aller dort verwalteten Rassen führen sollte,

Änderungen zum Standard von 1965 hinsichtlich der Gliederung und des

Inhaltes erfahren. Das Ergebnis der Veränderung beschrieb uns ein

Der Standard

23

englischer Sheltiefreund mit den Worten: "Die Poesie ist weg". Zum

Vergleich bringen wir den Anfang der alten Fassung:

"Wesentliche Kennzeichen: Damit der Shetland Sheepdog seiner

natürlichen Veranlagung zum Hüten von Schafen nachkommen kann,

muß sein Körper kräftig und beweglich sein, aber nicht plump und ohne

jede Spur von Grobheit. Obwohl der Sheltie in seinem Typ Ähnlichkeit mit

dem des Langhaar-Collie zeigt, gibt es doch Unterschiede, die nicht

übersehen werden dürfen. Der Ausdruck, eines der hervorstechendsten

Merkmale der Ras se, ent s teht durch eine vol lkommene

Ausgeglichenheit und Harmonie von Schädel und Vorgesicht, Größe,

Form, Farbe und Plazierung der Augen, richtigem Ansatz und Trageweise

der Ohren; alles zusammen harmonisch abgestimmt, ergibt den fast

undefinierbaren Ausdruck lieblicher, aufmerksamer, freundlicher

Intelligenz.

Der Shetland Sheepdog soll seinem Herrn Liebe und Erwiderung zeigen;

er kann Fremden gegenüber reserviert sein, aber er darf keine Nervosität

zeigen.

Allgemeines Aussehen: Der Shetland Sheepdog muß auf den ersten Blick

den Eindruck eines wunderschönen, intelligenten und wachsamen

Hundes hinterlassen. Seine Bewegungen sind geschmeidig und anmutig,

und seine Schnelligkeit und Sprungkraft ist, gemessen an seiner Größe,

sehr beachtlich. Das Gesamtbild sollte symmetrisch sein, so daß alle Teile

des Hundes in einem sehr harmonischen Verhältnis zueinander stehen.

Eine Fülle von Haar an Mähne und Brust, zusammen mit einem schön

geformten Kopf mit süßem Ausdruck, verkörpert den idealen Shetland

Sheepdog, der Bewunderung hervorruft und erhält."

Der Neuling, vor allem, wenn er gewohnt ist, Formen mit Bogengrad

und Zentimetern zu beschreiben, wird vielleicht die Adjektive, die mehr das

Gefühl ansprechen, nicht richtig würdigen können. Wenn er aber gesehen

hat, wieviele verschiedene Typen von Shelties es gibt, merkt er, daß die

ersten Paragraphen des Standards Richtschnur für Zuchtbestrebungen sein

können. Es gibt zum Beispiel schwere, stämmige Typen und andere, ganz

zierliche, die wie Schoßhündchen wirken. Der Standard versucht, das

dazwischen liegende Ideal zu beschreiben. Wem die Forderung nach

einer symmetrischen Umrißlinie, in der kein Teil unproportioniert erscheint, zu

vage vorkommt, möge für sich einmal als Besucher einer großen

Ausstellung versuchen, die auffälligen Unterschiede in den Proportionen

von Körperhöhe und Länge oder die Unterschiede in der relativen

Kopfgröße (es gibt kleine Shelties mit großen Köpfen und große Tiere mit

kleinen Köpfen) präzise zu beschreiben. Vermutlich wird es nicht gelingen.

Wie oben gesagt: der Standard ist keine photographieähnliche

Beschreibung des Ideals.

Problematisch für den Übersetzer ist die Beschreibung des Ausdruckes.

Der Standard

24

Die englischen Worte "sweet, alert, gentle" die schon Bestandteile des

alten Standards waren, sind nicht eindeutig zu übersetzen. Das oben

genannte Gremium von Übersetzern hat sich auf die Übersetzung "lieblich,

wachsam, sanft" geeinigt. In der alten deutschen Version stand "lieblich,

aufmerksam, freundlich", wofür in der Schweizer Version zur gleichen Zeit

"liebenswürdig, wachsam und vornehm" eingesetzt werden. Die

Übersetzungen des deutschen und des Schweizer Clubs beschreiben

offensichtlich Verschiedenes, aber die Worte des Originals haben so viele

Bedeutungen, daß beide Übersetzungen möglich und richtig sind. Wir

würden diese Worte mit "süß, wachsam, sanft und vornehm" übersetzen

und sehen in der extrem schwer zu erzielenden Kombination von Süße und

Adel den besonderen Reiz der Sheltiezucht. Die Amerikaner vermeiden in

ihrem Standard von 1959 das Wort "sweet", das offenbar auch den

deutschsprachigen Sheltie-Kennern Unbehagen bereitet, sogar ganz und

schreiben dafür "questioning", fragend. Dies beschreibt wiederum einen

anderen Sheltie.

Anatomische Merkmale tragen zur Entstehung des erstrebten

Ausdruckes bei. Ist beispielsweise der Schädel fehlerhaft gewölbt, das

Schnäuzchen zu spitz, sind die Augen groß und rund, dann erscheint uns

der Sheltie als süß, aber wir vermissen den Adel. Derart kann man den

Hund weiter analysieren, und wir erkennen plötzlich, daß die das Gefühl

ansprechenden Bezeichnungen eine solide körperliche Grundlage haben.

Bei der Beurteilung des Ausdruckes wird im Standard im diskutierten

Zusammenhang nur Bezug auf Kopfform, Augen und Ohren genommen.

Unberücksichtigt bleibt, daß Flecken oder Abzeichen den im übrigen sehr

schönen Kopf scheinbar verändern können, ebenso das nicht seltene

rußige Vorgesicht, letzteres vermutlich ein Erbe gewisser nordischer Spitze.

Die Umrahmung des Gesichtes mit einer schönen Halskrause und Mähne,

wie auch die kappenartige Zeichnung der Stirn ("widow's peak",

Witwenkappe) kann den Ausdruck vorteilhaft verändern.

In den einleitenden Abschnitten des Standards würde man eine

Darstellung der Geschlechtsunterschiede erwarten. Der amerikanische

Standard schreibt dementsprechend, Rüden sollten maskulin, Hündinnen

feminin erscheinen. Der Verzicht auf selbst diese, äußerst knappe

Charakterisierung zeigt beispielhaft die Weitläufigkeit und Unbestimmtheit

großer Teile des englischen Standards, nur bei der weiter unten

aufgeführten Idealgröße erscheint ein Unterschied zwischen den

Geschlechtern. Mancher mag diese Unbestimmtheit als Mangel oder

Lücke empfinden, die er dann mit seiner privaten Meinung ausfüllt; wir

selbst halten es für richtig, die Unbestimmtheit zuerst einmal als solche zur

Kenntnis zu nehmen. Es ist bemerkenswert, wie überaus häufig

Kommentatoren des Ausstellungsgeschehens am Ringrand ihre Meinung

abgeben zum sogenannten "Geschlechtsgepräge" der vorgestellten

Hunde.

Der Standard

25

Ein wichtiger Unterschied der neuen Version des Standards

gegenüber allen ihren Vorgängern ist das Fehlen jeglichen Bezuges zum

Collie. Hinweise auf Ähnlichkeit und Unterschiede gegenüber dem Collie

waren früher wesentliche Bestandteile der Beschreibungen des

Rasse-Ideals. Der Grund für diesen Verzicht war eine neue Vorschrift des

englischen Kennel Clubs, die jede Erwähnung anderer Rassen in einem

Standard verbietet. Unabhängig davon empfehlen wir, den Standard des

Collie genau zu studieren und Wort für Wort mit dem Standard des Sheltie

zu vergleichen und sich dann hervorragende Vertreter beider Rassen

anzusehen. Man lernt dadurch sehr gut den Gehalt eines Standards

kennen.

KOPF UND SCHÄDEL: Kopf edel, von oben oder von der Seite gesehen wie ein

langer stumpfer Keil, der sich von den Ohren zur Nase hin verjüngt. Die Breite

des Schädels steht im richtigen Verhältnis zur Länge von Schädel und Fang.

Das Ganze muß in Anbetracht der Größe des Hundes bewertet werden.

Schädel flach, mäßig breit zwischen den Ohren, ohne daß das

Hinterhauptbein hervorragt. Wangen flach, glatt in den gut gerundeten Fang

übergehend. Schädel und Fang gleich lang, Teilungspunkt ist der innere

Augenwinkel. Oberlinie des Schädels verläuft parallel zur Oberlinie des Fangs,

mit leichtem aber deutlich erkennbarem Stop. Nase, Lefzen und Lidränder

schwarz. Der charakteristische Ausdruck ergibt sich durch die vollkommene

Harmonie in der Verbindung von Schädel und Vorgesicht, durch Form, Farbe

und Plazierung der Augen und durch die richtig angesetzten und korrekt

getragenen Ohren.

FANG / GEBISS: Kiefer ebenmäßig, glatt geschnitten, kräftig, mit gut

entwickeltem Unterkiefer. Lippen fest geschlossen. Zähne gesund mit einem

perfekten, regelmäßigen und vollständigen Scherengebiß, wobei die obere

Schneidezahnreihe ohne Zwischenraum über die untere greift, und die Zähne

senkrecht im Kiefer stehen. Ein vollständiger Satz von 42 richtig platzierten

Zähnen ist höchst wünschenswert.

KOMMENTAR: Ein wesentliches Anliegen bei der Zucht ist das Erzielen eines

"einteiligen Kopfes". Es sollte keine scharfe Trennung der Schädel- und

Schnauzenregion geben; der Standard beschreibt diese Situation mit dem

Bild des stumpfen Keils. Zu diesem Bild gehört auch, daß der Sheltie einen

gutentwickelten Unterkiefer hat. Gar zu viele Tiere haben aber einen sehr

flachen und/oder kurzen Unterkiefer, so daß in der Seitenansicht die

Forderung nach einem stumpfen Keil nicht erfüllt ist. Im amerikanischen

Standard wird demgegenüber ein tiefer Unterkiefer verlangt, was dem

englischen Ideal nicht entspricht. Wir sehen in der übermäßig starken

Ausbildung des Unterkiefers bei amerikanischen Shelties einen

wesentlichen Unterschied zu englischen Shelties.

Die Schnauze (Fang) sei schön modelliert, man wünscht keine Kanten

und keine Einsenkungen unter den Augen oder backenförmige

Vorwölbungen. Hantelförmige seitliche Einbuchtungen des Vorgesichtes

entsprechen nicht der Keilform. Es sei allerdings erwähnt, daß manche

kleinen Mängel des Vorgesichtes junger Shelties später weichen können.

Der Standard

26

Bei allem Streben nach einem gut ausgefüllten Vorgesicht (wie die Richter

die Gestalt in einer Kurzformel oft beschreiben) und einem kräftigen

Unterkiefer sollte nach unserer Auffassung jede Klobigkeit vermieden

werden. Warum? Die Süße des Ausdrucks geht leicht verloren. Wie so oft,

navigiert der Sheltie-Züchter auch hier zwischen Scylla und Charybdis, das

schwache Schnäuzchen wünscht man nicht, aber Klobigkeit ist auch nicht

recht; Balance heißt das Gebot. Dem Keilbild entsprechend sei der

Schnauzenrücken bis zur Nasenspitze schön gerade. Ramsnasen sind

selten beim Sheltie. Man kann es aber als Anfänger angesichts des

krummen Profils neugeborener Welpen nicht glauben, daß später etwas

Ansehnliches daraus werden kann.

Als Fehler gilt ein "abfallender Schädel". Damit meint man, daß die

Oberlinie des Hirnschädels im Profil nicht parallel zum Schnauzenrücken ist,

sondern einen kleinen Knick der Richtung nach hinten bzw. unten zeigt. Es

ist ein verbreiteter Fehler, den vor allem übergroße Shelties zeigen. Barsois

haben solche Köpfe immer und auch einige (unkorrekte) Collies, beim

Sheltie ist es vielleicht eine Erinnerung an altes Collie-Erbe. Ein leicht

abfallender Schädel beim Junghund ist kein Grund zur Unruhe, die

Verhältnisse wenden sich meist zum Guten. Mit "Stop" bezeichnet man die

kleine Anhebung der Gesichtsprofillinie zwischen Fang (Schnauze) und

Hirnschädel (Oberschädel). Der Stop kann kurz, scharf begrenzt, oder

länger, fließend, sein. Der Standard bestimmt es nicht näher, und auf

Ausstellungen sieht man sehr unterschiedliche Längen des Stops. Ein

fehlender Stop ist fehlerhaft.

Der Hinweis auf die senkrechte Stellung der Zähne im Kiefer fehlte im

alten Standard. Auch Fangzähne (Eckzähne) weichen manchmal von der

idealen Stellung ab; sie können schräg seitlich abstehen. Diese fehlerhafte

Stellung kann auf einer Behinderung des nachwachsenden Zahnes durch

den Milchzahn beruhen, der nicht rechtzeitig von allein ausfällt, sondern

vom Tierarzt gezogen werden muß. Leider führt auch eine rechtzeitige

Maßnahme nicht immer zum Erfolg. Die Neigung zu fehlerhaft gestellten

Fangzähnen ist offenbar erblich in bestimmten Verwandtschaftsgruppen.

Grundsätzlich ist es wichtig, bei Ausstellungen nicht nur Zahl und Zustand

der Zähne bei geöffnetem Maul zu prüfen, sondern sich auch von dem

korrekten Zahnschluß des geschlossenen Gebisses zu überzeugen. Im

Zusammenhang mit dem Gebiß sollte man anführen, daß manche Shelties

sehr zu Zahnstein neigen. Nicht nur der Aussteller sollte sich darum

kümmern, daß sein Sheltie gesunde, schöne Zähne hat. Die Forderung

nach straffen, gut schließenden Lippen muß beachtet werden; bei

geschlossenem Maul darf nichts von den Zähnen zu sehen sein, und die

Lippen berühren sich in einer feinen, geraden Linie.

AUGEN: mittelgroß, schräg eingesetzt, mandelförmig. Dunkelbraun, außer bei

den Merles, wo ein oder beide Augen blau oder blau gesprenkelt sein dürfen.

27

Rechts:

Englischer Champion

LONGDELLS GOING FOR GOLD, geb.

1991, auf dem Foto 15 Monate alt.

Diesen Sohn von Ch. Shelridge Haywire

möchten wir als Vertreter der modernen

englischen Zucht den beiden

Sheltie-Rüden aus anderen Zeiten und

anderen Kontinenten gegenüberstellen.

Links:

Australischer Champion

TOONEYBANK TE-RA,

aufgenommen im Jahre 1977 von

Carolyn Shaw und veröffentlicht im

ESSC-Kalender 1979. Te-Ra war ein Rüde,

der seinen Typ und seine leuchtende

shaded sable Farbe an seine

Nachkommen weitergab.

Drei Rüden-Portraits

Links:

Amerikanischer Champion

HALSTORS PETER PUMPKIN, geb. 1965.

Schon zu Lebzeiten war dieser

amerikanische Rüde eine Legende,

seine Erfolge in der Zucht sind wie ein

amerikanisches Märchen: Etwa 150

seiner direkten Nachkommen wurden

Ausstellungs-Champions. Der auch für

unseren Geschmack liebliche Peter-Typ

breitete sich durch seine Kindeskinder

rasch über Amerika aus. Peter war 36,25

cm groß und besaß ein überreiches,

leuchtend dunkelrotes Haarkleid, das er

reinerbig vererbte. Wie kein anderer hat

er den Typ der amerikanischen sable

Shelties geprägt.

Der Standard

28

Konturen und Skelettdetails zur Illustration des englischen Standards (gezeichnet unter

Benutzung von Abbildungen in McKinney & Rieseberg 1976, S. 10 und 11).

KOMMENTAR: Korrekte Augen bedeuten für den Züchter eine schwierige

Aufgabe. Da zudem Form und Größe von der Stimmung des Sheltie

abhängend im starken Maße beim gleichen Tier unterschiedlich

erscheinen, ist das Augenthema Gegenstand unerschöpflicher

Kontroversen und Diskussionen bei den Sheltie-Fans. Shelties haben oft

große, runde Augen. Viele Züchter versuchen deshalb bevorzugt kleine,

schmale Augen zu züchten. Gehen sie aber in ihren Bemühungen zu weit,

geht viel Schönheit des Ausdruckes verloren. Die Farbe der Augennetzhaut

sollte normalerweise dunkelbraun sein (wir wollen die Blue Merles einmal

außer acht lassen). Es sind die mittelgroßen, dunkelbraunen Augen, die

einem Sheltie die Sanftheit des Ausdruckes verleihen. Helle Augen sind

fehlerhaft; es heißt aber den Standard mißverstehen, wenn man schwarze

Augen fordert - ein solches Auge kann einen harten Ausdruck ergeben.

Die Lidränder sollen schwarz sein, dies ist eine neue Forderung des

Der Standard

29

Standards. Bei der Beurteilung der Augengröße täuschen die schwarzen

Lidränder manchmal übergroße Augen vor. Es gibt zwei Ebenen (Front

oder Profil) des Raumes, in denen die Schrägstellung der mandelförmigen

Augen möglich wäre, der Standard verrät dazu nichts Näheres. Man sieht

unterschiedlich eng zusammengerückte Augen bei den Shelties, sie

können näher am Nasenrücken zusammengerückt oder mehr seitlich am

Kopfe stehen. Was ist richtig? Sicherlich auch hier wieder ein harmonisches

Mittelmaß, das den richtigen Ausdruck ergibt. Mandelförmig geschnittene,

in der gewissen Weise schräg platzierte Augen sind zusammen mit der

korrekten flachen Stirn das Element, das wesentlich den Ausdruck des

Adels beim Sheltie hervorbringt.

OHREN: klein und am Ansatz mäßig breit, auf dem Schädel ziemlich eng

zusammenstehend. Im Ruhezustand werden sie zurückgelegt getragen; im

aufmerksamen Zustand werden sie nach vorne gebracht und halbaufrecht,

mit nach vorne kippenden Spitzen getragen.

KOMMENTAR: Korrekt geformte und getragene Ohren sind beim Sheltie

ähnlich selten wie korrekte Augen. Das begehrte Kippohr ist schwer in der

Zucht zu fixieren, und so müssen viele Welpenbesitzer mit Beschwerungen

und Massagen etwas nachhelfen und diejenigen, die es nicht brauchen,

klagen oft über ein zu schweres (fehlerhaftes) Hängeohr. Im Gegensatz

zum Collie-Standard, der verlangt, daß das obere Ohrdrittel nach vorne

kippt, gibt der Sheltie-Standard hier keine nähere Beschreibung, und

dementsprechend gibt es Kontroversen. Man sieht große Unterschiede in

dem Grad des Kippens bei den verschiedenen Shelties auf Ausstellungen.

Es ist die Ohrhaltung, die über den wachsamen, intelligenten Ausdruck

entscheidet, und um fair zu sein, muß man den unglücklichen Besitzern von

Stehohr-Shelties sagen, daß ihr Hund zumindest nicht schläfrig wirkt.

Stehohren gelten als Fehler, und es gibt nicht viele Fehler bei den

Hunderassen insgesamt, die von Richtern derart einmütig unnachsichtig

verurteilt werden. Züchter, die sich über die physikalischen Grundlagen des

Ohrenkippens Gedanken machen, äußern gelegentlich den Hinweis, die

Ohren sollten nicht zu klein sein. Sie mögen bitte das erste Wort dieses

Standard-Abschnittes lesen. Blue Merle Shelties haben häufiger als die

Shelties mit anderen Farben zu große Ohren. Dieser Sachverhalt ist ein

Hinweis auf enge Kopplung von Erbanlagen und Beispiel eines der vielen

Zwänge, denen ein Züchter unterliegt: Er will nur die Farbe, aber die

großen Ohren muß er mitnehmen.

HALS: muskulös, gut gebogen, von ausreichender Länge, um eine stolze

Kopfhaltung zu ermöglichen.

KOMMENTAR: Schöne Shelties recken einem edlen Pferde gleich ihren Hals

und gewähren einen majestätischen Anblick. Leider kommt bei manchen

Shelties der Kopf gerade eben aus dem Fell heraus und wird fast in einer

Höhe mit dem Rücken nach vorn gerichtet und gar nicht stolz erhoben.

Der Standard

30

Man muß dem Halse des Sheltie besondere Beachtung schenken, denn

der kurze Hals ist oft ein Indiz für schlecht platzierte (nicht genügend schräg

geneigte) Schulterblätter, deren Stellung die freie Bewegung der

Vorderbeine beeinflußt. Ein langer, schön getragener Hals und die

zugehörige gutgebaute Vorhand (Schulter und Vorderbeine) zählt zu den

höchsten Qualitäten bei vielen Hunderassen; beim Sheltie ist diese Qualität

selten zu sehen - umso eindrucksvoller ist es, wenn man ein solches

Fabeltier im Stand und in der Bewegung erleben oder vielleicht sogar

besitzen darf.

VORHAND: Schultern sehr gut zurückliegend. Am Widerrist nur durch die Wirbel

getrennt, liegen die Schulterblätter dann schräg nach außen, um der

gewünschten Wölbung der Rippen Platz zu bieten. Schultergelenke gut

gewinkelt. Oberarm und Schulterblatt ungefähr gleich lang. Abstand vom

Boden zu den Ellenbogen gleich dem Abstand von Ellenbogen zu Widerrist.

Vorderläufe von vorn gesehen gerade, muskulös und ebenmäßig geformt, mit

kräftigen Knochen. Vordermittelfuß kräftig und geschmeidig.

KÖRPER: geringfügig länger vom Schultergelenk zu den Sitzbeinhöckern als die

Widerristhöhe. Brust tief, bis zu den Ellenbogen herabreichend. Rippen gut

gewölbt, in der unteren Hälfte schmal zusammenlaufend, um den

Vorderläufen und den Schultern eine freie Bewegung zu ermöglichen. Rücken

gerade, mit einer anmutigen Rundung über der Lendenpartie, Kruppe

allmählich nach hinten abfallend.

HINTERHAND: Schenkel breit und muskulös, Schenkelknochen im rechten

Winkel im Becken eingesetzt. Kniegelenk mit deutlicher Winkelung,

Sprunggelenke gut geformt und gewinkelt, tiefstehend, mit kräftigen

Knochen. Hintermittelfuß von hinten gesehen gerade.

KOMMENTAR: Die Beschreibung des Bewegungsapparates ist im Vergleich

zu anderen Hunderassen sehr ausführlich. Funktionale Gesichtspunkte, die

auf dem Gedankengut der allgemeinen Hundekunde unter Beachtung

auch des Pferdeganges beruhen, stehen hinter der Beschreibung. Stellung

der Schulterblätter, Stellung und Länge der Oberarme entscheiden über

das weite Vorausgreifen der Vorderbeine. Mängel im Schultergürtel

können durch eine hackende, wenig ausgreifende Bewegung der

Vorderbeine verraten werden. Zu steil gestellte Schulterblätter, zu steil

gestellte und kurze Oberarme werden häufig von unseren englischen

Lehrmeistern als die Kardinalfehler der meisten Shelties moniert. Wenn die

Schulterblätter vorschriftsmäßig platziert sind, die Oberarme aber in der

Seitenansicht vom Schultergelenk ab senkrecht nach unten streben oder

kurz sind bei richtiger Platzierung, und die allgemeine Betonung des

geraden, senkrechten Profils sich auch in die Fesseln fortsetzt, haben wir

eine Silhouette vor uns, die bei Foxterrier-Leuten geschätzt wird, dem

Standard des Sheltie aber nicht entspricht. Das Ellenbogengelenk muß,

bedingt durch die Forderung nach einem wohlausgeprägtem Winkel

zwischen Schulterblatt und langem Oberarm (früher wurde im Standard

Der Standard

31

geschrieben, daß dieser Winkel annähernd rechtwinklig sein sollte), weit

hinter dem Schultergelenk liegen (der Hund soll "Vorbrust" haben). Nach

unseren eigenen Erfahrungen sind Tiere mit Fehlern im Bereich von

Schulterblatt und Schultergelenk manchmal mit Muskeln schwer bepackt,

wohingegen korrekter gebaute Tiere hier vergleichsweise mager wirken

(der englische Allrounder Tom Horner hat ähnliche Gedanken geäußert).

Bei der Erfüllung der Aufgaben der Gliedmaßen können offenbar Mängel

in der Hebelwirkung von Knochen durch eine Überentwicklung von

Muskeln ausgeglichen werden.

Die Forderung nach in der Frontansicht geraden Vorderläufen schließt

ein, daß die Ellbogen nicht ausgedreht und die Füße nicht verdreht sind,

auch wenn im Standard der ausdrückliche Hinweis fehlt. Bei der

Beurteilung der Ellenbogenstellung können die langen Haare ("Federn")

täuschen, ein Abtasten ist daher angebracht. Krumme Beine auf

ausgedrehten Füßen ("Chippendale-Front", "Französischer Stand"), um

einen weiteren Fehler zu nennen, sind leider nicht selten.

Hinsichtlich der Beschreibung der Gesamtproportionen eines idealen

Sheltie gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen dem alten und dem

neuen Standard. Früher forderte man, daß der Körper vom Widerrist bis

zum Schwanzansatz etwas länger als die Höhe bis zum Widerrist sei, heute

schreibt man, daß der Körper geringfügig länger vom Schultergelenk bis zu

den Sitzbeinhöckern als die Widerristhöhe sein solle. Bei einem korrekt

gebauten Sheltie mit einem weit nach hinten gelegten Schulterblatt ist die

Körperlänge, je nachdem, ob man sie vom Widerrist (dem Hinterende der

Schulterblätter) oder vom Schultergelenk (dem Vorderende der

Schulterblätter) mißt, um mehr als 10 Zentimeter verschieden.

Dementsprechend müßte man annehmen, daß die Beziehungen zwischen

Körperhöhe und Länge heute anders als früher beurteilt werden. In der

Praxis der Ausstellungen ist das aber nicht der Fall; die Vorstandsmitglieder

des English Shetland Sheepdog Club sind der Auffassung (Elaboration,

Seite 7), daß die Schreibweise des alten Standards auf einem Irrtum

beruhe. Ein harmonisches Maß in den diskutierten Proportionen ist aus

funktionalen Gründen wichtig. Ein hochgebauter, kurzrückiger Sheltie kann

sehr elegant aussehen, aber er neigt zu einer stelzenden Gangart. - Durch

die allmählich abfallende Kruppe unterscheiden sich Shelties von den

Collies, letztere haben ein mehr eckiges Hinterende.

An den Hinterbeinen soll der Abstand des Sprunggelenkes zum Boden

kurz sein. Gazellenartig hochstehende Sprunggelenke sind unerwünscht,

statt dessen möchte man kurze Mittelfußknochen (Hunde sind

Zehengänger, und das Sprunggelenk entspricht der menschlichen Ferse).

Entsprechende Forderungen gelten für viele Hunderassen, sie sind

begründet durch die Überlegung, daß die Achillessehne, die ans

Fersenbein geheftet ist, wegen des verkürzten Mittelfußes auf günstigere

Der Standard

32

Laufender Wolf. Beispielhaft zeigt dieses zum ausdauernden Laufen befähigte Wildtier,

wie beim Trab die Beine gestreckt werden (Umriß gezeichnet nach einer Photographie

aus der Zeitschrift "Tier-Extra", Sonderheft Nr. 4, 1980; Verlag Hallwag, Bern). Die Knochen

des Schultergürtels wurden freihändig eingezeichnet.

Hebelbedingungen trifft. Das Sprunggelenk sei gewinkelt, dies aber nicht

im übertriebenen Maße derart, daß die Füße im Stand immer unter den

Körper gezogen werden. Diese Positur wird im Standard nicht ausdrücklich

verurteilt, wir sehen sie aber als Zeichen einer schlechten Balance zwischen

Vor- und Hinterhand. In "Sheltie Talk" von McKinney & Rieseberg (1976, Seite

27) wird darauf hingewiesen, daß Hunde mit dieser Hinterbeinhaltung

("sickle hocks") eine steife, stelzende Bewegung der Hinterbeine zeigen.

Von hinten gesehen sollen die Mittelfüße senkrecht stehen; nähern sich die

Sprunggelenke fehlerhaft, spricht man von "Kuhhessigkeit". Zum Abschluß

der Diskussion des Bewegungsapparates soll ein ermutigender Hinweis

gegeben werden: Manche Mängel lassen sich durch intensives

Trab-Training (an der Leine) mindern oder sogar beheben.

Der Standard

33

PFOTEN: oval, mit gut gepolsterten Sohlen, Zehen gewölbt und geschlossen.

KOMMENTAR: Durch vorsichtiges Beschneiden der Haare des Fußes sorgt

man dafür, daß der ovale Umriß erkennbar bleibt.

RUTE: tief angesetzt. Die zur Spitze hin dünner werdenden Wirbelknochen

reichen bis zu den Sprunggelenken; reichlich mit Haar bedeckt und mit einem

leichten Aufwärtsschwung. Sie darf in der Bewegung leicht erhoben werden,

aber niemals über die Rückenlinie hinaus. Auf keinen Fall geknickt.

KOMMENTAR: Der tief angesetzte, korrekt getragene Schwanz setzt die

schöne Hals-Rücken-Kruppenlinie des Sheltie fort. Eine zu kurze Kruppe und

eine zu hoch angesetzte Schwanzwurzel ergeben einen unschönen,

eckigen Körper. Der Schwanz ist leider häufig etwas zu kurz; vor allem

korrekt kleine Rüden haben diesen Mangel. Ein fröhlich in die Höhe

gestreckter Schwanz wird manchmal nachsichtig beurteilt. Der Züchter

sollte aber hinsichtlich dieses Fehlers ein kritisches Auge haben. Im

amerikanischen Standard fehlt der Hinweis auf den tiefen Rutenansatz. Die

Kruppe amerikanischer Shelties wirkt vielleicht deshalb häufig etwas eckig.

GANGART / BEWEGUNG: geschmeidig, fließend und anmutig, mit Schub aus

der Hinterhand, dabei größtmögliche Distanz bei geringster Anstrengung

zurücklegend. Paßgang, kreuzende oder wiegende Gangart oder steife,

stelzende Auf- und Abwärtsbewegung sind höchst unerwünscht.

KOMMENTAR: Wir können hier nicht genau beschreiben, wie der Sheltie

richtig laufen muß, sondern geben den Rat, auf großen Ausstellungen bei

der Vorführung prämierter Vertreter größerer Hunderassen zuzusehen. Beim

Sheltie ist es ein Problem, daß mit zunehmender Annäherung an die ideale

geringe Größe offenbar Unzulänglichkeiten im Gebäude zunehmen. Der

Wunsch nach Geschmeidigkeit der Bewegung bleibt dann oft unerfüllt.

HAARKLEID: doppelt, das äußere Deckhaar besteht aus langem, hartem und

geradem Haar. Unterwolle weich, kurz und dicht. Mähne und Halskrause sehr

üppig. Vorderläufe gut befedert. Hinterläufe oberhalb der Sprunggelenke

stark, unterhalb ziemlich kurz/glatt behaart. Das Gesicht kurz-/glatthaarig.

Kurzhaarige Exemplare sind höchst unerwünscht.

KOMMENTAR: Der Aufbau des Haarkleides aus zwei Schichten wird

deutlich beim Haarwechsel der Shelties. Die weiche und kurze Unterwolle

kommt in dicken Flocken heraus, die Deckhaare fallen einzeln als lange

harte Grannen aus. Bei vorbildlichen Shelties kann die Unterwolle so dicht

stehen, daß man beim Bürsten kaum die Haut sehen kann. Diese

Unterwolle hält das Deckhaar an der Basis aufrecht und bestimmt dadurch

die Fülligkeit des Haarkleides. Wichtig ist, daß das Deckhaar wirklich

gerade ist, welliges Haar ist fehlerhaft. Dieser Fehler vererbt sich nach

Der Standard

34

unserer Erfahrung deutlich.

Das Erzielen der üppigen Haarfülle beim Sheltie ist ein Kardinalthema

unter den Liebhabern der Rasse. Es werden viele Tricks genannt, sich

häufig widersprechende Erfahrungen ausgestauscht (über den Einfluß von

Temperatur, Klima, Ernährung usw.), aber Einigkeit herrscht doch, daß man

die Haare vor allem bei den Zuchtplänen bedenken muß. Bei Hündinnen,

die wir näher kennen, werden die Haare in einem Zyklus gewechselt, der

mit dem Sexualzyklus parallel verläuft. Das Haarkleid ist 1 bis 2 Monate vor

Beginn der Läufigkeit auf einem Tiefstand, wächst dann allmählich, um sich

dann 3 Monate nach Beginn der Läufigkeit in schönster Pracht zu zeigen.

Die mit den Keimdrüsen in Beziehung stehenden Hormone haben

anscheinend auch Einfluß auf die Haarentwicklung. Bei Rüden wird das

Haarkleid weniger dramatisch gewechselt als bei Hündinnen.

FARBE: Z o b e l f a r b e n : Reinfarben oder in Schattierungen von hellem Gold

bis zum satten Mahagoni, wobei die Schattierung kräftig getönt sein soll.

Wolfsfarbe und Grau sind unerwünscht. T r i c o l o u r : Tiefschwarz am Körper,

vorzugsweise mit satten lohfarbenen Abzeichen. B l u e - M e r l e : klares

silbriges Blau, mit schwarzer Sprenkelung und Marmorierung. Satte lohfarbene

Abzeichen werden bevorzugt, ihr Fehlen wird nicht bestraft. Große schwarze

Flächen, schiefergrauer oder rostfarbener Anflug, sowohl im Deckhaar, wie

auch in der Unterwolle sind höchst unerwünscht. Der Gesamteindruck muß

von Blau geprägt sein.

S c h w a r z - W e i ß u n d S c h w a r z m i t L o h sind ebenfalls anerkannte

Farben. Weiße Abzeichen dürfen (außer bei Schwarz mit Loh) als Blesse, am

Halskragen, an der Brust, an der Halskrause, an den Läufen und an der Spitze

der Rute vorhanden sein. Das Vorhandensein all dieser oder einiger dieser

weißen Abzeichen soll bevorzugt werden (außer bei Schwarz mit Loh); das

Fehlen dieser Abzeichen soll nicht bestraft werden. Weiße Flecken am Körper

sind höchst unerwünscht.

KOMMENTAR: Der Farbschlag Schwarz mit Loh (schwarz-braun, black and

tan), von vielen Hunderassen bekannt, ist seit den dreißiger Jahren bei den

Shelties ausgestorben; schwarz-weiße bzw. blau-weiße Shelties waren

lange Zeit selten, wurden aber in den achtziger Jahren auch in

Deutschland häufiger. Auf englischen Ausstellungen sieht man häufig

leuchtend goldfarbene Sable; die kräftig schattierten, mahagonifarbenen

Sable sind seltener. Diese Farbe überwiegt dagegen bei den

amerikanischen Shelties, wo sie oft reinerbig ist.

GRÖSSE: Ideale Widerristhöhe: Rüden 37 cm, Hündinnen 35,5 cm. Eine

Abweichung um mehr als 2,5 cm über oder unter diese Maße ist höchst

unerwünscht.

KOMMENTAR: Eine ideal große, 35,56 cm hohe Sheltiehündin ist ein kleiner

Hund, und nur selten kommen Shelties mit vorbildlichem Kopf und

Der Standard

35

Gebäude dem Größenideal nahe. In Amerika können Shelties unter 13

Inch (33 cm) und über 16 Inch (40,64 cm) im Ausstellungsring disqualifiziert

werden, der englische Standard kennt eine Disqualifikationsregel nicht.

Weitere Anmerkungen zur Körpergröße bringen wir im Kapitel über das

Richten und Ausstellen von Shelties.

FEHLER: jede Abweichung von den vorgenannten Punkten sollte als Fehler

angesehen werden, dessen Bewertung im genauen Verhältnis zum Grad der

Abweichung stehen sollte.

KOMMENTAR: Diese Formulierung ersetzt einen langen Katalog von

Fehlern, wie er im alten Standard aufgeführt wurde, nämlich:

"Fehler: Gewölbter oder abfallender Schädel, fehlender Stop, große

Hänge- oder Stehohren. Stark hervorstehende Wangenknochen,

schwache Kiefer, schwache Schnauze, unvollständiges Gebiß, krumme

Vorderbeine, Kuhhessigkeit, geknickte, kurze, oder über dem Rücken

getragene Rute, weiße oder vorherrschend weiße Farbe, rosa oder

fleischfarbene Nase, blaue Augen bei jedem Farbschlag außer Blue

Merle, Nervosität, runde oder helle Augen, Vor- und Überbiß".

Versehen mit den Kenntnissen des Standards versuchen Sie nun Ihren

Sheltie zu beurteilen. Vielleicht besichtigen Sie ihn im Spiegel oder

betrachten Photographien; die leichte Verfremdung des Hundes macht

Sie als Betrachter objektiver. Sie werden Fehler entdecken, denn alle

Hunde haben Fehler. Aber auch Tugenden hat Ihr Hund, bedenken Sie

deshalb die Worte von McKinney & Rieseberg: "Der Hund mit den meisten

Tugenden ist im allgemeinen besser als der mit den wenigsten Fehlern".

ANMERKUNG: Rüden sollten zwei offensichtlich normal entwickelte Hoden

aufweisen, die sich vollständig im Skrotum befinden.

KOMMENTAR: Bei Shelties sind sogenannte Einhoder nicht selten. Auf dem

europäischen Kontinent werden Rüden mit diesem Defekt auf

Ausstellungen disqualifiziert. In England werden sie geduldet; früher waren

einige von ihnen sogar zu hohen Ausstellungsehren gekommen. Im Kapitel

über spezielle Zuchtprobleme werden wir diesen Sachverhalt diskutieren.

Der Standard

36

37

5 Ausstellungen

Aus der Sicht des Ausstellers - geschrieben von Franz Riemann

Wenn auch manchmal Romantiker meinen könnten, die Wiege des

Sheltie stehe außerhalb dieser Welt, muß man doch nüchtern feststellen,

daß unsere Hunderasse ein Produkt und Bestandteil menschlicher Kultur

und zwar der englischen ist. Bei der Entwicklung dieser Kultur-Leistung

haben Hunde-Ausstellungen immer eine wesentliche Rolle gespielt.

Hunde-Ausstellungen sind die Stätte kritischen Vergleichs des

vorgeführten Zucht-Ergebnisses mit dem angestrebten Rasse-Ideal, dem

Standard. Sie sind ein Ort des Wettbewerbes, des Triumphes und der

Niederlage, aber auch der Ort von Information und Verständigung: Der

Sheltie-Liebhaber trifft hier seine Freunde.

Zugegeben, es gibt heftige Einwände gegen Hunde-Ausstellungen,

ihre Veranstalter, amtierenden Richter und Funktionäre. Leute, die es sich

im Leben behaglich eingerichtet haben, sehen sich plötzlich mit

ungewohnten Verhältnissen konfrontiert, mit dilettantischer Organisation,

mit Zugluft, Schmutz, verkommenen sanitären Einrichtungen und

Erniedrigungen von der Art, wie sie seit Absolvieren von Militärzeit oder

Fahrschule nicht mehr erlebt wurden. Sie leiden unter dem Schlendrian, wo

sie doch pünktlich sind und Pünktlichkeit erwarten und unter dem Gerede,

wo Schweigsamkeit angebracht wäre.

Andererseits ist es die Aufreihung erhebender, oftmals kleiner,

manchmal geradezu billiger Erlebnisse, die einen Hundebesitzer zum

begeisterten Ausstellungsgänger machen können. Ein zweiter oder dritter

P lat z (wenn nicht gar ein S ieg) in einer gutbes uchten

Junghundekonkurrenz, das Kennenlernen eines weisen, freundlichen,

kenntnisreichen und sachlichen Richters, die Bekanntschaft mit einem

Sieger, dem der Sieg zu gönnen ist, die Freundschaft mit seinen

Konkurrenten (in Straßburg gibt es guten Wein, den man dann mit seinen

neuen Freunden an den Hundeboxen trinken kann), dies alles kann einen

Ausstellungstag vergolden.

Ausstellungen

38

Der Ausstellungsrichter hat ein schwieriges Amt, das Verständnis

erfordert. Der Aussteller erwartet von ihm neben den notwendigen

speziellen Fähigkeiten und der Freundlichkeit vor allem Objektivität. Soweit

man mit diesem Wort eine gewisse Sachlichkeit meint, die lediglich auf

den Hund gerichtet ist, teilen wir diese Erwartung. Wir erwarten jedoch

nicht, daß der Richter nach objektiven Wertmaßstäben urteilt. Diese

nämlich vermittelt der englische Sheltie-Standard nicht (in Amerika

dagegen werden z.B. die Größengrenzen objektiv beurteilt; ein

Nichteinhalten der Grenzmaße führt zur Disqualifikation). Soll man das

bedauern? "Ich gebe zu bedenken, ob nicht gerade die individuelle

Standard-Auffassung der einzelnen Richter der letzte Strohhalm ist, an dem

sich die Rassen retten können" (Trumler 1977, Ratgeber, S. 18). Hinter

diesem pathetischen Aufruf steht eine Einsicht, der wir im Grundsatz

zustimmen möchten.

Jeder Hund hat Fehler, und die Richter beurteilen das Gewicht der

Fehler oft sehr unterschiedlich. Ausbildung des Kopfprofiles, Augenfarbe,

der Schwanz und die Haartextur beispielsweise werden unterschiedlich in

den Wertungen berücksichtigt. Gewissermaßen wirkt die Summe aller

Richtermeinungen nun als spezieller Umwelteinfluß selektierend auf das

Erbgut der Hunde und die weitere Evolution ein. Falls sich die extremen

Formen individueller, subjektiver Richter-Auffassungen am Ende

gegenseitig aufheben, resultiert aus dem Gewährenlassen des

Individualismus schließlich doch eine Stabilisierung der Rasse, ohne daß

abweichende Subtypen gleich ausgerottet werden. Das mag sich vielfach

nachträglich als Glücksfall für eine Rasse erweisen, wenn nämlich die

Träger geduldeter Fehler andererseits überzeugende Tugenden vererben

können. Unser persönlicher Eindruck ist, daß die Rasse Sheltie in

besonderem Maße des liberalen englischen Umwelteinflusses bei der

Zuchtauslese bedarf, um gedeihen zu können. Ein gnadenloser objektiver

Wertmaßstab bei der Beurteilung irgendeines Merkmales scheint uns

fragwürdig. Dementsprechend skeptisch verfolgen wir beispielsweise die

Auswirkungen der peniblen dentistischen Untersuchungen (die Zahl der

Zähne gilt ja landläufig als objektive Wertskala) in den Ausstellungsringen

des Kontinents mit der im Vergleich zu England wesentlich schärferen

Verurteilung von fehlenden Zähnen.

Verlassen wir diese Erörterungen. Wenn Shelties etwa 9 bis 11 Monate

alt sind, haben sie ihre erste Blüte, und es mag sich lohnen, gerade dann

eine große Ausstellung mit einer gut besetzten Junghunde-Konkurrenz als

Debutant zu besuchen. Danach verlieren Shelties meist viel Haar, und vor

allem die Rüden haben im zweiten Jahr besondere Probleme, um zu

Ansehen zu kommen und müssen auf das erwachsenere Alter warten.

Nutzen Sie also die Zeit, und versuchen Sie mit dem jungen

vielversprechenden Hund schon in den ersten Lebensmonaten zu einer

gewissen Ausstellungsreife zu gelangen. Er sollte an lockerer Leine gehend

Ausstellungen

39

freudig mit Ihnen durch die Stadt laufen, unter Ihrem verläßlichen Schutz

sich mit friedlichen Menschen- und Hundeansammlungen arrangieren

(wenn das Gedränge zu arg wird, kommt er auf den Arm), und er sollte alle

Ihre Freunde kennenlernen. Nach unserer Erfahrung kann ein Kursus zur

Vorbereitung auf die Begleithundprüfung in einem Gebrauchshunde-Club,

wo freundliche Ausbilder sich auch mit Kleinhunden anfreunden, sehr

nützlich auch für eine Ausstellungskarriere sein. Hierbei lernt man

beispielsweise, daß der Hund immer an der linken Seite seines Besitzers

geführt wird; diese Regelung gilt auch für die Ausstellung. Wenn der Hund

auf das Kommando "Steh" sich hinstellt, aufmerksam die Ohren aufrichtet

und bewegt (das Ohrenzeigen ist sehr wichtig für die Beurteilung des

Ausdruckes), vielleicht sogar den Hals reckt und sich richtig in Pose stellt,

wird er seinen Anforderungen als Ausstellungshund schon sehr gut

nachkommen. Wir bringen das Kommando "Steh" vor allem dann, wenn

wirklich auch für uns Aufmerksamkeit geboten ist, etwa an der

Verkehrsampel. Später lassen wir dann den Sheltie zum Zwecke des

Photographierens oder der Präsentation vor anderen Leuten posieren,

wobei wir leise mit ihm sprechen, um seine Aufmerksamkeit, die dem Hund

so gut steht, zu erwecken und zu erhalten. Hat der Hund seine Aufgabe

gut gemacht, wird er gelobt und vielleicht mit einem Leckerbissen belohnt.

War die Übung nicht so gut ausgefallen, macht man eine Pause und

wiederholt später noch einmal, dabei ist es wichtig, dem Hunde eine

freudige Grundstimmung zu vermitteln. Wenn Sie zusammen eine richtige

Sportgemeinschaft unterhalten, ein Team bilden, in das auch der

Ehepartner eingeschlossen ist, können Sie später alle große Freude an der

Ausstellerei haben. Einen Sheltie richtig auf der Ausstellung zu präsentieren,

verlangt, wie Mary Davis formulierte, perfekte Verbindung zwischen Hund

und Besitzer, gegründet auf wechselseitigem Vertrauen und Verständnis.

Diese Beziehung sollte eigentlich - unabhängig vom Ausstellen - Streben

aller Hundehalter sein.

Nehmen wir also an, Sie und Ihr wohlgestalteter Sheltie können sich

aufeinander verlassen. Nun beginnt das Kapitel spezifischer

Ausstellungsvorbereitung. Zuerst erkunde man die vereinspolitische

Landschaft. Es ist sinnvoll, einem Hunde-Club anzugehören, der Shelties

betreut. Diese Clubs informieren über Ausstellungsorte und Termine und

organisieren auch Ausstellungen selbst. Außerdem führen sie in

Deutschland die Zuchtbücher und dokumentieren des Hundes Geburt,

Abstammung und Fortpflanzung mit einem Aufwand, der Ihren eigenen

Geburts- und Trauschein vergleichsweise unbedeutend erscheinen läßt. Es

gibt konkurrierende Vereine (perspektiveabhängig eingeteilt in

sogenannte Offizielle und Dissidenten), die sich mit wechselseitiger

Anerkennung schwer tun. Als Aussteller müssen Sie deshalb wissen, daß

man nicht mit dem richtigen Hund zu einer von der falschen Seite

organisierten Ausstellung gehen darf; es wird Ihnen sonst als schwere

Sünde angerechnet. Durch die Vereinszugehörigkeit des Züchters Ihres

Ausstellungen

40

Hundes und die entsprechend ausgefertige Ahnentafel ist Ihr weiterer Weg

schon in gewissem Maße vorbestimmt; wollen Sie konvertieren, bedarf es

der Beratung durch weise, erfahrene Hundefreunde, wobei die Weisen

unter den Hundeclub-Aktivisten nach unserem Empfinden allerdings etwas

seltener sind als die streitbaren Naturen. Grundsätzlich ist es wichtig für Ihre

weitere Hundler-Karriere, daß die Dokumentation der Herkunft Ihres

Hundes, Ihre eigenen Absichten und die Regeln des in Frage kommenden

Clubs in ein harmonisches Verhältnis zueinander gebracht werden.

Sind diese Dinge zur Zufriedenheit geklärt, ist es ratsam, ein- oder

zweimal eine große, von Ihrem Club anerkannte Hunde-Ausstellung zu

besuchen - ohne Hund. Unbelastet erlernt man so am besten gewisse

Fertigkeiten und kann sich am Beispiel von Vorbildern einen persönlichen

Aussteller-Stil aneignen. Hat man später erst seinen eigenen Hund im Ring,

wird der Horizont enger und zum Herumschauen ist wenig Gelegenheit.

Wenn Sie zum frühesten Zeitpunkt in die Ausstellungshalle kommen,

sollten Sie zuerst sehen, wie die Hunde eingelassen werden. Die Aussteller

(die Unrasierten unter ihnen sind die Nacht durch gefahren) müssen einen

speziellen Eingang benutzen, kommen dann durch die Tierarztkontrolle, wo

sie den Impfpaß des Hundes vorweisen. Sie haben oft große

Umhängetaschen, damit die Hände freibleiben, um im Notfall den kleinen

Hund im Gedränge hochnehmen zu können. Hinter der Tierarztkontrolle

erhalten die Aussteller ihren Katalog, sie erfahren darin die

Ausstellungs-Nummer des Hundes (bei Ausstellungen mit Boxen ist dies

zugleich die Boxen-Nummer), die Beteiligung gefürchteter Konkurrenz und

die Nummer des Ringes, in dem die Beurteilung stattfindet (der Ring ist

manchmal recht weit von den Boxen entfernt). Sie selbst sollten schon an

der Kasse einen Katalog gekauft haben, weil er Ihnen außer den Namen

der Hunde Wesentliches über die Ausstellungsreglemente mitteilt, welche

wir dem häuslichen Studium empfehlen. Über Klassen-Einteilungen,

Modalitäten der Preisvergabe, tierärztliche Vorschriften und so weiter

findet man Angaben, die für die meisten späteren Ausstellungen gleichfalls

gelten. - Haben die Aussteller ihre Boxen gefunden, werden diese für die

Hunde eingerichtet mit Zeitungspapier und Decken, auch wird manchmal

die Boxe vor Benutzung desinfiziert. Man lernt hierbei durch's Zusehen,

welche Utensilien und Maßnahmen für Hund und Aussteller wichtig sind.

Bis zu Beginn des Richtens hat man dann Gelegenheit, zu

beobachten, wie das Haarkleid der Hunde für den großen Auftritt

zurechtgemacht wird. Beziehen Sie in diese stillen Beobachtungen auch

die benachbarten Reihen der Collies ein, deren Besitzer bei der

Schau-Vorbereitung die gleichen Aufgaben wie die Sheltie-Leute haben.

Es wird gebürstet und gekämmt, und manchmal wird auch mit Wasser

gesprüht. Vielleicht imponiert Ihnen die eine oder andere Technik, dann

haben Sie später zu Hause Gelegenheit zum Ausprobieren.

Ausstellungen

41

Beobachten Sie dann die Vorführung der Hunde im Ring, sehen Sie zu,

wie die Reihe der Wettbewerber aufgestellt wird, wie der Richter dann zur

ersten Orientierung die Gruppe im Kreis laufen läßt. Hierbei kann es zu

gegenseitigen Behinderungen kommen, die Sie selbst später vermeiden

müssen. Im Anschluß an das Gruppenlaufen erfolgt die individuelle

Untersuchung der Hunde, oft verbunden mit gründlicher Leibesvisitation

der Shelties auf dem Tisch. Zähne, Gesichtsausdruck, Ohrenhaltung

(selbstverständlich sollten keine Spuren von irgendwelchen künstlichen

Hilfen zur Erzeugung des Kippens vorhanden sein), Stellung der Beine im

Stand und in der Bewegung (Trab), Schwanzhaltung, die Haartextur - alles

ist von Bedeutung für den Richter, wie Sie bemerken werden. Sie sehen

auch, wie schwierig es ist, in schöner Form die Bewegungen eines Shelties

im Trab zu demonstrieren, wenn der Richter von den Ausstellern das

Ablaufen einer vorbezeichneten Strecke fordert. Solche Lauf-Figuren

sollten Sie später zu Hause mit Ihrem Hund üben. Noch schwieriger ist es, in

der ungewohnten Umgebung den Sheltie in festem Stand in seiner

schönsten Haltung zu präsentieren. Problematisch ist hierbei die

Beeinflussung durch Personen, die außerhalb des Ringes stehen. In der Tat

reagieren Shelties oft sehr vorteilhaft auf die Anwesenheit lieber

Angehöriger, die halbverborgen im Publikum stehen. Man muß aber

wissen, daß die aktive Beeinflussung von außerhalb des Ringes allgemein

verpönt ist. In einer verbreiteten englischen Ausstellungspose präsentiert

man Shelties, indem man ihnen in einigem Abstand einen Leckerbissen

vorhält, den sie aufmerksam betrachten, wobei der Richter den Hund

idealerweise im Profil sehen sollte. Am besten scheint uns allerdings, der

Hund posiert wie von selbst im Ring, vielleicht nach leiser Aufforderung

durch seinen Vorführer. Zweckmäßigerweise hat man außerdem einige

Leckerbissen für den Hund bei sich, gewissermaßen als Hilfsmittel für

schwierige Situationen, auch kann ein interessantes Spielzeug nützlich sein.

Und nur das letzte Mittel sei eben - der Komplize unter den Zuschauern.

Es könnte sein, daß Ihre Erfahrungen als Zuschauer einer

Hunde-Ausstellung sich nicht nur auf das Kennenlernen von Fertigkeiten

beschränkt haben. Vielleicht haben Sie auch etwas von dem besonderen

Reiz einer fairen, sportlichen Veranstaltung gespürt und haben nun den

Wunsch, in Zukunft der Aussteller-Gemeinschaft anzugehören.

Nun kommen die letzten Vorbereitungen für Ihr Debut. Bei großen

Ausstellungen, die wir empfehlen möchten, muß man sich bis zu sechs

Wochen vorher anmelden; die Meldepapiere müssen deshalb rechtzeitig

vom Veranstalter besorgt, ausgefüllt und wieder abgeschickt werden, das

Meldegeld ist gleichzeitig zu überweisen. Tierärztliche Bestimmungen die

Tollwut betreffend müssen besonders beachtet werden. Am besten wird

jährlich die Schutzimpfung durchgeführt und der internationale Impfpaß,

der dies bescheinigt, bei Ihren Personalpapieren aufbewahrt.

Weitergehende amtstierärztliche Bescheinigungen sind selten nötig. Dann

Ausstellungen

42

muß die Haarpflege des Hundes so weit vollendet sein, daß auf der

Ausstellung nur noch ein leichtes Überbürsten nötig ist, und nun bleibt nur

noch das Zusammenstellen des Gepäcks: Umhängetasche, Decke,

Zeitungspapier, Sicherheitsnadeln, Wasserflasche, Trinknapf, kleine

Plastiktüten für Abfälle oder ein eventuelles Mißgeschick Ihres Hundes,

Ahnentafelkopie, Ausweispapiere, Anmeldebestätigung des Veranstalters,

Bür s te, Kamm, Verpf legung und der uner läßl iche leichte

Camping-Klappstuhl, in dem Sie dann Ihren Auftritt erwarten können. Auch

Ihr Hund soll sich wohlfühlen; er wird genährt wie immer, nur auf die

rechtzeitige Durchführung seiner Geschäfte sei geachtet, daß keine

Beklemmung im Ring entsteht. An mehr brauchen Sie einstweilen nicht zu

denken, in der Ausstellungshalle finden Sie Sportfreunde, die bei

Problemen behilflich sind.

Dann gehen Sie mit Zuversicht in den Ring. Ihr Hund freut sich über Ihre

gelassene Stimmung und wird sein Bestes geben. Beachten Sie alle Zeit,

die Sie im Ring stehen, daß sich Ihr Hund vor dem Blick des Richters

vorteilhaft zeigt. Vielleicht, so hoffen wir, kostet dies nicht einmal Mühe,

weil Ihr Sheltie ein geborener Showman ist, eine jener Persönlichkeiten, die

wie Schauspieler die Aufmerksamkeit genießen, die man ihnen zuwendet.

Worum geht es bei der Ausstellung? Um den Sieg Ihres Hundes? Sicher.

Aber es geht vor allem auch um den guten Eindruck, den eine Mannschaft

- Sie und Ihr Sheltie - macht, vor den Konkurrenten, vor dem Richter und vor

den Zuschauern, die den Ring umstehen.

Nach dem Richten, wenn Sie sich in Ihrem Klappstuhl entspannen,

und Ihr Hund vor Ihnen in seiner Boxe liegt, werden sie vielleicht von

Zuschauern angesprochen, die Fragen haben, weil das Katalog-Chinesisch

wenig Auskunft gibt, und Shelties vielfach unbekannt sind. Kümmern Sie

sich bitte um diese Leute, die Eintrittsgeld bezahlt haben, um auch Ihren

Hund zu sehen. Eine Hunde-Konkurrenz ist ja kein Duell, das man

genausogut unter sich bleibend auf einer Waldlichtung abhalten könnte.

Es ist ein gesellschaftliches Ereignis, bei dem die Zuschauer dazugehören.

Wenn die Ausstellung offiziell geschlossen wird, werden die Aussteller

aus der Pflicht entlassen. Mit Ausrufen der Erleichterung eilen sie zu ihren

Autos, und sie kommen uns vor, wie Schulkinder, die in die Ferien geschickt

werden. Das nächste Mal aber sieht man wieder ihre Autos im

Morgengrauen auf den Straßen: die Aussteller-Gemeinde versammelt sich

zu einer neuen Runde!

43

Linke Abbildung:

Mr. Derek Rigby (Zwinger LYTHWOOD) im Jahre 1979 mit seinem nobel gezogenen Rüden

Ch. LYTHWOOD SNAFFLES, geb. 1976. Snaffles Vater ist Ch. Mistmere Marching Orders, ein

Ch. Monkswood Moss Trooper-Sohn. Snaffles Mutter stammt aus der Verbindung der

beiden Champions Lythwood Brandy Snap und Drannoc Susiley Spacegirl.

Der Lythwood-Zwinger ist gegenwärtig einer der wenigen englischen Zwinger, die

eine eigene Zucht-Linie geschaffen haben. Eine wichtige Stütze war dabei der

herausragende Zuchtrüde Ch. LYTHWOOD SKY MASTER, geb. 1981 (Sohn des Ch.

Sandpiper of Sharval), der auch außerhalb Englands großen Einfluß hatte. Darüber hinaus

hat der Zwinger Lythwood einen einmaligen Rekord in der Sheltie-Zucht aufgestellt, indem

er 5 Generationen Champion-Rüden in direkter Linie gezüchtet hat:

Ch. LYTHWOOD BRANDY SNAP, geb. 1971

Ch. LYTHWOOD SAGA, geb. 1976

Ch. LYTHWOOD SPRUCE, geb. 1977

Ch. LYTHWOOD SCRABBLE, geb. 1984

Ch. LYTHWOOD STEPTOE, geb. 1988

Wenn man glaubt, daß dies in der Rüdenlinie nicht so schwierig ist, da Rüden mehr

Nachkommen haben als Hündinnen, dann bedenke man, daß immer auch die

passenden Hündinnen im eigenen Zwinger zur Verfügung stehen müssen.

Rechte Abbildung:

Mrs. Kath Jeffries (Zwinger JEFSFIRE) im Jahre 1985 mit Ch. JEFSFIRE FREE TRADER, geb. 1983.

Hinter der oben genannten Reihe der Lythwood-Champion-Rüden stehen zwei andere

berühmte Shelties: Der später nach Dänemark exportierte Int.Dk.Ch. JEFSFIRE ALLANVAIL

GOLD SPARK, geb. 1968, und dessen Vater, Ch. JEFSFIRE FREELANCER, geb. 1966, der

überaus einflußreiche englische Sheltie-Rüde, mit mehr als 10 Champion-Nachkommen in

England. In vielen europäischen Ländern führten Söhne und Töchter seine Linie fort, in

Deutschland war dies ganz besonders der hochprämierte JEFSFIRE ALLENSWAY CAPTAIN

SCARLET. Der auf dem Bild vorgestellte Ch. Free Trader führt den Namen Freelancer

viermal in seiner Ahnentafel.

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6 Gedanken über das Richten und Ausstellen von Shelties

Aus der Sicht des Richters - geschrieben von Karin Riemann

Großbritannien ist nicht nur das Land, in dem die Rasse Sheltie

entstand, es ist auch das Land, in dem man das Ausstellen und öffentliche

Beurteilen von Haustieren entwickelte, und damit Zuchtrichtungen

einleitete, die nicht mehr nur die Gebrauchseigenschaften von Haustieren

berücksichtigten.

Gegenwärtig [1993] gibt es in Großbritannien 9 Shetland Sheepdog

Clubs und 35 sogenannte Championship Shows, auf denen bis zu 400

Shelties um Sieg, Platz und die beiden "Challenge Certificates" wettstreiten.

Das Organisieren und Besuchen von Ausstellungen ist in den Clubs die

zentrale Aufgabe für Züchter, Funktionäre und andere Mitglieder. So lautet

beispielsweise der erste Paragraph in der Satzung des English Shetland

Sheepdog Club (ESSC) folgendermaßen:

"The English Shetland Sheepdog Club shall promote the breeding and exhibiting of

Shetland Sheepdogs, supporting shows and doing all in its power to protect and advance

the interests of the breed" (Der ESSC soll die Zucht und das Ausstellen von

Shetland Sheepdogs fördern, indem er Ausstellungen unterstützt und alles

in seiner Macht stehende tut, um die Interessen der Rasse zu schützen und

voranzubringen).

Zu der zentralen Rolle der Ausstellungen gehört in Großbritannien

auch die große Anzahl kenntnisreicher Richter. Für unsere Rasse, die in Typ

und Bau so unterschiedlich sein kann, ist das eine wichtige Voraussetzung,

um verschiedene Linien am Leben zu erhalten. Die unterschiedliche

Wertschätzung oder Verurteilung von Merkmalen, abhängig von der

jeweiligen Person, aber auch von der jeweiligen Zeit gehört zur Entwicklung

einer Hunderasse und ihres in Worten niedergelegten Standards.

Woran erkennt man einen "guten" Richter?

Als Aussteller beschäftigt man sich vor dem Ausfüllen von

Meldepapieren gern mit der Frage, was ein bestimmter Richter "mag" oder

Gedanken über das Richten und Ausstellen

45

auch "nicht mag" und versucht so, die Chancen des eigenen Hundes

abzuschätzen. Es gibt nicht Wenige, die der Meinung sind, daß ein "guter"

Richter daran zu erkennen sei, daß man sofort sieht, was er haben möchte,

bzw. was er verabscheut. Wir haben dieses Thema häufig mit Freunden

(darunter auch Richter) diskutiert und sind dabei zu der Überzeugung

gelangt, daß die Rasse Sheltie zumindest in Deutschland das Richten nach

bestimmten Schlüsselmerkmalen nicht erlaubt. Zum einen gibt es Shelties

von sehr unterschiedlichem Typ, und zum anderen sind die Konkurrenzen

viel zu klein, als daß man es sich erlauben könnte, nach bestimmten

Merkmalen, seien es nun Fehler oder Vorzüge, eine Vorsortierung

vorzunehmen.

Der Richter macht es sich zu leicht, wenn er beispielsweise nur nach

"Augen", "Ohren", "Stop", "Größe", "Hinterhand" oder ähnlichen

Einzelmerkmalen vorsortiert, ganz zu schweigen von den "fehlenden

Prämolaren", auf die wir weiter unten noch einmal zurückkommen werden.

Eine solche Vorsortierung nach Schlüsselmerkmalen kann dazu führen, daß

man blind wird für die Gesamtqualität eines Hundes und beispielsweise

einen großartigen Vertreter der Rasse nicht gewinnen läßt, oder sogar

aussortiert, nur weil er in dem einen Schlüsselmerkmal Schwächen hat.

Man muß versuchen, dies zu vermeiden, indem man zuerst die

Gesamtqualität jedes einzelnen Hundes einschätzt: wenn man dabei zu

der Überzeugung gelangt, daß es sich um einen hervorragenden Sheltie

handelt, dann können ihn auch mehrere Schwächen in Einzelmerkmalen

nicht mehr um das "Vorzüglich" bringen - und er sollte auch gewinnen,

wenn er in der Gesamtqualität der beste anwesende Sheltie ist.

An dieser Stelle möchten wir noch einmal den weisen Satz aus dem

amerikanischen Sheltie-Buch von McKinney & Rieseberg einfügen, den

man mehrfach lesen muß, um ihn voll zu verstehen: "Der Hund mit den

meisten Qualitäten ist in der Regel besser als der mit den wenigsten Fehlern" - eine

Aussage, die für die Zucht gleichermaßen gilt, denn wie die beiden

Autorinnen an anderer Stelle sagen (frei übersetzt): "Jeder Anfänger lernt

sehr schnell, die Fehler eines Hundes zu erkennen, aber es braucht Jahre,

bis man erkennt, daß auch ein Hund mit einem deutlich sichtbaren Fehler

hervorragend sein kann und für die Zucht wichtig ist."

Um den hervorragenden Sheltie mit den meisten Qualitäten erkennen

zu lernen, braucht man Zeit, und man sollte in dieser Zeit möglichst viele,

besser noch möglichst viele gute Shelties sehen. Zunächst aber kann man

für sich selbst und auch für die Zucht viel lernen, wenn man sich beim

Anblick eines Sheltie fragt: In welchen Merkmalen ist er hervorragend, in

welchen ist er korrekt (kein Fehler, aber auch nicht besonders gut), in

welchen Merkmalen ist er fehlerhaft und schließlich: was finde ich an diesem

Sheltie unakzeptabel ? Dabei kann man zu der Erkenntnis kommen, daß es

Gedanken über das Richten und Ausstellen

46

fehlerlose, korrekte Shelties gibt, die aber dennoch nur mittelmäßig sind.

Die Körpergröße des Sheltie

Ein Merkmal, das häufig diskutiert wird, ist die Körpergröße. Eigentlich

muß man sich darüber wundern, daß es hier überhaupt unterschiedliche

Ansichten gibt, denn die Größe ist das einzige Sheltie-Merkmal, das im

Standard in Zentimetern bzw. in englischen Inches festgelegt ist. Hinzu

kommt noch, daß der englische Sheltie-Standard im Gegensatz zu

anderen Hundestandards und auch zum amerikanischen Sheltie-Standard

keine Spanne (von - bis) angibt, sondern eine ganz exakte Ideal-Größe:

Hündinnen 35,5 cm und Rüden 37 cm. Als akzeptable Abweichung von

diesem Ideal nennt der Standard 2,5 cm (1 Inch), wobei das Überschreiten

dieser Spanne (Hündinnen kleiner als 33 cm oder größer als 38 cm bzw.

Rüden kleiner als 34,5 cm oder größer als 39,5 cm) vom Standard als "highly

undesirable" (höchst unerwünscht) bewertet wird. Dieser Terminus "highly

undesirable" kommt sonst nur noch dreimal im Standard vor, einmal für

unkorrekte Bewegungen, einmal für Kurzhaarigkeit und einmal für weiße

Flecken am Rumpf des Sheltie. Daraus kann man ableiten, daß "highly

undesirable" von den Engländern als "gravierender Fehler" gemeint ist.

(Trotzdem sei aber darauf hingewiesen, daß der englische Standard, im

Gegensatz zum amerikanischen, bei der Größe keine Disqualifikation

kennt).

Wie ist es aber zu erklären, daß die Größe des Sheltie dennoch, auch

im Mutterland der Rasse, offenbar ziemlich locker gesehen und

entsprechend liberal im Ausstellungsring bewertet wird? Dabei geht es, wie

wir alle wissen, nicht um die zu kleinen Shelties, sondern immer um die

etwas zu großen. "Ein Sheltie ist so groß wie er aussieht", diesen sibyllinischen

Ausspruch schreibt man Miss Rogers, einer der Besitzerinnen des berühmten

Riverhill-Zwingers zu. Diesen Satz kann man so interpretieren, daß ein

wohlproportionierter, harmonisch gebauter Sheltie auch dann nicht "hoch"

wirkt, wenn er ein paar Zentimeter zu groß ist. Dieser Satz deutet aber auch

etwas an, worauf ich weiter unten ausführlicher eingehen möchte,

nämlich, daß die tatsächliche Körpergröße eines Sheltie gar nicht so leicht

einzuschätzen ist.

Eine Erfahrung, die man sowohl als Sheltie-Züchter wie auch als

Sheltie-Richter macht, ist die, daß häufig gerade die etwas großen Shelties

besonders eindrucksvolle Vertreter der Rasse sind: Gute Winkelungen

verhelfen ihnen zu der stolzen Hals-Rückenlinie und den geschmeidigen

Bewegungen, die jedes Richter-Auge betören und mit Recht sowohl

Zentimeter als auch Inch vergessen lassen. Auch die guten

Kopfproportionen mit der gewünschten harmonischen Verschmelzung von

Flächen und Rundungen und einem Stop, der die richtige Stellung und

Form der Augen erlaubt, scheinen bei größeren Shelties häufiger

vorzukommen.

Gedanken über das Richten und Ausstellen

47

Wie groß ist ein Sheltie wirklich?

Wir sind uns also wohl darin einig, daß man bei der Bewertung der

Körpergröße des Sheltie ähnlich tolerant sein muß, wie bei anderen

Einzelmerkmalen - es ist somit ohne Weiteres zu vertreten, einen "ziemlich

großen" Sheltie zum Sieger zu erklären, wenn er in Typ und Gebäude

hervorragend ist. Was allerdings niemals passieren darf, ist, daß idealgroße Shelties als

"zu klein" angesehen werden - eine Fehleinschätzung, die möglicherweise gar

nicht so selten vorkommt, und die jene Züchter benachteiligt, die sich der

schwierigen Herausforderung stellen, den guten Typ und das richtige

Gebäude in einem idealgroßen Sheltie zu vereinen.

Bei der Beurteilung der Körpergröße von Shelties muß man einfach

wi s sen, daß man s ich gewaltig täuschen kann. So gibt es

Sheltie-Konkurrenzen, wo beispielsweise zwischen mehreren stattlichen

Shelties in vollem Haarkleid zwei "Kleine" stehen, der eine mit und der

andere ohne Haarkleid. Wird bei den "stattlichen" die Größe nur vom

üppigen Haarkleid vorgetäuscht? Sind die "Kleinen" idealgroß, korrekt groß

oder vielleicht wirklich zu klein? Auch die Körpergröße der vorführenden

Person und nicht zuletzt die des Richters kann bei der Einschätzung der

Sheltie-Größe eine Rolle spielen.

Das Einfachste wäre es, wenn der Richter die Shelties auf der

Ausstellung messen würde - unserer Meinung nach aber eine schlechte

Lösung, denn jeder, der Shelties besitzt, weiß, wie leicht man einen Sheltie

mit irgendwelchen Meßgeräten aus der Fassung bringen kann, was jedes

Meßergebnis unbrauchbar macht. Die beste Lösung, bei der alle drei

Beteiligten, nämlich Sheltie, Aussteller und Richter ein würdiges Bild

abgeben, ist es, den Sheltie auf einen soliden Tisch mit rutschfester

Unterlage zu stellen, wobei der Richter aus einigen Metern Entfernung

Größe und Gesamterscheinung beurteilen kann. Mit Grausen erinnern wir

uns an Ausstellungsszenen, wo sich zwei Personen über einen kleinen

Sheltie am Fußboden hermachen, oder - noch schlimmer - ein Sheltie, der

auf dem Arm des Vorführers die Eingriffe des Richters abzuwehren

versucht. Es bedarf wirklich nur eines minimalen Trainings, selbst Welpen an

den Tisch zu gewöhnen, und wenn man den Tisch an richtiger Stelle im

Ausstellungsring platziert, profitieren auch noch die Zuschauer davon, daß

jeder Sheltie auf diese Weise noch einmal herausgehoben wird. Wenn

man als Richter immer noch Zweifel an der Größe eines bestimmten

Kandidaten hat, so kann man sich Sicherheit verschaffen, indem man den

eigenen Unterarm als Maßstab benützt: Unsere mit dem Ellenbogen auf

den Tisch aufgestützten Unterarme messen bis zur Oberkante der

Handknöchel (die Finger werden rechtwinklig gegen den Sheltie gehalten)

zum Beispiel 37 cm beziehungsweise 38 cm.

Daß die Idealgröße häufig nicht gewürdigt wird, liegt nicht nur daran,

daß diese Shelties kleiner und daher unscheinbarer sind, sondern daß

Gedanken über das Richten und Ausstellen

48

Shelties dieser Größe, oder besser gesagt Kleinheit, oft Mängel haben, die

sowohl der Züchter wie auch der Richter "haßt". Hier gibt es offenbar eine

Gesetzmäßigkeit, die bei wildlebenden Säugetieren, wie auch bei

Haustieren zu beobachten ist: Bei der Verringerung der Körpergröße

entstehen keine Miniaturen des großen Tieres in maßstäblicher

Verkleinerung, sondern es verändern s ich zwangsläufig die

Körperproportionen und dadurch wiederum die relative Größe von

Organen zueinander: Besonders augenfällig ist dies beispielsweise beim

Vergleich von Dobermann-Pinscher und Zwergpinscher: Der Kleine hat

einen relativ größeren Kopf als der Große, und der Schädel hat einen

runden Hirnschädel und trägt große, prominente Augen. Wie man als

Sheltie-Züchter weiß, kann dies auch bei kleineren Shelties vorkommen:

Rundliches Köpfchen, zartes Schnäuzchen, große, frontal gestellte Augen.

Der Sheltie-Standard verlangt also mit dem flachen Oberschädel, dem

relativ langen Kopf und den flachen Wangen etwas, was der "Natur" eines

kleinen Hundes eigentlich zuwider läuft. Auch die Grundstruktur des Körpers

verändert sich oft genug in unerwünschter Weise bei kleineren Shelties: die

Beine werden dünn und selbst die richtigen Winkelungen scheinen sich nur

selten mit geringer Größe zu vertragen.

Mit diesen Ausführungen wollen wir deutlich machen, daß in der

geforderten geringen Körpergröße die größte Herausforderung für den

Sheltie-Züchter liegt, und daß es ungeheuer schwer ist, die Ideale bei Typ

- Gebäude - Größe auf einem einzigen Sheltie zu vereinen. Wenn Gebäude

und Größe stimmen, dann läßt der Kopf oft zu wünschen übrig, oder aber

der traumhafte Kopf und die ideale Größe sind mit unzureichenden

Winkelungen und/oder dünnen Knochen verbunden. Wenn man

schließlich einen Junghund hat, an dem alles stimmt, dann hört er nicht auf

zu wachsen.... Manchmal glaubt man wirklich, daß es nur ein Wunschbild

ist, dem man nachjagt, ohne es je erreichen zu können.

Die Schau-Präsentation der Shelties

Wir selbst haben das Ausstellen immer als eine Zeit der besonders

bewußten Hundehaltung empfunden: Körpergewicht, Haarkleid, Zustand

der Zähne und Gesamtkondition bekommen durch das Datum der

Ausstellung eine höhere Bedeutung: neben einem etwas intensiveren

Körperpflege-Programm wird zuhause, auf Spaziergängen und auch bei

Hundetreffen das Traben, Wenden und aufmerksame Stehen an der Leine

geübt. Wenn es Zweifel gibt, ob sich der Sheltie von fremden Personen

befühlen läßt, so muß man sich jetzt ganz bewußt mit einfühlsamen

Personen verabreden, um dies am Boden und auf dem Tisch zu üben.

Diese kleinen Vorbereitungsübungen sind nicht nur Training für den Hund,

sondern sie geben ganz besonders auch der vorführenden Person

Sicherheit. Unsicherheit, Lampenfieber, oder gar Angst drücken sich beim

Hundevorführer durch ein verändertes Verhalten und durch einen für den

Hund wahrnehmbaren, veränder ten Geruch aus , was zu

Gedanken über das Richten und Ausstellen

49

unvorhersehbaren Reaktionen führen kann. Eine positiv-gelassene

Grundstimmung in dem Bewußtsein, ein gutes Team zu bilden, ist das Ziel

der Übung.

Zugleich empfinden wir die Vorbereitung unserer Shelties für eine

Schau immer auch als praktische Auseinandersetzung mit dem

Sheltie-Standard: Zunächst versuchen wir, die starken und die schwachen

Seiten des Hundes zu erkennen (wir haben darüber viel aus den Photos

unserer Hunde gelernt). Die Vorbereitung des Sheltie zielt nun darauf ab,

die Vorzüge zu betonen, und die Schwächen zu mildern. Dabei stehen drei

Mittel zur Verfügung: Training, Bürste und Schere.

Zum Training haben wir schon weiter oben etwas gesagt, aber dieses

Training sollte nicht einen Tag vor der Ausstellung aufhören, sondern auf

der Ausstellung selbst wiederholt werden. Bei vielen Shelties macht es

einen großen Unterschied, wenn sie kurz vor dem eigentlichen Ringauftritt

"eingelaufen" werden: Neben den besseren Bewegungen wird dadurch

erreicht, daß der Hund insgesamt entspannter ist. Auch das leichte Öffnen

des Fanges nach dieser Laufübung kann den Ausdruck entscheidend

verbessern.

In den siebziger Jahren wurde unter Collie- und Sheltieleuten viel

darüber diskutiert, warum die englischen Hunde immer ein solch

phantastisch fülliges Haarkleid haben, das häufig auf Nimmer-wiedersehen

verschwand, wenn der betreffende Hund nach Deutsch-land kam. Neben

dem unzweifelhaft vorhandenen genetischen Hintergrund wurde von

einigen Besitzern dem ganzjährig feuchtkalten englischen Klima eine

Bedeutung zugemessen, ein Klima, das man seinem Ausstellungs-Sheltie

künstlich schaffen kann, wenn man ihn (je nach Wetter- und

Haltungsbedingungen) ein bis dreimal pro Woche mit Wasser einsprüht,

was jedoch keinesfalls so verstanden werden darf, daß der Sheltie

naßgespritzt wird.

Die Sprüh-Behandlung beginnt man am besten mit dem neu

wachsenden Haarkleid. Sehr wichtig ist es, daß der feine Sprühnebel

wirklich die Haut erreicht, wozu beim liegenden Hund das Haarkeid

streifenweise auseinander geteilt und mit einer Sprühflasche (z. B. aus dem

Garten-Geschäft) nach und nach eingesprüht wird. Einmal pro Woche

folgt dieser Anfeuchtung von Haut und Unterhaar ein sehr gründliches

schichtweises Durchbürsten des Haarkleides gegen den Haarstrich und bis

auf die Haut, in das alle Körperteile einbezogen werden (für Kopf, Ohren

und Beine benutzt man eine weiche Zahnbürste oder einen sanften

Kamm). Je näher der Ausstellungstermin rückt, um so mehr versucht man

nun nach dem wöchentlichen Bürsten, Form in das Haarkleid zu bringen,

wobei man ganz besonders beachten sollte, daß das Haarkleid die

Körperlinien betont und nicht verbirgt, und daß der Hals "gut gebogen und

Gedanken über das Richten und Ausstellen

50

von ausreichender Länge" erscheint: Rücken, Lenden und Kruppenpartie

werden mit der Hand flach gedrückt und mit einem Kamm geglättet,

Halskrause und Bluse werden um den Kopf herum drapiert (und später mit

einer geschickt angelegten Schauleine in Form gehalten), die

Nackenmähne wird aufgebürstet und in einer schön gebogenen

Außenlinie bis zum Widerrist geführt. Bei etwas hochbeinigen oder großen

Shelties wird das Haarkleid an Brustkorb und Bauch mit flachen Händen

und möglicherweise mit einem Kamm nach unten gezogen.

Als letztes Mittel der Formgebung kann noch die Schere dienen - aber

mit größter Zurückhaltung! Sowohl in den USA wie auch in Dänemark ist es

zur Zeit [1993] Mode, die Sheltie-Ohren stark zu trimmen und überhaupt am

Kopf zuviel zu schneiden. Ein Zuviel an feinem, seidigen Haar um die Ohren

kann vorsichtig ausgezupft oder leicht gekürzt werden, aber diese Haare

verstärken auch den Eindruck von Lieblichkeit, der beim englischen Sheltie

erwünscht ist. Einige shaded sable-farbene Shelties haben jedoch dunkle

Haarbüschel über den Augen und/oder an den Mundwinkeln - das

Abschneiden dieser Haare kann den Ausdruck verbessern. Das

Vorbereiten von Sheltie-Füßen und Sheltie-Beinen für die Ausstellung

möchten wir in diesem Rahmen nicht beschreiben, aber gerade hierbei

zeigt sich oft der wahre Meister in der praktischen Interpretation des

Sheltie-Standards!

Es ist einfach ein tolles Gefühl, mit einem Sheltie im Ring zu stehen, der

genau auf den Punkt für eine große Ausstellung vorbereitet wurde. Dieses

tolle Gefühl wird sich nicht nur auf den Hund übertragen, sondern es wird

auch die Zuschauer und - hoffentlich - den Richter beeindrucken.

Die Beurteilung des Sheltie-Gebisses

Deutsche Hunderichter stehen in dem Ruf, dem Gebiß, oder besser

gesagt, der Anzahl der Zähne mindestens ebensoviel Aufmerksamkeit zu

schenken, wie dem ganzen Rest des Hundes. Das ist sicher etwas

übertrieben, aber auch bei unserer Rasse bedeutet eine Zahnlücke häufig

genug das Abrutschen in eine schlechtere Bewertungsklasse. Obwohl man

als Sheltie-Züchter weiß, daß sich Zahnlücken nicht nur vererben, sondern

sogar vermehren, wenn man sie in der Zucht unbeachtet läßt, sind wir der

Überzeugung, daß die Anzahl der Zähne bzw. das Fehlen einzelner Zähne

des endgültigen Gebisses von einem Richter auf der Ausstellung nicht

richtig beurteilt werden kann. Zum einen gibt es Shelties, bei denen die

Milch-Prämolaren bis zu einem Alter von 3 bis 4 Jahren zurückbleiben, d.h.,

die "Zahnlücke" ist für den Ausstellungs-Richter nicht zu erkennen. Zum

anderen gibt es Zahnlücken nicht nur bei den Prämolaren, sondern

vermutlich ebenso bei den Molaren. Es ist jedoch praktisch undurchführbar

und für die Beteiligten unzumutbar, auch die Molaren während des

Richtens durchzuzählen.

Gedanken über das Richten und Ausstellen

51

Der Ausstellungsrichter kann und muß dagegen die Zahnstellung, den

Biß, die Kräftigkeit und den Gesundheits-Zustand der Zähne beurteilen. Es

darf nicht sein, daß aufwendig nach den kleinsten Prämolaren gesucht

wird und dabei schwere Gebißanomalien wie schiefe Fangzähne oder ein

falscher Biß womöglich übersehen werden.

Double-Handling

Zum Schluß dieses Kapitels möchten wir auf ein anderes uns in

Deutschland zur Gewohnheit gewordenes Phänomen eingehen: Das

Beeinflussen der Hunde im Ausstellungsring durch zweite (oder dritte)

Personen außerhalb des Ringes, von den Engländern als "Double-Handling"

bezeichnet und schlichtweg verboten. Engländer, die bei uns richten,

fühlen sich durch den Geräuschpegel regelrecht beleidigt. Aussteller aus

dem Ausland, die versuchen, ihren Sheltie nach der feinen englischen Art

zu präsentieren, werden gestört oder sogar benachteiligt, und man kann

es keinem Sheltie übelnehmen, wenn er Anzeichen von Panik angesichts

der hysterischen Umgebung zeigt.

Daß ein Sheltie sich auf der Ausstellung "zeigen" muß, steht außer

Frage. Dies bedeutet, daß er in einer möglichst stolzen, aufmerksamen

Haltung steht, und auf Wunsch auch seine Ohren aufrichtet und damit

seinen Ausdruck zeigt. Keinesfalls ist damit gemeint, daß ein Sheltie

pausenlos posieren muß. Wichtige Augenblicke sind: das Betreten des

Ringes, der erste Rundgang des Richters, das Posieren nach der

Beurteilung im Trab und schließlich die Schlußentscheidung. Zwischen

diesen Ereignissen sollten sich Mensch und Hund entspannen - je nach

Anzahl der Hunde und Art der Ausstellung läßt man den Hund ruhen und

kann sich auch selbst dazusetzen.

Sehr viele Sheltie-Aussteller, besonders aus den skandinavischen

Ländern, führen ihre Hunde im englischen Stil vor, indem sie ihnen einen

Leckerbissen in einiger Entfernung vorhalten - eine hervorragende

Methode, wenn der Sheltie darauf reagiert und dabei nicht zu dicht am

Vorführer steht, damit nicht die Außenlinie durch den hochgebogenen

Hals ruiniert wird. Einige Shelties mögen aber in der aufregenden

Ausstellungs-Atmosphäre überhaupt nichts fressen, andere wiederum

starren den Leckerbissen mit so großer Gier an, daß ihre Augen eher kirschals

mandelförmig sind. In beiden Fällen muß man sich etwas Anderes

einfallen lassen.

Wir beobachteten einmal eine relativ unauffällige und

umweltfreundliche Variante, die keine Auswirkungen auf andere Shelties

oder Vorführer hat: Der Besitzer ließ seine Shelties von seiner Tochter

vorführen, während er selbst lässig und scheinbar unbeteiligt in der

Ausstellungshalle umherschlenderte. Der Trick dabei war: er trug einen

hellen Anzug! Selbst weit entfernt konnte der gerade im Ring befindliche

Gedanken über das Richten und Ausstellen

52

Joan M. Herbert (Zwinger SHELERT) beim Richten in Peterborough, 1979.

Sheltie seinen Besitzer ausmachen. Wenn man sah, wie sich die Shelties

dabei strafften und sozusagen auf die Zehenspitzen stellten, ihren Hals

wölbten und die Ohren spielen liessen, dann erkannte man, daß ein

vorgehaltener Leckerbissen dafür nur ein schwacher Ersatz sein kann.

Puristen werden auch die beschriebene Form der Vorführung als Double

Handling bezeichnen, wir überlassen es dem Leser sich sein eigenes Urteil

zu bilden.

53

7 Körperpflege

Die Körperpflege hat mehrere Aspekte, einen medizinischen, einen

kosmetischen und einen erzieherischen, wobei die verschiedenen

Bereiche nicht scharf zu trennen sind. Dem Hundefreund empfehlen wir zur

Information über den medizinischen Bereich die Bücher von Stöhr und

Schneider, die wir im Literaturanhang vorstellen. Sie mögen Ihnen helfen,

Leiden zu vermeiden, Gefahren zu erkennen und Verständnis für die

Maßnahmen Ihres Tierarztes zu entwickeln.

Lassen Sie vom Tierarzt, vielleicht anläßlich eines Impftermins, die

Krallen des Hundes schneiden und sehen Sie zu, wie und mit welchem

Werkzeug es gemacht wird. Die Krallen sollen beim stehenden Hund den

Boden gerade nicht berühren; wenn sie aufsetzen, müssen vorsichtig die

äußersten Spitzen geschnitten werden. Vielfach laufen die Shelties die

Fußkrallen selbst ab, und es gibt keinerlei Probleme. Anders ist es mit den

Daumenkrallen, die in unserer Welt keine Funktion mehr haben. Manche

Züchter lassen diese Kralle beim Welpen amputieren; wir wollen aber die

damit zusammenhängende Infektionsgefahr beim empfindlichen Welpen

vermeiden und verzichten auf diese Prozedur. Die Daumenkrallen müssen

dafür zukünftig sehr beachtet werden, damit sie nicht ungehindert lang

wachsen; beim Hängenbleiben im Gestrüpp können sonst stark blutende

Verletzungen entstehen.

Der erzieherische Aspekt der Körperpflege ist der, daß der Sheltie

Manipulationen an seinem Körper ohne Gegenwehr über sich ergehen

läßt und dabei ein Vertrauensverhältnis aufbaut, das ihn auch

Unangenehmes wie Krallenschneiden, Zahnreinigung, Wundversorgung

ohne Hysterie ertragen läßt. Im Verlaufe des Sheltie-Lebens kann dieses

unbedingte Vertrauen eines Tages sehr wichtig werden, wenn es

beispielsweise gilt, einen Fremdkörper aus dem Rachen oder aus dem

Fußballen zu entfernen. "Leibesvisitation" kann man schon mit dem Welpen

spielerisch üben, wobei mit Konsequenz und viel Lob die verschiedenen

Prozeduren geübt werden.

Körperpflege

54

Es bleibt jetzt der kosmetische Bereich der Körperpflege unseres

Hausgenossen zu erörtern. Pflege beginnt mit der Wahl des Lagers, wobei

Sauberkeit das Gebot ist: Ungeziefer darf keine Chance bei der Suche

nach Nistgelegenheiten haben, auch meinen wir, daß sich das Fell auf

einem frischen Lager reinigt. Wir haben verschiedene Lagerstätten über

die Wohnung verteilt, stabile, etwas größere Körbe und/oder

Flauschdecken zum Ausstrecken und kleinere, flexible Schaumstoff-Körbe

zum Kuscheln und für die Reise. Letztere stecken wir im Ganzen in

Baumwollbezüge; so kann man leicht für Reinlichkeit sorgen und zerstreut

auch die Bedenken der Hoteliers. Der Stoffbezug des Reisekorbes hat

darüberhinaus den Vorteil, daß er mit Hilfe seiner Zipfel am Sitz des Autos

befestigt und damit gesichert werden kann.

Die Intensität der Bearbeitung des Haarkleides ist abhängig von der

Haarfülle des Sheltie und seinem Zustand im Haarzyklus. Manchmal ist

tägliches Bürsten angebracht, bei wachsendem Haarkleid genügt eine

gründliche Pflegesitzung pro Woche. Beim Bürsten wird der Sheltie inspiziert,

man sieht ihm in die Ohren und Augen, forscht nach Spuren von

Ungeziefer und kontrolliert auch die verborgenen Regionen der Unterseite.

Wenn man behutsam vorgeht, beginnen Shelties die Haarpflege zu

schätzen und genießen sie als eine besondere Zuwendung. Manche

Besitzer stellen oder legen ihren Hund beim Bürsten auf einen speziellen

Tisch; wir selbst legen uns das Tier auf den Schoß. Folgendermaßen

gestalten wir zu normalen Zeiten, wenn der Hund nicht im Haarwechsel ist,

unsere Pflegesitzung: Wir ziehen uns eine lange Gärtnerschürze an,

nehmen Kamm, Bürsten, einen Beutel für ausgekämmtes Haar und eine

Sprühflasche zum Anfeuchten des Haares mit Wasser zur Hand, ziehen uns

dann mit dem Sheltie für eine halbe Stunde in einen Wirtschaftsraum oder

auf die Terrasse zurück und setzen uns auf ein niedriges Hockerchen oder

die Treppenstufe. Der Hund wird dann auf der Seite liegend auf den Schoß

gelegt, mit dem Kopf zum Besitzer gerichtet. Zuerst kämmen wir die Hosen

über den Hinterbeinen und den Schwanz mit einer groben, gestielten

Bürste, bei der lange, stumpfe Drahtborsten in ein Gummikissen gesenkt

sind. Diese Bürste ist besonders geeignet, um Verschlingungen der langen

Haare zu lösen. Dann heben wir die langen Haare an, so daß wir die

Schwanzwurzel sehen können und bürsten die jetzt sichtbaren kurzen

Haare mit einer gestielten Bürste, die eine schmale Auflagefläche mit

harten Naturborsten hat. Wir setzen auf der Haut mit der Bürste an und

bürsten die Haare mit kräftigen Bewegungen von den Haarwurzeln zu den

Spitzen hin. Jetzt haben wir drei Zonen vor uns: eine Zone gründlich

gesäuberter Haare, die mit dem Strich gebürstet wurden, dann ein sehr

schmaler Streifen Haut, der durch das Bürsten massiert wird, und schließlich

die noch ungereinigten Haare, die von einer Hand zurückgehalten und

gegen den Strich nach vorn gedrückt werden. Diese Hand schieben wir

jetzt zentimeterweise gegen den Kopf zu, ergreifen die allmählich unter der

Körperpflege

55

Hand hervorkommenden Haare mit der Bürste und bürsten schichtweise

die Haare gründlich durch. Wichtig ist, daß alle Haare schon an der Wurzel

von der Bürste bearbeitet werden, und die Haarmengen bis zur Haut

geteilt werden. Es gibt Sheltie-Freunde, die von der geschilderten Weise

der Haarpflege abweichend am Kopf des Hundes beginnen und sich mit

der Bürste zum Rücken hinarbeiten, wobei sie die Haare gegen den Strich

bürsten, und die freie Hand zum Niederdrücken der Haare mit dem Strich

nach hinten führen. Man kann auch beide Methoden kombinieren, die

Haare teilen und nach vorn und hinten bürsten: Alles Haar wird auf diese

Weise Streifen für Streifen systematisch gebürstet, auch der Schwanz, die

Beine, die Brust und die Flanken. Statt einer Bürste kann man grobe Kämme

oder Nylonstriegel bei gleicher Technik benutzen, wir selbst kombinieren

gern auch verschiedene Geräte.

Trifft man auf Verfilzungen, tritt zuerst die Gummikissenbürste in Aktion,

dann hilft man mit dem Kamm behutsam nach. Unmittelbar hinter den

Ohren ist eine besonders kritische Stelle, hier sahen wir schon plattenartige

Verfilzungen bei Shelties, die im übrigen sehr gepflegt waren. Hat der

Besitzer nicht rechtzeitig Obacht gegeben, schneidet er die Verfilzungen

sehr vorsichtig mit der Schere weg.

Vor dem Bürsten ist ein Übersprühen des Fells mit klarem Wasser und

anschließendem Frottieren nützlich. Der Hund wird gründlich gereinigt, das

Haar nicht durch das Bürsten elektrostatisch aufgeladen, die

ausgebürsteten Haare fliegen nicht umher, und womöglich Allergie

erzeugende Staubteilchen werden gebunden. In dem amerikanischen

Buch von McKinney & Rieseberg wird ein häufiges Übersprühen des Fells

neben dem Bürsten für die Vorbereitung von Ausstellungshunden zur

Erzeugung von Fülligkeit des Haarkleides besonders empfohlen. - Zum

Schluß stellen wir den Sheltie auf den Boden, lassen ihn seine Haarpracht

schütteln und sorgen für das Finish: Füße, Beine und Federn, sowie die

Außenseite der Ohren werden gegen und mit dem Haarstrich mit einem

feinen Kamm sorgfältig gekämmt, und die schöne Rückenlinie wird durch

einige Striche mit dem Kamm betont. Dann wird der schöne Hund

überschwenglich gelobt und aus der Pflicht entlassen.

Wenn ein Sheltie im Haarwechsel ist, soll er so oft wie möglich

gebürstet und gekämmt werden, auch vor Ausstellungen. Selbst das

wenige verbleibende Resthaar macht, wenn gut gebürstet, den Sheltie

schöner als Flocken abgestorbener Haare. Wenn nicht gerade die letzte

Ausstellung der Saison ganz kurz bevorsteht, beschleunigen wir das

Abhaaren durch ein Bad. Der Haarwechsel ist ein empfehlenswerter

Zeitpunkt für eine gründliche Reinigung.

Warum sollten wir einen Sheltie nicht baden? Wir können keinen

Grund finden und haben uns kenntnisreichen Vorbildern angeschlossen,

Körperpflege

56

die das gelegentliche Baden eines Hundes, sofern man Erkältungsgefahr

vermeidet, für unbedenklich halten. Auch einen jungen Sheltie kann man

baden, sowie er sich im Hause eingelebt hat. Man stellt das Tier in der

Wanne auf eine Gummimatte, spricht dann leise mit ihm während der

Prozedur, und nach dem Trockenfrottieren spiele man vielleicht mit dem

Hund auf dem Wohnzimmerteppich, damit er später möglichst wenige

unangenehme Vorstellungen mit dem Bad verbindet. Wirklich bis auf die

Haut trocken ist ein Sheltie erst etwa nach 8 Stunden; bis dahin muß Kälte

und Zugluft vermieden werden.

Wenn der Hund naß und schlammig von einer ausgedehnten

Wanderung mit dem Besitzer zurückkommt - Shelties lieben Meeresküsten,

Torfmoore und Flußufer - wird er einfach in die Wanne gestellt, mit

lauwarmem Wasser an Beinen, Bauch und Schwanz geduscht (wir nennen

dies "Unterwäsche") und danach mit dem Frotteehandtuch gut

getrocknet. In der schlechten Jahreszeit kann das eine tägliche Übung für

uns sein, denn seine allabendliche Wanderung sollte ein Sheltie haben. Die

langen Haare in der Mitte eines Rüden-Bauches bedürfen auch bei

trockenem Wetter einer gelegentlichen Waschung.

Falls die weißen Abzeichen nicht mehr weiß, die goldene Farbe nur

mehr beige ist, womöglich noch eine Ausstellung bevorsteht, dann wird

die Unterwäsche mit Seife durchgeführt. Die Unterseite wird erst gründlich

mit lauwarmem Wasser eingeweicht und dann zweimal mit verdünntem,

mildem Hunde-Shampoo gewaschen. Die Beine müssen besonders

eingehend geseift werden, es ist erstaunlich, wie wohltuend verändert die

Extremitäten eines sauberen Sheltie aussehen. Sehr gründliches Spülen mit

der Handbrause schließt sich an die Seifenbehandlung an. Wenn der Hund

auf das Seifen mit Juckreiz reagiert (manchmal erst nach zwei Tagen zu

beobachten), dann verzichten Sie auf die Benutzung von Seife.

Wir nennen auch diese eingehende Waschprozedur eine

Unterwäsche, weil wir den Nacken und Rücken des Sheltie trocken lassen.

Wir seifen noch Brust und Kehle, auch den Schwanz und die Flanken, aber

höher gehen wir meist nicht. Unser Vorgehen hat die folgenden Gründe:

Zum ersten ist der Rücken nicht besonders dem Schmutz ausgesetzt, und er

kann gut mit der Bürste gereinigt werden. Dann ist die Nackenmähne

extrem schwer zu durchfeuchten, zu seifen und gründlich zu spülen. Und

drittens wird das Haar durch das Waschen flauschig weich, steht dann

besonders am Rücken unschön ab, und die standardgemäße Härte des

Deckhaares, die ein Richter auf Ausstellungen fordern muß, ist

verlorengegangen. Nebenbei bemerkt, ist ein Ausstellungsgänger gut

beraten, wenn er die Wirkung eines Seifenbades auf seinen Hund schon

einmal einige Wochen vor dem großen Tag erforscht. Manchmal erhält

das Haar durch das Baden eine erfreuliche Fülligkeit, bei bestimmten

Haarzuständen aber kann es förmlich in sich zusammenfallen und zudem

Körperpflege

57

noch unerwünschte Wellen und Wirbel aufweisen. Sehr empfehlenswert

am Vorabend der Ausstellung ist das Seifenbad für die Beine, ein

umfangreicheres Bad sollte schon 2 bis 4 Wochen vorher, abhängig von

Ihren eigenen Experimenten, stattgefunden haben.

Nach dieser Abschweifung wenden wir uns wieder dem mit warmem

Wasser reichlich gespülten Hund zu, der in trance-ähnlicher Haltung auf

seiner Gummimatte in der Badewanne steht. Wir stellen ihn auf ein

Handtuch und werfen dann rasch ein weiteres Handtuch über ihn, um die

Wasserflut, die der Sheltie in den nächsten Sekunden aus seinem Pelz

schleudert, irgendwie zu begrenzen. Indem wir den Hund abfrottieren und

zwischendurch sein Fell schütteln lassen, erreichen wir dann rasch den

Zustand, wo wir den Sheltie in die warme Wohnstube einlassen dürfen,

damit er oberflächlich trocken wird. Das Trocknen kann mit einem Fön

beschleunigt werden, aber wenn der Sheltie das Motorengeräusch nicht

liebt, sollte man darauf verzichten und lieber ein wenig mit dem Hund

spielen, damit er nicht den Glauben an die Zuneigung seiner Besitzer

verliert. Das Baden war schon anstrengend genug für ihn, und seine

Geduld wird auch für die nächste Stunde noch auf eine weitere Probe

gestellt. Bevor die letzte Feuchtigkeit aus dem Fell gewichen ist, wird ein

intensives Bürsten vorgenommen. Wir lassen den Hund dabei stehen, und

mit schwingenden Bewegungen nach oben und außen wird das Haar

gelockert, gewissermaßen toupiert, und gleichzeitig weiter getrocknet.

Auch der Kamm tritt in Aktion, man lockert Verschlingungen und bringt

allmählich das Haar wieder in die natürliche, gewünschte Lage. Besondere

Sorgfalt wende man an die Beine des Sheltie, sie werden gründlich

gebürstet und dann mit einem feinen Kamm gekämmt.

Nun kommt noch etwas Pediküre. Man schneide um die Füße die

überstehenden Haare ab, daß ein schöner, geschlossener, ovaler Umriß

entsteht. Die Zehen und Krallen bleiben vom Haar bedeckt. Die Haarpinsel

zwischen den Fußballen werden sorgfältig entfernt. An den Vorderbeinen

kämme man die Federn sorgfältig durch, die verlängerten Haare an der

Rückseite der Fesseln werden nur ganz leicht gekürzt und begradigt. An

den Hinterbeinen werden die Haare unterhalb des Sprunggelenkes so

versäubert, daß eine gerade Kontur entsteht; keinesfalls dürfen die Haare

hier kurz abgeschnitten werden (etwa 1 cm muß stehenbleiben), sonst

sieht das Bein mager und knochig aus. Zwischen den Schnitten kämmen

wir immer wieder mit dem feinen Kamm und beachten, daß keine Stufen

geschnitten werden. Die Pediküre hat neben dem optisch erfreulichen

Resultat den Sinn, das Mitschleppen von Schmutz einzuschränken.

Zum Schluß kommt noch die kurze aber unangenehme Prozedur der

Zahnreinigung. Bei einem Sheltie, der auch Nahrung zum Kauen bekommt

(getrockneter Pansen, Büffelhautknochen), müssen nur die langen

Fangzähne an ihrer Basis von einem Zahnstein-Saum befreit werden. Der

Körperpflege

58

Shelties lieben Meeresküsten und Flußufer...

Kopf des flach liegenden Hundes wird gut festgehalten und mit dem

harten Fingernagel des Daumens wird vom Zahnfleischrand her die mehr

oder weniger harte Substanz weggeschoben. Zur Belohnung werden

anschließend die Ohrmuscheln inspiziert und schließlich liebevoll

durchgekrault.

Sie haben jetzt Ihren Sheltie auf eine Weise gepflegt, die ihm und

auch Ihnen auf Ausstellungen zu Ansehen verhelfen kann. Wenn Sie

Per fekt ionis t s ind, können Sie die let z ten Geheimni s se der

Ausstellungsvorbereitung den reich illustrierten Büchern von McKinney &

Rieseberg (1976), Moody (1990) und Norman (1998) entnehmen.

Auch wenn man mit Hundeausstellungen nichts im Sinn hat, ist es gut,

sich möglichst oft der Körperpflege seines Hundes zu widmen. Sie dient der

Reinlichkeit, denn ein Hund ist genau so sauber, wie man ihn hält. Sie

möge zugleich dem Wohlbefinden des Hundes dienen. Und schließlich: ein

gepflegter Sheltie - Ihr Sheltie - ist eine wahre Augenweide. Sie sollten sich

und Ihren Mitmenschen das Vergnügen dieses Anblickes gönnen.

59

8 Kippohren - ein Kapitel für sich

Die Form, Größe, Platzierung und Haltung der Ohren sowie der Grad

des Vornüberkippens der Ohrspitzen beeinflussen entscheidend den

Gesichtsausdruck des Sheltie, in dem man Intelligenz, Wachsamkeit und

Adel, aber auch Sanftheit und Süße erkennen soll. Gerade weil die Ohren

beim Sheltie so sehr auffällig und charakterisierend sind, und jede

Abweichung vom Ideal auch vom Laien sofort bemerkt wird, sind die

Forderungen nach korrekten Ohren strenger als bei vielen anderen Rassen,

schreiben die Amerikanerinnen McKinney & Rieseberg zu Beginn eines

Kapitels, das sie mit "diese verdammten Ohren" überschreiben. Diese

Forderungen nach korrekten Ohren sind eine Herausforderung an den

Züchter, seit es einen Sheltie-Standard gibt, und "diese verdammten

Ohren" sind es, mit denen er sich plagen muß. Vielfach gibt es

Abweichungen vom Ideal. Das Aussehen mancher Shelties wird

beeinträchtigt durch zu schwer herabfallende große Ohren (diese

schienen vor allem in früheren Jahren ein Problem zu sein), manchmal sind

die Ohren zu tief angesetzt und werden nicht nach vorne gerichtet

getragen, oft werden sie nur schwach gekrümmt schräg nach vorne

geneigt, und häufig neigen Shelties zu Stehohren. Stehohren sind unschön,

der fanatische Sheltie-Mensch findet sie geradezu widerlich, und auf

Ausstellungen hat ihr Träger keine Chancen, so prachtvoll er sonst auch

sein mag.

Wie gesagt, korrekte Ohren sind eine Herausforderung an den

Züchter, und einige haben den engen Spielraum, den die

Vererbungsgesetze und die Forderungen des Standards setzen, soweit

nutzen können, daß Hunde aus ihrer Zucht weniger mit Stehohr-Problemen

zu tun haben als andere. Es erhebt sich die Frage nach der Vererbbarkeit

des so begehrten natürlichen Kippens der Ohrspitzen. In dem Collie-Buch

von Margaret Osborne (1975) wird angeführt, daß bei dieser Rasse die

sogenannten natürlichen (Kipp-) Ohren mit Dominanz über Stehohren

vererbt werden, das wird beim Sheltie ähnlich sein. Von Ch. Riverhill

Redcoat (geb. 1945) beispielsweise berichtet seine Züchterin F.M. Rogers

freimütig, er habe Stehohren zum Verzweifeln gehabt, obgleich beide

Kippohren - ein Kapitel für sich

60

Eltern (Ch. Nicky of Aberlour und Riverhill Rouge) schöne, natürliche

Kippohren aufwiesen. Redcoat hatte einen vorzüglichen Kopf und Hals

und ein großartiges Gebäude; er wurde zur Zucht weiterbenutzt mit dem

besten Resultat - und er soll nicht besonders viele Stehohr-Shelties gezeugt

haben. Man könnte diese Verhältnisse so erklären, daß Redcoats Eltern

beide hinsichtlich der Erbanlagen für das Kippohr mischerbig waren,

Redcoat selbst aber reinerbig die rezessiven Gene für Stehohrigkeit

(schlimmes Wort - im Duden steht es nicht) besaß und glücklicherweise

eine Vielzahl ihm zugeführter Hündinnen das dominante Kippohr-Gen

einbrachte. Aber so einfach sind die Sachverhalte sicher nicht, denn außer

dem schönen idealen Kippohr und dem Stehohr gibt es noch das zu

schwer herabfallende Ohr, dessen Spitzen beinahe dem Schädel

aufliegen. Ein derart fehlerhaftes Ohr kann nachträglich nur schlecht

korrigiert werden (z.B. durch Ausdünnen der Haare an den Ohrspitzen, um

das Gewicht zu verringern), und es wird daher von den Sheltie- und

Collie-Leuten gleichermaßen gefürchtet. Wie dem auch sei, wir möchten

den Züchtern zustimmen, die meinen, daß die Ohrhaltung in gewissem

Maße erblich ist, und sorgsames Züchten auf diesem Gebiete Fortschritte

bringt. Nur erkennen wir keine einfachen Regeln für diesen Erbgang, wobei

wir erinnern möchten, daß in vielen Fällen die Ohren asymmetrisch sind: ein

Ohr kippt sehr schön, das andere steht.

Viele Züchter und Kenner der Rassen Collie und Sheltie sind fest davon

überzeugt, daß neben der vererbten Veranlagung auch verschiedene

physiologische Zustände des Hundes das Ohrenkippen beeinflussen.

Besonders kritisch scheint das Jugendalter, in dem verbunden mit der

Zahnungsperiode (etwa im Alter von 4 bis 8 Monaten) viele vorher gut

kippende Ohren zu Stehohren werden. Uns scheint der Zusammenhang mit

dem Zahnwechsel aber mehr zufällig, denn ein verdächtiges Aufrichten

der Ohrspitzen kann man meist schon vor dieser Zeit beobachten. Im

späteren Leben des Sheltie nimmt man an, daß besondere Erregungsoder

Stress-Situationen zum zeitweiligen Aufrichten der Ohren führen

können: Haarwechsel, Läufigkeit, Geburt und Welpen-Aufzucht bei den

Hündinnen und bei den Rüden die Anwesenheit läufiger Hündinnen. Was

uns an diesen Erkenntnissen merkwürdig erscheint, ist die Tatsache, daß

Züchter von Deutschen Schäferhunden glauben, daß entsprechende

Situationen zu schlecht stehenden (kippenden) Ohren beim Schäferhund

führen können.

Sheltie-Welpen haben im allgemeinen im Alter von sechs Wochen

stark kippende Ohren. Danach kommt eine entscheidende Phase: Einige

Hunde behalten ewig zu schwer herabfallende Ohren, bei anderen richten

sie sich zur idealen Trageweise auf, aber häufig muß der Züchter sich schon

bei den 8 bis 10 Wochen alten Welpen Stehohren ansehen, wenn er nicht

rechtzeitig mit "Hilfen" eingreift.

Kippohren - ein Kapitel für sich

61

Die Sheltie-Leute in der ganzen Welt haben sich stillschweigend

geeinigt, daß das Anwenden gewisser kosmetischer Hilfen, um das Kippen

der Ohren zu fördern, nicht sittenwidrig ist, nur im Ausstellungsring muß das

Ohr im Naturzustand vorgezeigt werden. Hierbei erweist es sich dann oft,

daß die Mühen der Besitzer mit den Ohren ihres Hundes vergebens waren,

und diese Hunde sind es dann, die uns stets erinnern, daß auf künstliche

Kippohr-Hilfen kein Verlaß ist, wenn die vererbbare Veranlagung zur

erstrebten Ohrhaltung vernachlässigt wurde.

Es gibt viele Ratschläge zur Ohrenkosmetik, und das spezielle Kapitel

der beiden anfangs genannten Amerikanerinnen befaßt sich auf sieben

großen Folio-Seiten mit dieser unerfreulichen Thematik. Skepsis über die

Wirksamkeit der überlieferten Rezepte ist immer angebracht: Man weiß ja

hinterher nie genau, ob ein Ohr wegen oder trotz der Anwendung

irgendwelcher Hilfen wohlgeraten ist.

Unsere englischen Bücher raten zu Massagen und/oder Einreibungen

mit Fetten und Ölen, um das Ohr an der gewünschten Knickstelle

geschmeidig zu halten; über den Nutzen des Anheftens von

Beschwerungen an der inneren Ohrspitze ist man geteilter Meinung. Die

englische Züchterin Olwen Gwynne-Jones hält das Massieren und das

Knicken des Ohres mit den Fingern für wesentlich und wirksam und nennt

das Beschweren eine Verzweiflungstat ohne dauernden Nutzen. Die

Schwestern Herbert empfehlen Einreibungen und Massage mit Lederfett

und in hartnäckigen Fällen das Anheften eines schweren Pflasters an den

Ohrspitzen. Das mit der Bewegung des Hundes erfolgende Auf- und

Abschlenkern der beschwerten Ohrspitzen soll dann den gewünschten

Massage-Effekt besorgen. Margaret Osborne und Felicity M. Rogers

warnen eindringlich vor dem Anbringen größerer Beschwerungen an den

Ohren, beschreiben aber Prozeduren, die auf ein Beschweren der

Ohrspitzen mit Fetten hinauslaufen. Auf Widersprüche dieser Art weist Mary

Davis hin und empfiehlt ihrerseits unter anderem eine Beschwerung mit

Gewichten aus zusammengeklebten Pflastern. Problematisch ist

selbstverständlich jegliche Beschwerung bei Ohren, die zur Seite oder gar

nach hinten geneigt sind. Die zitierten amerikanischen Autorinnen

empfehlen in diesen Fällen andere Strategien unter Anwendung von

Klebstoffen oder Bandagen aus Klebebändern. Bei diesen, zum Teil

drastischen orthopädischen Maßnahmen muß sorgsam bedacht sein, daß

die Blutversorgung nicht durch die Knickstelle beeinträchtigt wird.

In Anschluß an die Erfahrungen befreundeter Sheltie-Leute aus

Deutschland versuchen wir mit einfach anzuwendenden Beschwerungen

der Ohrspitzen das Kippen der Ohren zu fördern. Wir halten es für richtig,

mit dieser Methode nicht zu warten, bis das Ohr nach Fuchsart senkrecht

in die Höhe weist. Schon im Alter von etwa 8 Wochen oder gar noch früher

geben sich diese Problem-Ohren durch verdächtiges Aufrichten der

Kippohren - ein Kapitel für sich

62

Spitzen zu erkennen, und schon dann sollte man eingreifen. Sehen Sie sich

bitte zuerst die Ohren genau an. An dem seitlichen hinteren Rand der

Ohren erkennt man eine natürliche Knicklinie. Die Beschwerung der Ohren

sollte so bemessen sein, daß die Spitzen senkrecht herunterkommen und

die Knickstelle übertrieben verdeutlicht wird. Bei übergroßen Gewichten

besteht möglicherweise die Gefahr, daß das Ohr weiter an der Basis

geknickt wird unter Verminderung des natürlichen Knicks.

Ein erbsengroßes Kügelchen eines durchgekauten Kaugummis (wenn

er durch Liegenlassen getrocknet und danach mit den Fingern geknetet

wird, ist er besonders gut haftend) scheint uns zur Beschwerung richtig. Es

wird mäßig fest in die saubere Innenseite der Ohrspitze auf die Haare

gedrückt, dann taucht man seinen Daumen in etwas Mehl und preßt den

Gummi fest an. Das Mehl verhindert ein Kleben am Daumen und später an

des Shelties Haaren an falscher Stelle. Zur raffinierten Tarnung seines

kosmetischen Eingriffes kann man statt des Mehles den Staub einer

zerriebenen Kohletablette benutzen, dann wird die Beschwerung in den

dunklen Haaren der äußersten Ohrspitze fast unsichtbar. Etwa zwei Minuten

Arbeit kostet diese Unternehmung. Das Gummiplätzchen hält sich bis zu

zwei oder drei Wochen an seiner Ohrspitze, die nunmehr prächtig kippt

und wohltuend für die Massage der Knickstelle auf- und abwippt, und der

Sheltie empfindet keinerlei Belästigung. Wenn der Kaugummi später

verloren wird und Sie bemerken dies nicht, dürfen Sie glücklich sein: Ihr

Sheltie hat Kippohren! Richtet sich das Ohr wieder auf (und sei es nur

geringfügig), so warten Sie keinesfalls mit der Wiederholung der

Beschwerung. Die Arbeit ist so gering und ein Erfolg so befriedigend, daß

wir nicht vor Ablauf eines Jahres unseren Optimismus gegen die

Resignation eintauschen würden.

Für den Ausstellungsgänger, der seinen Sheltie trotz problematischer

Ohren vorstellen möchte, ist die gute Haftung der Kaugummi-Plätzchen

von Nachteil. Sie lassen sich schlecht entfernen. Eine gründliche

Säuberung aber ist unerläßlich, denn, wie erwähnt, der Richter muß das

Ohr im Naturzustand sehen. Deshalb empfiehlt sich dem Pessimisten eine

Methode der Ohrbeschwerung mit einer wasserlöslichen, schweren

Salbenpaste, die bis zum Ausstellungstage wirkt, dann aber ohne

Umstände abgewaschen werden kann. Bei deutschen Sheltie-Liebhabern

sind für solche Zwecke vielfach aus ausländischen Apotheken beschaffte,

bestimmte Heilsalben im Gebrauch, die verschiedene Namen tragen, am

häufigsten bezeichnet man sie als Antiphlogistine. Wir haben die Rezeptur

eines solchen Präparates einmal gelesen und bemerkt, daß Kaolin und

Glycerin die für die Ohrbeschwerung wirksamen Komponenten darstellen.

Kaolin (Porzellanerde oder Bolus alba, wie der Apotheker sagt) ist reiner

Ton, der als Heilerde verwendet wird; es ist ein schweres, weißes Pulver. Mit

Glycerin wird es zu einer langdauernd-plastischen Masse angerührt. Eine

vom Apotheker herzustellende Mischung (90 Gramm Kaolin, 45

Kippohren - ein Kapitel für sich

63

In diesem Alter muß man sich über Maßnahmen an den Ohren Gedanken machen.

Kubikzentimeter Glycerin und 20 Kubikzentimeter Wasser) scheint uns

empfehlenswert. Ein Klecks dieser Salbe wird in die Ohrspitze geschmiert,

wobei man die langen Haare der Ohrbasis vor dem Verkleben schützt.

Nach kurzer Zeit ist das Wasser aus der Salbenoberfläche verdunstet, und

man kann die nun etwas zäher gewordene Masse richtig festdrücken. Die

Kaolinpaste wird allmählich bröckelig; vor einer Ausstellung kann man sie

leicht mit den Fingern entfernen und die Rückstände mit einem feuchten

Waschlappen herauslösen. Hinterher werden die Haare am Ohr mit einem

feinen Kamm gekämmt.

Abschließend seien noch flankierende Maßnahmen genannt, um

dem Sheltie die Entwicklung des richtigen Kippohres zu erleichtern. Dabei

wollen wir nicht so weit gehen wie Miss Rogers, die in ihren Zwingern

bodennahe Fenster hat, damit die Ohren richtig vornüberfallen, wenn die

Hunde Ausschau halten (und Shelties sehen gern aus Fenstern). Aber

vielleicht kürzen Sie die langen Haare, die im Ohrinnern von der Basis

hochwachsen und sich ein wenig gegen die herabfallende Spitze

stemmen. Sodann beachten Sie, daß keine Verfilzungen hinter den Ohren

entstehen; Reizungen solcher Art können schon die Ohrhaltung

beeinflussen. Schließlich bedenken Sie, daß die standardgemäße, schöne

Ohrhaltung sich nur bei einem munteren, fröhlichen Sheltie zeigt. Und das

ist nicht mehr Gegenstand von Tricks, sondern Ergebnis liebevoller

Zuwendung.

64

Austral.Ch. NIGMA ALLEGRETTA (ca. 1971). Die Sheltie-Zucht befindet sich in Australien auf

einem hohen Stand. Viele Züchter haben sich dabei auf englische Zuchtlinien konzentriert

und laden häufig englische Richter für ihre größten Ausstellungen ein. Das ist erstaunlich,

wenn man bedenkt, daß Australien viel näher zu Amerika als zu England liegt (13000

Meilen vom Heimatland entfernt, schreibt Barbara Phillips, in einer Übersicht über

australische Shelties im ESSC Handbuch 1980). Das Ehepaar Phillips brachte 1967 die

Hündin engl.Ch. HAPPY SONG OF TOONEYTOWN, die trächtig war von Riverhill Rolling

Home, auf dem Seeweg nach Australien. Das Produkt einer Linienzucht auf Happy Song

ist die oben vorgestellte, hochprämierte Allegretta.

KESSY VOM LUDWIGSBRUNNEN, geb. 1974, eine Sheltie-Hündin aus deutscher Zucht. Ihr

Vater, Int.Ch. FELIX VOM TEGELBERG, war ein bedeutender Zuchtrüde. Hinter Felix stehen

Import-Hunde aus den Zwingern Shiel, Riverhill und Shelert, von denen mehrere im Zwinger

VON DER HUTZELSCHWEIZ lebten. Wichtigster Vorfahr von Felix ist der englische Ch.

RIVERHILL RESCUER, den er etwa zehnmal in seiner Ahnentafel führt. Mütterlicherseits ist

Kessy eine Enkelin des einflußreichen Import-Rüden Int.Ch. SUMBURGH DEBONAIR, Sohn

des englischen Ch. SUMBURGH SIRIUS.

65

9 Die Auswahl der Zuchttiere

Einführung

Wie züchtet man einen brauchbaren Hund? Diese Frage scheint

leicht zu beantworten, wenn man an die Praktiken unserer Vorväter denkt.

Mit strenger Auslese, ungehemmt durch sportliche Regeln erreichten sie

i h r e z ü c h t e r i s c h e n Z i e l e . I h r e E r f o l g e s i n d ä l t e r a l s

vererbungswissenschaftliche Forschung, Ahnentafeln und Zuchtbücher.

Fragen wir nun aber ganz speziell: Wie züchtet man nach einem

vorgegebenen Standard einen in seinen Tugenden möglichst reinerbigen

Rassehund - den Traum-Sheltie? Dann ist die Antwort darauf äußerst

schwierig.

Der Rassehundezüchter unserer Zeit befindet sich in einer

zwiespältigen Situation. Einerseits wird er dazu aufgerufen, in die Zukunft zu

blicken und die Rasse zu verbessern, also vorteilhaft zu verändern, zum

anderen ist sein Blick in die Vergangenheit gerichtet, und er versucht, das

überlieferte Kulturgut, das eine Hunderasse ist, zu erhalten. Die besondere

Beachtung der Ahnentiere und ihrer Abstammung brachte zwangsläufig

eine gewisse Erstarrung in die Rassetierzucht, hat man in Kreisen der auf

Fortschritt besonders bedachten Nutztierzüchter einmal gesagt. In der

Sheltie-Zucht ist diese Erstarrung nicht mit sicherer Festigung wesentlicher

Rassemerkmale gleichzusetzen, denn wir wissen, daß es in unserer Rasse

nach wie vor heftige, züchterisch schwer zu kontrollierende Probleme gibt.

Ist nun der Sheltie eine besonders schwer zu züchtende Hunderasse?

Margaret Osborne, die sich 1977 als Autorin eines kleinen populären

Buches hinter ihrem bekannten Zwingernamen "Shiel" versteckte, ist nach

Beschäftigung mit elf Hunderassen zu dieser Auffassung gekommen.

Andere meinen jedoch, daß es zum Prinzip aller sportlichen Hundezucht

gehöre, das Rasse-Ideal immer so zu beschreiben, daß es jenseits des leicht

Erreichbaren liegt; die Unerreichbarkeit gehöre zum Wesen des Ideales

ganz allgemein.

Die Auswahl der Zuchttiere

66

Niemand kann ein Rezept verraten, wie man dem Idealbild eines

Sheltie als Züchter mit gewisser Sicherheit nahekommt, dennoch möchten

wir einen Katalog von Empfehlungen aufstellen, die dazu führen sollen, die

Wahrscheinlichkeit zu steigern, dem Wunschbild des perfekten Sheltie

nahezukommen.

1. Unsere erste Empfehlung ist es, das "Brevier neuzeitlicher

Hundezucht" von Hans Räber (Verlag Paul Haupt, Bern und Stuttgart) zu

lesen. Dieser Schweizer Fachmann hat es verstanden, Theorie, Moral und

reiche praktische Erfahrung in einer grundlegenden, für die Hundezucht

allgemein geltenden Darstellung zu verbinden.

2. Die Zuchthündin muß von hoher Qualität sein. Der Rüde ist nicht die

Hauptperson bei der Zucht, die Hündin ist genau so wichtig und - wie

manche Erfahrenen meinen - in ihrem Einfluß auf die Welpen und auf die

zukünftigen Generationen noch bedeutender.

3. Der Züchter soll die Fehler seiner Hündin genau kennen und

einschätzen, aber auch ihre Vorzüge. Nicht nur die Beseitigung der Fehler

ist seine Aufgabe, sondern auch das Erhalten der Qualtität.

4. Der ausgewählte Rüde sei möglichst vollkommen. Da aber kein

Hund fehlerlos ist, beachte man, daß der Kandidat keinen Fehler mit der

Hündin gemeinsam hat (die Amerikaner nennen dieses Prinzip

"crossfaulting"). Eine Verdopplung der Erbanlagen für einen Fehler ist zu

vermeiden und bei den Eigenschaften, in denen der eine Partner Fehler

zeigt, soll der andere Partner (und möglichst auch seine Vorfahren)

besonders hervorragend sein. Das "Crossfaulting" ist das in der uns

bekannten Literatur zur Hundezucht am eindringlichsten gepredigte Prinzip.

Im übrigen bedenke man die folgenden Sätze von McKinney & Rieseberg

(S. 9 und 15):

- "Der Hund mit den meisten Tugenden ist im allgemeinen besser als der mit

den wenigsten Fehlern."

- "Die meisten Anfänger lernen, die Fehler eines Hundes zu erkennen, und es

gibt Züchter, die niemals über dieses Stadium hinauskommen. Es ist ihr

eigener Schade, daß sie es niemals zu schätzen lernen, was einige

hervorragende Hunde mit einem leicht sichtbaren Fehler der Zucht zu bieten

haben."

5. Ahnenforschung ist grundsätzlich wichtig. Wenn man die Vorfahren

seines ausgewählten Zuchtpaares kennenlernt, wird man informiert über

ihre Vorzüge, ihr Befinden im Alter, ihre leichten Fehler und die

typusbestimmenden Merkmalskombinationen, die paketweise vererbt

werden. Schwere Fehler wird man jedoch kaum bei den direkten Ahnen

Die Auswahl der Zuchttiere

67

finden, denn damit belastet sich nur selten ein Züchter. Wenn aber einer

von den meist unbekannten Geschwistern der betrachteten Ahnen

fehlerhaft oder gar erbkrank ist, muß man in manchen Fällen damit

rechnen, daß doppelt so viele Tiere, darunter möglicherweise auch die

Zuchttiere, den bei ihnen nicht sichtbaren Fehler vererben. Andererseits

kann der Bruder oder Enkel eines mit einem Erbfehler behafteten Ahnen

durchaus erbgesund sein. Takt und Vertrauen im Umgang unter Züchtern

sind notwendig, um zum Austausch der betreffenden Informationen zu

kommen.

6. Eine von vielen Sheltiezüchtern bevorzugte Zuchtmethode ist eine

bestimmte Form der Inzucht, die Linienzucht, wobei das Erbgut eines

einzelnen herausragenden Ahnen besondere Beachtung erfährt und

versucht wird, dieses Erbgut zusammenzuhalten. Dies geschieht, indem

beispielsweise der vorbildliche Großvater mit einer Enkelin gepaart wird.

Insgesamt erwartet man bei dieser Zuchtpraxis einen höheren Grad der

"Reinerbigkeit" bei der Nachkommenschaft, wobei Reinerbigkeit der

Qualität grundsätzlich das Ziel der Rassehundezüchter ist. Die Gewinnung

von Reinerbigkeit aller Merkmale durch Inzucht hat jedoch dort ihre

Grenzen, wo erwünschte Merkmale nur "mischerbig" zu erhalten sind. Der

Züchter wird hier bewußt oder unbewußt immer wieder die mischerbigen

Shelties zur weiteren Zucht einsetzen. Unter Berücksichtigung auch dieser

Fälle bekommt die als Linienzucht betriebene Inzucht eine andere,

wei tergefaßte Bedeutung: Sie erhöht ganz al lgemein die

Wahrscheinlichkeit, daß bestimmte Merkmalskombinationen, die einen

bewunderten Ahnen auszeichnen, wieder zusammenkommen,

gleichgültig, ob sie eine reinerbige oder teilweise mischerbige Grundlage

haben. Der Ahne, auf den man als Linienzüchter "zurückzüchtet", soll

dadurch gewissermaßen rekonstruiert werden. Bei jeder Form der Inzucht

muß der Züchter in Kauf nehmen, daß neben den Erbanlagen für

Qualitäten leider auch die Anlagen für Fehler und Krankheiten

zusammengebracht und wirksam werden können. Ob man mehr der

Inzucht oder der Fremdzucht zuneigt, ist neben der persönlichen

Einstellung zu den Inzuchtrisiken von äußeren Faktoren abhängig, wie der

Verfügbarkeit eines anerkannt bewährten Vererber-Rüden, wobei die

Verwandtschaftsverhältnisse zur Hündin dann zweitrangig sein können.

Unter Sheltie-Züchtern gibt es viele, die eine gemäßigte Inzucht als

Linienzucht nach bestimmtem Muster bevorzugen und beispielsweise

schon beim Kauf ihrer Hündin die Verfügbarkeit verwandter und zur

Linienzucht passender Rüden im Auge haben. Es gibt aber auch

Erfolgreiche, die sich weniger an diese Formeln halten.

7. Es lohnt sich, von den Erfahrungen Anderer zu lernen. Wenn eine

nahe Verwandte Ihrer eigenen Zuchthündin einen Wurf hat, sollte die

vorangegangene Rüdenwahl und später die Welpen Ihr besonderes

Interesse finden. Auch sonst ist das Ansehen von Sheltiewelpen in der

Die Auswahl der Zuchttiere

68

Wurfkiste und das Verfolgen ihrer Entwicklung sehr lehrreich. Für diese

Beobachtungen ist der Besuch bei vorbildhaften, erfahrenen Züchtern

natürlich besonders hilfreich, aber auch Anfänger können durch

wechselseitige Besuche gemeinsame Erfahrungen sammeln und dabei

mehr lernen als jeder für sich allein. Solche "Wurfkisten-Kolloquien" im Kreise

von Hundefreunden gehören zu unseren schönsten Erfahrungen.

Grundzüge der Vererbungslehre für den Züchter

Neben der Fähigkeit, die verschiedenen Hunde genau analysieren

und ihre einzelnen Merkmale beschreiben zu können, sowie einem guten

Erinnerungsvermögen für die Beobachtungen, braucht ein Züchter die

Kenntnis einiger Ergebnisse der Vererbungsforschung. Aus der Fülle der

Daten, mit denen der scharfsinnige Pater Gregor Mendel in Brünn (heute

Brno) 1866 die Lehre von der Vererbung begründete, möchten wir einige

für unsere Liebhaberei wichtige Dinge heraussuchen.

Da interessiert uns zuerst die Erscheinung, daß in der Pflanzen- und

Tierzucht gewisse Merkmale eines Großelters bei den Eltern nicht mehr

sichtbar sein können, dann aber bei einigen Enkeln unverändert wieder

zum Vorschein kommen. Aus der statistischen Auswertung der von Mendel

über mehrere Generationen fortgeführten Inzuchtversuche schlossen seine

wissenschaftlichen Nachfolger, daß jedes der von ihm studierten Merkmale

von zwei bestimmten Erbfaktoren oder Anlagen beeinflußt wird. Jede

Körperzelle hat diese Erbfaktoren-Paare; bei der Keimzellenbildung trennen

sie sich, sodaß jede Eizelle und jede Samenzelle nur einen Faktor für jeweils

ein Merkmal enthält. Die Faktoren für andere Merkmale sind in den

Keimzellen ebenfalls nur in der Einzahl vorhanden. Bei der Befruchtung

werden die einzelnen Erbfaktoren durch das Hinzukommen der

entsprechenden einzelnen Erbfaktoren des anderen Partners erneut zu

Paaren zusammengefügt. Diese Paare können aus zwei gleichen Faktoren

bestehen, die das jeweilige Merkmal gleichartig bestimmen, dann sagt

man, sein Träger sei reinerbig in Bezug auf dieses Merkmal; sie können aber

auch aus zwei verschiedenen Faktoren bestehen, dann ist der Träger

mischerbig, und 50% seiner Spermien oder Eier überliefern die eine Anlage

und 50% überliefern die andere. Das rätselhafte Verschwinden und

Wiederauftauchen gewisser Merkmale in der Generationenfolge beruht

darauf, daß diese Merkmale zu ihrer Verwirklichung der Anwesenheit

zweier gleicher Anlagen ("doppelte Dosis") bedürfen und diese gleichen

und damit reinerbigen Anlagenpaare auch aus den ungleichen Anlagen

mischerbiger Vorfahren zusammengefügt werden können. Mendel

benutzte für solche Merkmale, die im mischerbigen Zustand zurücktreten

oder ganz verschwinden, unter den Nachkommen jedoch wieder

unverändert zum Vorschein kommen können, den Ausdruck rezessive

Die Auswahl der Zuchttiere

69

Merkmale. Der Gegensatz zum rezessiven ist das dominante Merkmal; hier

wirkt der betreffende Erbfaktor schon in einfacher Dosis.

Bedenken wir diese Dinge an einem praktischen Beispiel: Jemand hat

einen tricolour Sheltierüden und eine sable Hündin. Nach mehreren

Würfen, die ihm statistisch hinlänglich verwertbare Ergebnisse bringen, muß

der Züchter feststellen, daß sein Zuchtpaar nur sablefarbene Shelties

hervorbringt. Aus diesem Ergebnis kann er dreierlei folgern. Erstens, die

schwarze Farbe ist beim Sheltie im Gegensatz zu vielen anderen Rassen

rezessiv, sie wird von der dominanten Anlage für sable überdeckt. Zweitens

ist zu schließen, daß beide Elterntiere hinsichtlich ihrer Farbe reinerbig sind:

Es ist eine der von Mendel entdeckten Gesetzmäßigkeiten, daß reinerbige

Eltern eine im betreffenden Merkmal einheitliche Nachkommenschaft

bringen (Uniformitätsregel). Und drittens weiß der Züchter jetzt, daß alle

Welpen dieses Paares hinsichtlich ihrer Farbe mischerbig sind. Sie müssen es

sein, denn jede Eizelle enthielt ja einen Mendelschen Erbfaktor (oder "Gen",

wie man später sagte) für die Farbe sable, jedes Spermium des tricolour

Rüden enthielt das Gen für tricolour. Die befruchteten Eizellen enthalten

dementsprechend ein gemischtes Gen-Paar, welches zusammenwirkend

die Farbe der Welpen bedingt. Sie sind in unserem Beispiel, wie gesagt,

sablefarben - praktisch genauso sablefarben wie die Mutterhündin. Will ein

Skeptiker sich von der Mischerbigkeit der Nachzucht überzeugen, braucht

er sie nur unter sich weiter zu züchten. Die Nachzucht ist nicht uniform,

sondern 25% sind tricolour, 75% sind sable. Bei den Tricolours ist also das

rezessive Merkmal des Großvaters unverändert wieder zum Vorschein

gekommen. Tricolours sind reinerbig, wie man es vom Träger eines

rezessiven Merkmals erwarten muß; alle Nachkommen von Paarungen

dieser Tricolours untereinander sind tricolour. Von den Sablefarbenen sind,

wie die Weiterzucht untereinander zeigt, 1/3 reinerbig wie die Großmutter,

2/3 mischerbig wie die Elterngeneration. Diese Zahlenverhältnisse der

Aufspaltung von Mischerbigen sind schon von Mendel bei seinen

Versuchen mit Erbsen in ihrer Gesetzmäßigkeit erkannt worden. Mendel

hätte uns auch schon den Trick verraten können, mit dem man im

Kreuzungsexperiment die mischerbig sablefarbenen Shelties von den

reinerbigen Sables unterscheiden könnte. Er würde in einer Testpaarung

einen tricolour Sheltie, über dessen Farbgene der Züchter ja Bescheid weiß

(rezessiv, reinerbig) mit dem fraglichen sablefarbenen Kandidaten paaren.

Tauchen in der Nachzucht tricolour Shelties auf, war der Kandidat

mischerbig und brachte 50% seiner Keimzellen mit dem Gen für tricolour

ein.

Wir hoffen, lieber Leser, daß Ihnen jetzt das Wesen der Rezessivität und

Dominanz im Erbgang eines Merkmals einleuchtet und damit auch die

weiteren Überlegungen, die in der Hundezucht so wichtig sind. Wenn ein

Züchter ein rezessives Merkmal wünscht, hat er es leicht; jedes Tier, das

dieses Merkmal zeigt, ist ja reinerbig. Dementsprechend leicht sind tricolour

Die Auswahl der Zuchttiere

70

Shelties zu züchten. Ein dominant sich vererbender Fehler ist ebenfalls

unproblematisch. Ein Tier, das diesen Fehler im Erbgut hat, zeigt ihn, und

durch den Verzicht auf die Verwendung dieses Tieres in der Zucht merzt

man den Fehler aus. Eine dominant sich vererbende Tugend bereitet

hingegen dem Züchter nur geteiltes Vergnügen. Sie kann sowohl im

reinerbigen als auch im mischerbigen Zustand auftreten; damit ist die

Wahrscheinlichkeit besonders groß, daß man in der Nachzucht Tiere mit

dieser Tugend erhält. Jedoch gibt es immer die Möglichkeit, daß das

unerwünschte rezessive Merkmal verborgen mitgeschleppt wird. Bevorzugt

der Züchter beispielsweise die sable Farbe, sollte er sich nicht wundern,

wenn das rezessive Schwarz nicht nur eine Generation lang unsichtbar

bleibt, sondern vier, fünf Generationen, wie wir es selbst erlebten.

Unerwünschte Merkmale, die dem rezessiven Erbgang unterliegen, sind

schwer zu vermeiden, weil sie über viele Generationen unsichtbar

weitervererbt werden können und eines Tages dann plötzlich wieder

auftreten, wenn der Zuchtpartner zufälligerweise und ebenfalls vorher

unerkannt in seiner Erbmasse das gleiche Rezessiv-Gen mitbrachte.

Manchmal hat der dominant/rezessive Erbgang keine Gültigkeit, und

der mischerbige Merkmalsträger nimmt in seinem Aussehen eine

Mittelstellung zwischen den reinerbigen Elterntieren ein (intermediärer

Erbgang). Die Zuchtplanung mit solchen Merkmalen ist leicht, weil man

den reinerbigen und mischerbigen Tieren gleichermaßen ihr Erbgut

ansehen kann. Die Farbe Blue Merle folgt diesem Erbgang. Im

mischerbigen Zustand wirkt ein Verdünnungsgen auf die Verteilung des

schwarzen Pigments und bewirkt die charakteristische bläuliche Farbe. Das

Pigment verschwindet also nicht ganz. Kommt das Verdünnungsgen von

beiden Eltern, dann kann es die unerwünschten Weißlinge geben.

Das Hervorbringen oder Vermeiden von verborgen im Erbgut

mitgeführten positiven oder negativen Eigenschaften spielt eine

wesentliche Rolle in den Plänen des Züchters. Es gibt Methoden, die solche

Einflußnahme ermöglichen. Zuerst ist es wichtig zu wissen, daß die

Dominanz oder Rezessivität vielfach nicht vollständig ist ("unvollkommene

Dominanz"; es gibt alle Abstufungen zwischen dominanter und der oben

genannten intermediären Merkmalsausbildung), deshalb kann man

manchmal Hinweise auf die Anwesenheit einzelner Rezessiv-Gene finden,

deren Wirkung nicht ganz vom dominanten Gen verdeckt wird. Räber

beschreibt beispielsweise, wie in der Farbe mischerbige Schnauzer durch

winzige Abweichungen von reinerbigen Tieren sich dem scharfen Blick

enthüllen. Wenn äußerlich keine solchen Merkmale erkenntlich sind, muß

der Züchter durch Beachtung der Merkmale der Ahnen seiner in Betracht

kommenden Zuchttiere versuchen, ein bei letzteren vermutetes, jedoch

über die Generationen unsichtbar weitergetragenes Erbgut so

zusammenzubringen, daß die Wunsch-Kombination entstehen kann.

Die Auswahl der Zuchttiere

71

In der Praxis der Hundezucht geht diese Erwartung aber häufig nicht

in Erfüllung. Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts systematisch Collies in die

Shelties eingekreuzt wurden, um die allgemeine Erscheinung, vor allem

wohl den Kopf der kleinen Rasse vorteilhaft zu verändern, wurde man mit

dem Problem der Körpergröße konfrontiert. Man hoffte dann durch

Zuchtauslese unter Beachtung der damals gerade bekannt gewordenen

ersten Ergebnisse der Vererbungslehre in wenigen Generationen dieses

Problem beseitigen zu können (der Abdruck eines Aufsatzes von 1917 über

frühe Shelties und Zuchtpläne befindet sich im Handbuch des ESSC von

1970, S. 9-13). Aber es war vergeblich, mehr als 50 Jahre züchterischen

Bemühens haben uns keinen verläßlichen Erfolg beschert. Immer wieder

muß es ein Züchter erleben, der standardgemäße Zuchttiere paart, daß

unter den Welpen jene Riesen heranwachsen, die im Alter von drei

Monaten schon ihre Mutter in der Schulterhöhe erreichen können. In

diesen Fällen liegt der Verdacht nahe, daß verborgene Erbfaktoren für den

Größenwuchs gekoppelt vererbt werden mit Faktoren, die die

erwünschten Qualitäten bringen, und daß der Züchter unbewußt die

gekoppelten Faktoren für Unerwünschtes weiter schleppt. Nur im

mischerbigen Zustand können die Shelties dieses Züchters dem Ideal nahe

kommen.

Die Kopplung von Merkmalen bedeutet, daß diese Merkmale nicht

unabhängig voneinander vererbt werden, sondern als ganze

Merkmals-Pakete weitergegeben werden. Ohne daß uns die Hintergründe

bewußt werden, bemerken wir dieses Kopplungsphänomen überall im

Vererbungsgeschehen, auch beim Menschen. Die Vererbung von ganzen

Gruppen verschiedener Merkmale macht es uns erst möglich, Typen und

Familien-Ähnlichkeiten zu erkennen. Das Phänomen der Kopplung (wir

fassen das Wort hier im weiteren Sinne, nicht in der engen Definition der

Genetiker) scheint uns bei der Hundezucht insgesamt zu wenig Beachtung

zu finden, obwohl ihm nach unserer Einschätzung große Bedeutung

zukommt.

Der Merkmalskopplung können im Erbgang verschiedene Ursachen

zugrunde liegen.

1. Die Erbfaktoren-Kopplung. Während Gregor Mendel mit sieben

Merkmalen bei seinen Pflanzenversuchen arbeitete, die jeweils unabhängig

von den anderen eingekreuzt oder beseitigt werden konnten, studierte

man später bei Versuchen mit der Taufliege eine Vielzahl von Merkmalen,

die gruppenweise vererbt werden. Es wurde erkannt, daß die Erbfaktoren, die

Gene, wie Perlen auf einer Schnur auf fadenförmigen Trägern, den

Chromosomen, angeordnet sind. Da bei der Befruchtung ganze

Chromosomen weitergegeben werden, bleiben alle darauf aufgereihten

Gene zusammen, sie sind gekoppelt. Nur durch Brucherscheinungen der

Chromosomen vor der Befruchtung kann es zur Aufhebung der Kopplung

Die Auswahl der Zuchttiere

72

und zur Neukombination von Genen, beziehungsweise Merkmalen

kommen. Diese Chromosomenbrüche und die nachfolgenden

Neuorientierungen der Bruchstücke zu intakten Chromosomen sind zwar

nicht selten, sind aber für die praktische Hundezucht ohne Bedeutung.

Ein Gesetz Mendels ("Gesetz der Neukombination der Gene") wonach

bei der Kreuzung von Eltern, die sich in zwei oder mehr Merkmalen

unterscheiden, die hieran beteiligten Gene alle mit der gleichen

Wahrscheinlichkeit kombiniert werden können, hat in den Fällen der

Erbfaktoren-Kopplung keine Gültigkeit. Jenes Gesetz setzt voraus, daß

jeder beobachtete Erbfaktor auf einem besonderen Chromosom sitzt und

unabhängig von den anderen übertragen wird.

2. Die Polyphänie (= Pleiotropie) oder vielseitige Genwirkung. Diese

Erscheinung beruht darauf, daß ein einzelnes Gen mehrere Merkmale

beeinflußt. In Lehrbüchern wird die Polyphänie selten im Zusammenhang

mit der Erbfaktoren-Kopplung, wo es ja um die Verbindung mehrerer Gene

geht, abgehandelt. Für den Züchter aber sind beide Vorgänge in ihren

Konsequenzen ähnlich. Mendel sah schon bei seinen Erbsenversuchen,

daß eine rote Blütenfarbe in Verbindung mit braunen Samenschalen und

einem rötlichen Fleck in den Blattachseln immer gemeinsam vererbt wird

- einen Erbsen-Schönheitszüchter hätte diese Kombination vor Probleme

gestellt, wenn er eines der Merkmale ohne die anderen gewollt hätte. Der

Versuch der Erklärung der Polyphänie führt uns zu den primären

Wirkungsmechanismen der Gene. Erbfaktoren veranlassen die Entstehung

von chemischen Wirkstoffen, die nun in einer Kettenreaktion die

Entstehung weiterer Stoffe und Leistungen zur Folge haben. Besonders

vielseitige Wirkungen haben Hormone. Man bedenke zum Beispiel die

Geschlechtshormone mit ihrem Einfluß auf eine große Zahl verschiedener

Körpermerkmale und auf das Verhalten. In einem Lehrbuch der

allgemeinen Zoologie wird ein genbedingter Hormondefekt als

Musterbeispiel der Polyphänie vorgeführt: Bei einer Maus ist ein Erbfaktor

bekannt, der eine gestörte Hormon-Ausschüttung der Hypophyse bewirkt,

was einerseits zu Zwergwuchs, andererseits zur Unterentwicklung der

Geschlechtsorgane führt. Bei Zwerghunden wird ein ähnlicher Faktor

vermutet, der als Nebeneffekt Kryptorchismus (Binnenhodigkeit) zur Folge

hat (siehe M. Burns & M.N. Fraser, 1968). Einen solchen Faktor kann man

auch im Erbgut von Shelties ahnen, wobei die Tücke dieses Erbfaktors nicht

nur darin liegt, daß er nur bei einem Geschlecht zu erkennen ist, sondern

daß er bei unserer Rasse mit besonderer Schönheit des Trägers verbunden

scheint. Bei der Taufliege kennt man ein Gen, das gleichermaßen auf die

Augenfarbe, Augenform, Sinneszellen, Fußklauen, Geschlechtsorgane und

gewisse Farbstoffe wirkt. Wenn man in Betracht zieht, daß offenbar die

meisten Gene vielseitige Wirkungen haben, auch wenn sie selten so

drastisch wie bei der genannten Taufliege sind, muß die besondere

Verantwortung des Hundezüchters angesprochen werden. Äußerliche

Die Auswahl der Zuchttiere

73

Merkmale, die vielleicht seinem Schönheitsideal entsprechen, können

gekoppelt sein mit Stoffwechsel- und anderen Defekten, die er vermeiden

muß.

Merkmalskopplung, bedingt durch Erbfaktoren-Kopplung oder

Polyphänie, bedeutet für den Züchter eine Einschränkung seiner

Möglichkeiten. Er kann nicht beliebig einzelne Merkmale ein- oder

auskreuzen, sondern muß Rücksicht nehmen auf das gesamte Erbgefüge

seiner Zuchttiere. Er muß einen Blick entwickeln für solche Merkmale, die

immer gekoppelt auftreten und solche, die gewissermaßen frei verfügbar

sind, wobei das Kennenlernen der Ahnen und ihrer Verwandten besonders

wichtig ist. Vermutlich wird er dann erkennen, daß in der Linie, die er

schätzt, gewisse Schönheitsfehler neben bewunderten Tugenden immer

wieder auftreten. Danach wird er seine Zuchtpläne einrichten - vielleicht

nimmt er die Fehler in Kauf, wenn damit andererseits überzeugende

Qualitäten gekoppelt sind.

Die Einschränkung der Möglichkeiten eines Züchters durch die

Kopplungserscheinungen kann durchaus auch unter positivem Vorzeichen

gesehen werden. Durch die Zusammenfassung vieler Merkmale zu

Merkmalspaketen werden die anfänglich unendlich scheinenden

Kombinationsmöglichkeiten der Einzelmerkmale stark eingeschränkt, und

nur deshalb kann man damit rechnen, daß gewisse Typen immer wieder in

der Zucht auftreten und man manchmal sogar das Bild eines bewunderten

Urahns wieder weitgehend rekonstruieren kann.

Hilfreich sind die Kopplungserscheinungen ferner bei der Auswahl der

Welpen. Frühzeitig sichtbare Farbmuster, Verhaltensweisen und andere

Merkmale geben oftmals die ersten Hinweise, welchem unter seinen

Ahnen der noch unförmige Winzling später einmal gleichen wird. Bei

unseren Shelties geben beispielsweise relativ kurze, dicke Schwänze bei

den neugeborenen Welpen uns einen ersten Hinweis auf die erwartete

geringe Körpergröße.

Von der Fremdpaarung bis zur Inzucht:

Zuchtmethoden der Sheltiezüchter

Soll man Verwandtenpaarungen anstreben oder vermeiden, welches

Schema bei der Planung einer Paarung von Shelties soll man empfehlen?

Sowohl die Inzucht, vor allem in der Form der Linienzucht, wie auch die

Fremdpaarung (Fremdzucht) haben ihre Fürsprecher unter den

erfolgreichen Züchtern, und eine Entscheidung, welcher Richtung man

zuneigen soll, ist nicht leicht. Wir wollen uns hier auf eine kritische Diskussion

der Sachverhalte beschränken.

Die Auswahl der Zuchttiere

74

Zwischen den einzelnen Zuchtmethoden im Sinne der englischen

Autoren bestehen fließende Übergänge, und vielen Züchtern fällt es

schwer, den Begriff "Linienzucht" einzuordnen.

"Der Ausdruck Linienzucht stammt aus der englischen Literatur, wobei man den

Anteil eines bestimmten männlichen oder weiblichen Ahnen an dem Genbestand der

Nachkommen im Auge hat. Die intensivste Form der Linienzucht stellt eine

Rückkreuzung an den gleichen Elternteil über mehrere Generationen dar.....

Normalerweise wendet man jedoch eine bedeutend mildere Form der Linienzucht an, z. B.

die Paarung eines weiblichen Tieres mit dem Großvater väterlicherseits....." (I.

Johansson, J. Rendel, H. O. Gravert 1966. Haustiergenetik und Tierzüchtung.

Verlag Parey, Hamburg).

Die Fremdzucht ist mit der Linienzucht durch Übergänge verbunden.

Ein deutscher Sheltie-Züchter beispielsweise, dessen Hunde auf die Importe

der 1960er Jahre zurückgehen, wird, auch wenn er eine Inzucht vermeiden

will, feststellen, daß hinter der siebenten Ahnengeneration seiner Hunde

der Name Ch. Riverhill Rescuer häufig erscheint. Wichtig erscheint uns in

diesem Zusammenang die Erörterung unterschiedlicher Zielsetzungen der

Züchter.

Verschiedene Zielsetzungen

Die Zielsetzungen der Anhänger von Fremdpaarung und Inzucht sind

im Prinzip verschieden. Der Fürsprecher der Fremdpaarung zielt mit seiner

Methode auf die Qualität der Nachkommen in seinem nächsten Wurf. Der

Inzüchter erhofft darüber hinaus ein höheres Maß an Reinerbigkeit und

damit die Weitergabe der Qualität. Die Motive des Linienzüchters sind

weniger deutlich zu erkennen. Wir sind nicht sicher, ob nur das Vermeiden

gesundhei t l icher Ri s iken der Inzucht (das unbeabs icht igte

Zusammentreffen rezessiver Defektgene) das wesentliche Motiv für eine

mehr entfernte Verwandtenpaarung ist. Vielmehr scheinen die Praktiker

und Fürsprecher der Linienzucht zu ahnen, daß auch unabhängig von

gesundheitlichen Bedenken nicht alle Qualitäten reinerbig zu züchten sind.

Die Linienzüchter t reiben besonder s intens ive Ahnen- und

Verwandtenforschung, ihr Interesse gilt neben der besonderen Beachtung

des berühmten Vererbers (der auch weiblich sein kann, was in

Deutschland selten gewürdigt wird) der ganzen Verwandtschaftsgruppe

um diesen Star, dessen Gene man irgendwie zusammenhalten möchte.

Bei der Linienzucht wird versucht, das Erbgut eines Ahnen in seiner

Gesamtheit durch Rückkreuzung zu bewahren.

Die Fremdpaarung ist dagegen auf die Veränderung des Erbgutes

angelegt. Während die verschiedenen Formen der Inzucht oft unter

erfahrenen Züchtern ihre Fürsprecher finden, hat die Fremdpaarung

besonders bei Laien beträchtliches Ansehen. Diese Wertschätzung findet

eine Stütze in der Erinnerung an Erfahrungen landwirtschaftlicher Tier- und

Die Auswahl der Zuchttiere

75

Pflanzenzucht, wo sys tematisch gezogene Hybriden höhere

Leistungsfähigkeit als ihre fast reinerbigen Eltern haben können.

Fremdpaarung im strengen Sinne ist eine Zuchtmethode, die vermehrte

Mischerbigkeit zum Ziele hat. Dabei sind die Tiere, die miteinander gepaart

werden, weniger verwandt als der Durchschnitt der Rasse. So formulierten

es die zitierten Haustierzüchter. Man muß diese Sätze zweimal lesen, um

ihre Bedeutung zu erkennen. Wenn eine Rasse so wenig gefestigt ist wie

der Sheltie, muß sich der Fremdpaarer den Vorwurf gefallen lassen, ihm

wäre an der Reinerbigkeit und damit der über die nächste Generation

reichenden Zukunft seiner Rasse zu wenig gelegen, selbst wenn die

Zuchtresultate gut sind. Überdies droht Margaret Osborne, daß

Fremdpaarung oft übergroße Shelties bringt, was zu dem falschen Schluß

führen kann, daß der Inzüchter von diesen Prachtkerlen verschont bleibt.

Nach der Kritik an der Fremdpaarung muß jedoch daran erinnert

werden, daß der Inzüchter nur mit dem züchten kann, was seine

Stammtiere haben. Es kann dann zur Reinerbigkeit vorhandener Gene

kommen, zu Umgruppierungen von gewissen Kombinationen von

Eigenschaften, aber grundsätzlich Anderes wird nicht entstehen. Wenn

daher beispielsweise ein deutscher Sheltiezüchter in der ihm vertrauten

Verwandtschaftsgruppe bemerkt, daß die Beine immer hühnchenartig

dünn sind, dann muß er eine Fremdpaarung erwägen, falls ihm an

kräftigen Beinen gelegen ist.

Die als Geschwisterpaarung betriebene Inzucht ist theoretisch der einzige

Weg, um die Reinerbigkeit der Zuchttiere zu erreichen. Die fast unendliche

Kombinationsmöglichkeit der Erbfaktoren wird ja bei den Nachkommen

auf die Gene der Eltern eingeschränkt, von denen dann bei den weiteren

Inzuchtgenerationen entsprechend dem Zufallsverlauf wiederum eine

Anzahl verloren gehen kann. Der moderne Sheltie ist durch viele enge

Inzuchtpaarungen in den zwanziger und dreißiger Jahren entstanden. Dem

Vorgehen der Züchter dieser Zeit verdanken wir eine gewisse Reinerbigkeit

der Rasse. Warum hat man diese enge Inzucht nicht intensiv

weitergeführt?

Eine Grenze der engen Inzucht

Eine Grenze der engen Inzucht, beziehungsweise der mit ihr

bezweckten Reinerbigkeit liegt dort, wo der mischerbige Zustand den

Forderungen des Standards und den Empfindungen des Züchters näher

kommt als der reinerbige Zustand. Das hierauf basierende Einkalkulieren

einer gewissen Mischerbigkeit in einigen Merkmalen bei Anstreben der

Reinerbigkeit in anderen Merkmalen scheint uns die Begründung für die

Anwendung der Linienzucht zu sein.

Das Wort von der einkalkulierten Mischerbigkeit geht dem

eingefleischten Rassehundler nicht leicht von der Zunge, zu sehr ist er

Die Auswahl der Zuchttiere

76

daran gewöhnt, die Reinerbigkeit der Vorzüge als Ideal anzustreben, doch

gelegentlich stößt er an die Grenzen. Wegen dieser Grenzen offenbar muß

er mit dem Erbgut des bewunderten Ahnen seiner Zuchttiere, das er

erhalten, zusammenhalten möchte, in besonderer Weise umgehen.

Entfernte Verwandte werden in immer wieder anderen Kombinationen

gepaart, Geschwisterpaarungen vermieden. Besonders deutlich wird die

Grenzsituation der Inzüchter dann, wenn zwei ingezüchtete Stämme

miteinander gepaart, Nachkommen von besonderer Qualität ergeben.

Hier kommt die teilweise Mischerbigkeit als Ursache dieser Qualität in

Betracht. Aus der Bullterrier-Zucht ist ein solches Beispiel von Tom Horner

(Dog World, 10. Nov. 1978) beschrieben worden, und im Buche 'Sheltie Talk'

(S. 114) von McKinney & Rieseberg wird eine entsprechende Mischung

zweier amerikanischer Sheltie-Linien gelobt. Dem Reinrasse-Fanatiker muß

angesichts solcher Mischlingswirtschaft schaudern. Wir glauben aber, daß

unsere bewunderten Vorbilder in der Sheltiezucht mit Fingerspitzengefühl

aus den Beständen ihrer nicht vollkommen reinerbigen Zucht immer wieder

solche Mischungen zusammenführen.

Drei Fälle möchten wir beschreiben, wo eine Mischerbigkeit in

bestimmten Erbfaktoren gegenüber der Reinerbigkeit bevorzugt werden

kann. Diese Beispiele stammen alle aus der Farbenzucht, über die die

meisten Erfahrungen vorliegen, sie lassen sich aber sicherlich auch für

Gestaltmerkmale verallgemeinern. Der erste Fall betrifft die Tatsache, daß

manchmal der Erbgang nicht einfach dominant/rezessiv ist, sondern ein

mischerbiger Merkmalsträger eine Mittelstellung zwischen den reinerbigen

Elterntieren einnimmt (intermediärer Erbgang). In der Farbenzucht sind

solche mischerbig bedingten Merkmale bei vielen Rassetieren allgemein

bekannt und beliebt. Bei Shelties sieht man auf englischen Ausstellungen

oft Tiere mit weiß gefärbten Hinterläufen, von denen ein weißer Streifen an

der Unterseite des Schenkels hinaufläuft. Diese Zeichnung ist ein Hinweis

auf den sogenannten Weißfaktor, der hier im mischerbigen Zustand

vorhanden ist, wie McKinney & Rieseberg beschreiben. Im reinerbigen

Zustand kann der Weißfaktor große weiße Flecken auf dem Rücken

ergeben, die der Standard verbietet. Dementsprechend riskant wird der

Einsatz der Weißbeinigen in einem Inzuchtprogramm.

Der zweite Fall, wo Mischerbigkeit bevorzugt wird, betrifft die

Erbfaktorenkopplung, das große Handicap aller Züchter. Durch die

Verbindung der einzelnen Gene auf Chromosomen ist ein Züchter nicht frei

in der Herauszüchtung beliebiger Merkmalskombinationen (vergleiche das

Kapitel über die Grundzüge der Vererbungslehre). Er muß es hinnehmen,

daß manche Merkmale immer zusammen mit anderen auftreten. Wenn

nun auf einem Chromosom, das ein dominantes Gen für eine Tugend

trägt, sich zugleich ein rezessives Gen für einen Fehler befindet, kann der

Züchter nicht die Tugend mit doppelt dominanter Grundlage, also

reinerbig züchten, weil er sonst den gekoppelten rezessiven Fehler durch

Die Auswahl der Zuchttiere

77

die Verdopplung zum Vorschein bringen würde.

Der Erbfaktorenkopplung in den Auswirkungen sehr ähnlich ist die

vielseitige Genwirkung, ein häufig beobachtetes Phänomen, wo ein Gen

eine ganze Kette von Stoffwechsel-, Gestalt- und Farbmerkmalen

beeinflussen kann. Bei der Blue Merle-Zucht offenbar sind die berüchtigten

Sinnesorgandefekte durch vielseitige Genwirkung mit den gewünschten

Farben ursächlich verbunden, und nur, wenn das betreffende Gen nicht

paarweise vorliegt, kann der Züchter sein Ergebnis vertreten.

Intermediäre Erbgänge sowie Kopplungseffekte und vielseitige

Genwirkung insgesamt mit ihrer Verbindung von Qualität und

Unerwünschtem sind nach unserer Auffassung die Ursache dafür, daß bis

heute die Sheltiezüchter mit den enormen Größenwuchs- und

Einhoderproblemen zu kämpfen haben und es in mehr als fünfzig Jahren

der Sheltiezucht nicht erreichten, die Qualität reinerbig weiter zu züchten.

In der Praxis verfahren die Linienzüchter so, daß sie unter den Ahnen

der Zuchthündin den hervorragenden Vererber ausmachen, der seine

Qualitäten in seiner Nachfahrenreihe sichtlich weitervererbt. Mit ihm oder

einem seiner Nachkommen, der mit der Hündin entfernter verwandt ist,

wird die Paarung vorgenommen, wobei es hilfreich ist, wenn der Züchter

weiß, daß gleiche Paarungen mit Verwandten der Hündin schon

erfolgreich waren. Die Nachkommen der Zuchthündin werden wiederum

nach ähnlichem Muster gepaart, und es erscheint dann mehrfach der

berühmte Vorfahr nach bestimmten Mustern in den Ahnentafeln.

In der Zeitschrift Nutshell (No. 55, 1979) wurde F.M. Rogers (Riverhill) um

ihre Meinung zur Linienzucht befragt, die sie neben einigen gelungenen

Fremdpaarungen sehr erfolgreich praktiziert hat. Sie nennt zwei Punkte, die

bezeichnend für Linienzüchter sind. Der eine ist, daß die Großeltern der

Zuchttiere erhebliche Beachtung erhalten. Die Qualitäten der Großeltern

entscheiden über die Partnerwahl. Die andere Besonderheit ist, daß der

Linienzüchter bei der Planung einer Paarung schon Überlegungen über die

züchterische Verwendung der darauffolgenden Generation anstellt

(deshalb werden z.B. gelegentlich Wiederholungspaarungen vermieden,

nur um neue Variationen für spätere Kombinationen zu haben). Er

überspannt gedanklich ganz andere Räume als es der Fremdpaarer tut,

indem er Großeltern und Enkel seiner Zuchttiere in ein Programm

einbezieht.

Zuchtprogramme verändern auch den Züchter

Die Programme der planvollen Inzüchter verlangen einen großen

Einsatz. Oft werden Freunde mit Zuchtverträgen in das Programm mit

eingespannt. Viel Zeit verstreicht und dabei geschieht etwas, das wir nicht

vergessen wollen: Es verändert sich nicht nur das Zuchtmaterial vorteilhaft,

Die Auswahl der Zuchttiere

78

es verändert sich auch der Züchter. Er lernt es, die Welpen seiner Zuchtlinie

f rühzei t ig in ihrem Wer t zu beur tei len und entwickel t sein

Fingerspitzengefühl bei der Planung von Paarungen. Dieser

Erfahrungszuwachs der Züchter, die ein langfristiges Programm verfolgen,

macht es schwierig, den absoluten Wert und Erfolg von Inzucht (sei es

Geschwisterpaarung oder Linienzucht in allen ihren Formen) gegenüber

der Fremdpaarung zu beurteilen.

Der erfolgreiche Vererber

Dementsprechend schwierig ist es auch, über die Vorbedingungen zu

urteilen, die einen großen Vererber ausmachen. Vielfach wird festgestellt,

daß ein Inzuchtprogramm die guten Zuchttiere entstehen läßt, Ch. Riverhill

Rare Gold mit fünf Linien zu Ch. Nicky of Aberlour (wie von M. Davis

dargestellt) ist ein Beispiel hierfür. Diese berühmte Hündin ist ihrerseits

wieder sehr erfolgreich in Inzuchtprogrammen gewesen. Wenn ein

Zuchtprogramm zur Reinerbigkeit führt, mag diese Reinerbigkeit ein Grund

für den Zuchtwert eines Hundes sein. Jedem durch zwei gleiche Gene

bedingten Merkmal ist die doppelte Chance gegeben, in den

Nachkommen wieder zu erscheinen, und wenn sehr viele Merkmale eine

reinerbige Grundlage haben, wird sich ihr Träger viel wahrscheinlicher mit

einem gleichar t igen T yp reproduz ieren al s ein zufäl l iges

Fremdpaarungsgemisch.

Gegen die Theorie, daß zielstrebige Inzucht zu besonders guten

Vererbern führt, kann ein Skeptiker Bedenken anführen. Zucht bringt ja

nicht nur Hunde hervor, sondern schafft auch die Erfahrung der Züchter,

die den Wert des Vererbers erkennen. Der Rüde aus der Zucht des

Linienzüchters wird nicht nur bei ihm geboren, er wird auch von diesem

Züchter beurteilt, entdeckt, zur Zucht benutzt und wieder benutzt.

Weiterhin bemerkt der Skeptiker, daß beispielsweise Ch. Riverhill Rufus und

Ch. Riverhill Redcoat, die in den Zuchten der Riverhills eine so große Rolle

spielten, selber Ergebnisse von Fremdpaarungen waren, wie F. M. Rogers

schreibt.

Wenn man nur mit der Kenntnis der Vererbungsgesetze Gregor

Mendels vertraut ist, fällt es schwer zu begreifen, warum überhaupt

Menschenkinder ihren Eltern ähnlich sind. Gibt es nicht Abertausende von

Kombinationsmöglichkeiten, die zu unterschiedlichsten Gesichtern führen

können und die Wiederkehr einer bestimmten Kombination von

Merkmalen statistisch so unmöglich erscheinen lassen wie einen

Lottogewinn? Die Wirklichkeit sieht anders aus. So erinnern wir uns an das

Bild einer kinderreichen Familie in einer Illustrierten aus Anlaß eines

Rechtsstreites, den die Eheleute mit ihrer Wohnstadt um ein Obdach

führte. Alle fünf Kinder glichen der Mutter in verblüffender Weise. Nach

Mendels Lehren wäre dieser Sachverhalt in folgender Weise zu

interpretieren: Erstens, Mutter und Vater sind jeder für sich in den Genen,

Die Auswahl der Zuchttiere

79

die die Gesichtszüge betreffen, reinerbig. Anderenfalls wäre die

Nachkommenschaft nicht einheitlich. Zweitens, die Mutter führt die

dominanten Gene. Das unwahrscheinliche Übereintreffen dieser Situation

- der Mensch ist ja kein planmäßig auf Reinerbigkeit ausgelesenes

Inzuchtprodukt - läßt sich nach unserer Vermutung eigentlich nur damit

erklären, daß vielleicht nur ein Faktor (oder eine Gruppe von auf einem

Chromosom gekoppelten Faktoren) das Aussehen von Mutter und Kindern

entscheidend prägten und eine Fülle anderer Erbfaktoren, die die Vielfalt

des Antlitzes beeinflussen können, in den Hintergrund getreten sind.

Erbgut: Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile

Solche Dinge sollte man bedenken, wenn man über den

erfolgreichen Vererber nachdenkt, der über eine lange Reihe von

Generationen in eindrucksvoller Weise seinen hervorragenden Typ vererbt.

In der Tat sind Erbfaktoren nicht gleichartige Strukturen, die man leicht

hinsichtlich bestimmter Qualitäten auslesen und dabei Tugenden

summieren kann. Es bestehen oftmals komplizierte Wirkungen und

Wechselwirkungen, die über das einfache Dominanz/Rezessivität-Schema

hinausgehen, das Mendel beschrieben hat. So können auch dominante

Gene durch andere Gene in ihrer Wirkung unterdrückt werden.

Gregor Mendel hat ganz bewußt bei der Begründung seiner Lehre die

übersichtlichsten und leicht kontrollierbaren Vorgänge herausgesucht. Die

anderen, komplizierten Ereignisse, die das Erbgut nicht als Summe von

Faktoren, sondern als komplexes Wirkungsgefüge erscheinen lassen, sind

eine Denkaufgabe geblieben - zum Beispiel für uns, die Hundezüchter.

Das meiste hierbei bleibt Geheimnis oder ist dem Gefühl eher

zugänglich als dem analytischen Verstand. Uns rührt eine Geschichte, in

der Frau Rogers (1977, Northern Counties SSC Handbook, Seite 9) vierzig

Jahre zurückdenkt. Sie hatte immer gehofft, daß Mrs. Wilberforce, die

Besitzerin von Eltham Park Elda, diese Hündin zu Riverhill Rufus zum Decken

gebracht hätte; dieses aber geschah nie. Noch 1977 - vierzig Jahre später

- bedauerte F. M. Rogers: "Wie schade, denn ich bin sicher, es hätte

geklickt".

Vererbung der Fellfarben

Die Zucht eines guten Sheltie ist immer ein schwieriges Unternehmen,

und deswegen muß sich der Züchter glücklich schätzen, daß ihm

wenigstens hinsichtlich der Farben und Abzeichen des Haarkleides der

Standard einen weiten Spielraum läßt. Dies gilt vor allem für die Beurteilung

der vielen Gelb- und Brauntöne, wo der englische Standard eine

bemerkenswerte Liberalität zeigt.

80

Innerhalb der vom Standard anerkannten Farben und Zeichnungen

gibt es beim Sheltie eine größere Vielfalt als bei den meisten anderen

Hunderassen. Aber diese Vielfalt macht es dem Züchter schwer, die

besonderen Faktoren, die die von ihm bevorzugten Färbungen

verursachen, in ihrem Erbgang zu erkennen und entsprechende

Zuchtpläne zu entwickeln. Wir haben im Kapitel über die Grundzüge der

Vererbungslehre gezeigt, wie die Ergebnisse bei der Paarung von tricolour

und sable Shelties aussehen und zur Erklärung des Geschehens einen

einfachen dominant/rezessiven Erbgang mit der Farbe Sable als Folge der

Wirkung eines dominanten Gens und der Farbe Tricolour als Folge der

Wirkung der doppelten Dosis eines entsprechenden rezessiven

Gen-Partners (Allel) zugrunde gelegt. Darüberhinaus werden die Farben

der Shelties vermutlich wesentlich bestimmt von weiteren Faktoren, die

unabhängig vom genannten Genpaar sind. M. Burns & M.N. Fraser, (1968:

Die Vererbung des Hundes. Verlagshaus Reutlingen, Oertel und Spörer)

geben in ihrem Buch einen Einblick in verschiedene, teilweise sich

widersprechende Hypothesen zur Erklärung des Erbvorganges der Farben

von gelben, braunen und schwarzen Hunderassen. Daraus wird deutlich,

wie fraglich die Vererbung dieser Farben bei Hunden heute noch ist.

Nachfolgend möchten wir einige Tatsachen und Probleme der

Farbenzucht bei Shelties besprechen. Von besonderem Nutzen für diese

Darstellung war uns das entsprechende Kapitel im Buche "Sheltie Talk" von

McKinney &.Rieseberg und eine historische Zusammenstellung der

erfahrenen Züchterin F.M. Rogers im Handbuch des ESSC von 1966 (S. 23

ff.).

Sable ist heute die häufigste Farbe bei Shelties; genaugenommen

heißt sie "sable and white", aber da der Farbschlag ohne Weiß im Haarkleid

heute ausgestorben ist (früher waren diese Hunde, die ungefähr wie ein

Deutscher Schäferhund gefärbt waren, relativ häufig), ist die abgekürzte

Namensnennung vertretbar. "Sable" heißt wörtlich "Zobel", und man

verbindet mit dem Namen dieses sibirischen Marders die Vorstellung seines

dunklen Pelzes. In Wirklichkeit haben aber die Shelties alle Farben vom

hellen, leuchtenden Gold ("golden sable") über schattierte Farben

("shaded sable") bis zu sehr dunklen, fast schwarz gefärbten Hunden

("mahogany") mit orangem Unterhaar. Die heller gefärbten Sables

erzeugen meist ihresgleichen, und F.M. Rogers (1966) nennt als Beispiele

Ch. Helensdale Ace und Ch. Midas of Shelert, die beide Hunderte von

Nachkommen ihrer Farbe zeugten. Die dunkel schattierten Sables

hingegen scheinen nach Meinung der erfahrenen Züchterin, die mit Ch.

Riverhill Rescuer einen vielbenutzten dunklen Sable in ihrem Zwinger hatte,

selten ihre Farbe weiterzugeben.

81

RAINELOR ROSEANNA OF MORLICH. In dieser Hündin vereinen sich für uns die

Eigenschaften ihrer berühmten Großeltern.

Bemerkenswert ist, welchen Einfluß Ch. MIDNITESUN JUSTIN TIME, geb.1973, in der zweiten

und dritten Generation ausübt. Dies gilt nicht nur für das Mutterland, sondern ganz

besonders auch für Schweden, wo ein Sohn (Int.Nord.Ch. SHELFRECT STROLLER) und ein

Enkel (Int.Nord.Ch. INGLESIDE COPPER IMAGE) in der Zucht sehr erfolgreich waren. Ein

herausragender Vererber war auch der in Dänemark lebende Justin Time-Enkel Dk.Ch.

ALLANVAIL MIDNIGHT EXPRESS, und bei uns in Deutschland war es der vielfache Champion

WILLOW TARN TRIDENT, geb. 1981, der das Erbe seines Vaters Justin Time weitertrug.

RAINELOR ROSEANNA OF MORLICH ——— Hündin geb. 1984

Midnitesun Good News

Ch. Midnitesun Justin Time

Midnitesun Party Piece

Morlich Midnight Samba

Heathlow Linus

Heathlow Lisa

Sheena of Alasmere

Ch. Sharval The Delinquent

Ch. Rhinog The Gay Lancer

Ch. Rhinog Waltzing Matilda

Monkswood Molly on the Shore

Monkswood Marauder

Ch. Greensands Gangsters

Moll of Monkswood

Greensands Gretchen

82

Ch. FRANWICK MAGPIE. Eine sehr schöne Hündin, deren Abstammung auf RIVERHILL-Linien

basiert. Das Kopfprofil der Hündin ist für uns die Verkörperung des englischen Standards. Ihr

Urgroßvater, Ch. HAYTIMER OF HANBURYHILL AT HARTMERE, geb. 1977, ein Ch. Riverhill

Ricotta-Sohn, gehört zu den bedeutendsten Vererbern der 80er Jahre in England, aber

auch in Skandinavien sind Nachkommen von ihm sehr erfolgreich.

CH. FRANWICK MAGPIE Hündin geb. 1984

Ch. Riverhill Raider

Riverhill Ringer

Ch. Riverhill Ring The Bell

Ch. Herriot of Herds

Riverhill Roquet

Hesitation of Herds

Alaumar Spring Blossom

Ch. Riverhill Ricotta

Lythwood Sandman

Ch. Lythwood Sandlewood

Ch. Franwick Esmeralda

Ch. Haytimer of Hanburyhill at Hartmere

Franwick Twilight Dream

Philhope Picadilly

83

Ch. RAINELOR RANGER. Dieser Freelancer-Nachkomme war ein spätreifer Sheltie, der

seinen Titel erst im fortgeschrittenen Alter vollendete. Etwas untypisch für seine väterliche

Abstammung war das dunkel schattierte Haarkleid, denn viele Freelancer-Nachkommen

haben eine leuchtend goldene Haarfarbe. Rainelor Ranger ist liniengezüchtet auf den

bedeutenden Vererber Ch. ANTOC SEALODGE SPOTLIGHT.

CH. RAINELOR RANGER Rüde geb. 1973

Ch. Antoc Sealodge Spotlight

Glenmist Golden Falcon

Golden Gypsy of Glenmist

Ch. Jefsfire Freelancer

Ch. Francis of Merrion

Ch. Heathlow Luciana

Heathlow Hippolyta

Ch. Antoc Sealodge Spotlight

Ch. Loughrigg Dragon Fly

Faraway of Tooneytown

Cheluth Rebecca of Rainelor

Heathlow Ajax

Heathlow Margaret

Silver Satin of Arolla

84

Ch. ROSDYKE MOONLIGHT SHADOW. Ein eleganter Vertreter einer erfolgreichen englischen

Blue Merle-Zuchtlinie, welche auf den eindrucksvollen Blue Merles des SHELERT-Zwingers

basiert. Der tricolour Vater von Moonlight Shadow, Ch. PEPPERHILL NAUGHTY BUT NICE,

geb. 1980, war ein bedeutender Zuchtrüde dieser Linie. Zwei Halbbrüder von Naughty But

Nice müssen hier ebenfalls genannt werden: Der 1981 aus der gleichen Mutter gezogene

Ch. PEPPERHILL BLUE FIZZ, der lange Zeit CC-Rekordhalter in England war, und der in

Deutschland in der Zucht sehr erfolgreiche vielfache Champion SANDWICK BOOMERANG,

geb. 1985, der den gleichen Vater hat, und mütterlicherseits auch noch ein Enkel von

Naughty But Nice ist. Ein schwarz-weißer Sohn von Blue Fizz, der vielfache Ch. MOSSMILL

MAGPIE FROM VALJON, wurde in Deutschland in der Blue Merle-Zucht eingesetzt.

CH. ROSDYKE MOONLIGHT SHADOW ——— Rüde geb. 1984

Shelerts Such a Sweep

Skerrywood Suede in Black

Skerrywood Silver Spangle

Ch. Pepperhill Naughty But Nice

Glenhill Ebony

Royal Sheena of Hilmisk

Such a Mirage at Shelert

Ch. Such a Spree at Shelert

Shelerts Such a Sweep

Shining Crystal of Shelert

Rosdyke Blue Jade

Oakbrook Saracen

Rosdyke Saphire and Steel

Alwillans Blue Cinderella

Die Auswahl der Zuchttiere

85

Damit kommen wir zur Frage nach den erblichen Grundlagen der

dunklen Sable-Farbe. Die unter anderen von Burns & Fraser für die

entsprechende Farbe bei Collies geäußerte Ansicht, sie hätte eine

einfache mischerbige Grundlage bestehend aus dem Faktor für goldenes

Sable und für Tricolour, möchten wir bezweifeln. Dies würde nämlich

bedeuten, daß das Sable nicht vollkommen dominant über Tricolour wäre

und dem Mischerbigen daher sein Erbgut anzusehen sei (intermediäre

Merkmalsausbildung). Dementsprechend wird manchmal geraten, blasse

Sables mit Tricolours zu paaren, um eine Farbvertiefung zu erhalten. Die

Züchterpraxis zeigt aber, daß dieses Rezept oft wirkungslos bleibt und

Sables mit einer Erbanlage für Tricolour hell gefärbt sein können. Der

amerikanische Sheltie-Kenner Riddle bringt einen Hinweis (S.119), daß

Tricolours, die aus der Bluemerle-Zucht stammen, nicht die beabsichtigte

dunklere Pigmentierung bei Sables bringen - eine Feststellung, die

gegenwärtig schwer zu deuten ist und für die hiesigen Verhältnisse

überprüft werden muß. Wir glauben, daß außer dem Genpaar für Sable

und Tricolour mindestens noch ein weiteres, unabhängiges Genpaar bei

der Entstehung der dunklen Sable-Farbe eine Rolle spielt. Im

amerikanischen Sheltie-Standard wird im Gegensatz zum englischen das

blasse Sable als fehlerhaft verurteilt, und in Anpassung an diesen

Sachverhalt scheinen die amerikanischen Züchter im Hervorbringen kräftig

schattierter, intensiv gefärbter Sables besonders erfolgreich zu sein. Der

berühmte amerikanische Vererber der siebziger Jahre, Ch. Halstors Peter

Pumpkin (ca. 150 Champions haben ihn zum Vater) hatte ein stark

pigmentiertes Haarkleid, das als dunkelrot beschrieben wird. Er war

reinerbig sable (vergl. Nieman 1978 in Collie-Revue Nr. 6). Züchter, die auf

eine dunkle Sable-Farbe Wert legen, müssten sich die amerikanischen

Verhältnisse genau ansehen, um hinter das Geheimnis der Zucht des bei

uns inzwischen seltenen Farbschlages zu kommen. Erschwerend für die

statistische Auswertung von Würfen zur Erforschung des Erbganges dieser

Farbe ist, daß die im Erwachsenenalter dunklen Sables oft im ersten

Lebensjahr golden aussehen und dann mit jedem Haarwechsel dunkler

werden, bis sie mit etwa drei Jahren mahagonifarben sind. Ch. Shantung

of Shelert (geb. 1958) war nach den Worten seiner Züchterin schließlich so

dunkel, daß Besucher oft gefragt hätten, wer denn dieser Tricolour sei. Er

sah genau so aus, bis der Wind sein Haarkleid teilte und ein leuchtend

rotes Unterhaar zum Vorschein kam.

Die meisten Ur-Shelties auf den Shetland-Inseln waren schwarz mit

braunen Abzeichen ("Schwarz mit Loh", "black and tan"), die weißen

Collie-Abzeichen fehlten ihnen völlig. Der schwarz-braune Farbschlag, der

bei vielen Hunderassen vorkommt, ist seit den dreißiger Jahren bei den auf

Ausstellungen gezeigten Shelties ausgestorben. Konservativ, wie die

Engländer sind, führen sie die attraktive Farbkombination noch immer in

der Aufzählung für den Standard auf. In der Rassegeschichte scheint uns

das Aussterben der black and tan Shelties einen wichtigen Zeitpunkt zu

Die Auswahl der Zuchttiere

86

markieren. Unter den vielen Ahnengruppen, die zur Rasse Sheltie

beitrugen, ist eine Gruppe, die möglicherweise ohne Collie-Blut war, als

selbständige Gruppe verschwunden und in der neuen Rasse

aufgegangen.

Der schwarz-weiße Farbschlag ohne braune Abzeichen, der ebenfalls

im Standard verzeichnet wird, kam wie die Schwarz-Braun-Gefärbten auf

den Shetland-Inseln häufig vor, war dann lange Zeit ein seltener

Farbschlag, um in jüngerer Zeit wieder häufiger aufzutreten (z. B. durch die

Nachkommen von Ch. Pepperhill Blue Fizz). In der Nachkommenschaft des

dunkel-sable Ch. Riverhill Rescuer (geb. 1951), der auch für die deutsche

Sheltie-Zucht so bedeutsam war, sind mehrfach schwarz-weiße Shelties

aufgetreten. Das Fehlen der (lohfarbenen) braunen Abzeichen bei diesem

Farbschlag wird von McKinney & Rieseberg auf einen Bicolour-Faktor

zurückgeführt, ein Gen, welches, wenn es nur in der Einzahl vorliegt, eine

deutliche Verringerung der Ausdehnung brauner Flächen am Kopf von

Tricolours bewirken kann. Ein schwarz-weißer Sheltie hat dieses Gen für

Abwesenheit von Braun in doppelter Dosis. "Bi-faktorierte" und "bicolour"

Shelties sollen nach den amerikanischen Autorinnen eine geringere

Tendenz zur Bildung eines (fehlerhaften) rostfarbenen Farbtones auf ihrer

schwarzen Haardecke haben. Bicolour Shelties gibt es auch in der Blue

Merle-Variante; sie haben ebenfalls keinerlei lohfarbene Abzeichen.

Ein Tricolour ist ein schwarz-brauner Sheltie mit weißen Abzeichen

("Collie-Abzeichen"). Wenn es ein schönes Tricolour ist, ist sein schwarzes

Fell wirklich tiefschwarz ohne bräunlichen Anflug, und die braunen

Abzeichen an Kopf und Beinen sind von intensiv leuchtender Farbe. Die

englische Züchterin Olwen Gwynne-Jones führte 1980 im Handbuch des

ESSC die berühmtesten Tricolours der Vergangenheit vor. Chestnut

Rainbow, Namensgeber der CHE-Linie, war ein Tricolour, wie auch die auf

ihm basierenden "Houghton Hill"-Shelties und die daraus hervorgehenden

"Exford"-Shelties. Die Autorin hob hervor, daß so viele Tricolours (und Blue

Merles, die verkappte Tricolours sind, wie wir später sehen werden) ein

hervorragendes Gebäude haben und sich besonders gut bewegen. Das

kann Zufall sein, aber man sollte diese Feststellung beachten.

Das Tricolour der Shelties ist rezessiv im Erbgang gegenüber Sable, ein

tricolour Sheltie ist also reinerbig für seine Farbe. Tricolour Welpen können

auch in den Würfen mischerbiger sable Eltern auftreten - in einem solchen

Fall sind 25 % tricolour Welpen zu erwarten. Wird ein tricolour Sheltie mit

einem mischerbigen Sable gepaart, ist die Hälfte des Wurfes tricolour.

Tricolours sind bei der Geburt oft nicht leicht von ihren sable Geschwistern,

die ebenfalls sehr dunkel sein können, zu unterscheiden. Nach unserer

Erfahrung ist ein heller Fleck unter der Schwanzwurzel bei Tricolours der

beste Hinweis auf diese Farbe.

Die Auswahl der Zuchttiere

87

Ausnahmsweise sollen bei der Paarung zweier Tricolours sable Welpen

resultieren, ein für den Genetiker rätselhafter Vorgang. Margaret Osborne

führte ihn auf den Einfluß von Hunden (King-Charles-Spaniel) mit einem

abweichenden Erbgang in den braunen und schwarzen Farben zurück

und meinte, daß gelegentlich ein besonders dunkler Sable sich als Tricolour

tarnen kann. Der Verdacht aber bleibt bei uns bestehen, daß ganz

normale sable Rüden außerhalb der züchterischen Kontrolle ihren Eingang

in die Zucht erschlichen haben.

Als nächste wollen wir eine Farbe besprechen, die eigentlich keine

Farbe ist, sondern eine optische Illusion: das oft geschätzte, oft

geschmähte Blue Merle. Der diese Farbe verursachende Erbfaktor ist ein

Verdünnungsfaktor, der die Grundfarbe Schwarz beeinflußt. Dieser

Verdünnungsfaktor ist also ein modifizierender Faktor, der auf ein

vorhandenes Fellfarben-Gen einwirkt. Liegt der Merle-Faktor in einfacher

Dosis vor (das Gegen-Gen in dem mischerbigen Genpaar ist das für die

intensive Durchfärbung verantwortliche Gen), wirkt er als Urheber des Blue

Merle-Farbmusters. Das Verdünnungsgen erreicht hier, daß die in

schwarzen Haaren normalerweise gleichmäßig verteilten schwarzen

Pigmentkörperchen in unregelmäßiger Weise zusammengeklumpt und

reduziert sind. Physikalisch gesehen in der gleichen Weise, wie das

Himmelsblau entsteht, so entsteht durch Brechung und Reflexion des

Lichtes an winzigen Pigmentteilchen der Blue Merle-Farbton. Bei Shelties

und Collies wirkt die Farbverdünnung auf das schwarze Pigment nicht in so

gleichmäßiger Weise wie etwa beim Bearded Collie, dessen Fell sehr

einheitlich grau-blau wirken kann, vielmehr finden sich unterschiedlich

verteilt kleine und (unerwünschte) große schwarze Flecken auf bläulichem

Untergrund. Von einem Collie, der das Blue Merle-Gen nachweislich trug,

wurde einmal berichtet, er hätte wie ein normaler Tricolour ausgesehen

und sein wahres Erbbild sei nur an einer münzgroßen Verfärbung und an

seinen Nachkommen sichtbar gewesen. Der Standard verlangt von den

Merles ein klares, silbriges Blau, gesprenkelt und marmoriert ("merle" ist die

Verstümmelung des englischen Wortes für marmoriert) mit Schwarz, ohne

schieferfarbene oder rostfarbene Tönungen. Das korrekte Farbmuster ist

schwer zu erreichen, und viele fühlen sich wohl gerade deswegen als

Züchter herausgefordert.

Der Merle-Faktor kann auch das Augenpigment beeinflussen. Ein Blue

Merle kann blaue oder braune oder ein braunes und ein blaues Auge oder

braun-blau gesprenkelte Augen haben. Das schwierige Thema der

Vererbung von Augenfarben - auch Sables haben vereinzelt ein blaues

Auge - behandeln McKinney & Rieseberg (1976) sowie Riddle (1974) in

ihren Büchern.

Im Erbgang verhält sich der Merle-Faktor anders als die Erbfaktoren,

die Mendel unter sucht hat te; er folgt näml ich nicht dem

Die Auswahl der Zuchttiere

88

Dominanz-Rezessivitäts-Schema. Wiederholen wir: ein Hund mit der Anlage

für Tricolour ohne farbverdünnenden Merle-Faktor ist schwarz, der mit

einem einzigen Merle-Gen wird "Blue Merle" und derjenige mit zwei

Merle-Genen wird zum "Weißling". Der Merle-Faktor ist also gegenüber dem

normalen Durchfärbungs-Faktor nicht dominant, sonst würden sich

mischerbige und reinerbige Merle-Träger nicht unterscheiden. Er ist auch

nicht rezessiv, sonst würde man den mischerbigen Zustand (nämlich das

Blue Merle) nicht erkennen. Solche Fälle, in denen sich kein Partner eines

mischerbigen Genpaares eindeutig durchsetzen kann, bezeichnet man als

intermediären oder auch unvollkommen dominanten Erbgang. Der

Merle-Faktor kann nicht nur das Schwarz des Tricolour oder Bicolour (im

letzteren Fall gibt es Blue Merles ohne braune Abzeichen) verdünnen,

sondern auch bei Sables wirksam werden. Die hieraus resultierenden Sable

Merles sind bei den meisten Züchtern unerwünscht und werden durch

Zuchtvorschriften vermieden, sie können aber in Amerika gezüchtet und

auf Ausstellungen gezeigt werden. Die verräterische Sprenkelung ist bei

Sables nicht immer erkennbar. Ein nonkonformistischer Züchter möge sich

bitte selbst ausrechnen, welche Farben die Nachkommen von Sable

Merles haben können, wenn diese mit Tricolours gepaart werden. F.M.

Rogers beschrieb 1966 im ESSC Handbuch ihre einschlägigen Erfahrungen.

Ein orthodoxer Blue Merle-Züchter paart sein blaues Zuchttier nur mit

einem tricolour Partner. Er kann dann 50 % tricolour Welpen und 50 % blaue

erwarten, wenn er statistisch hinlängliche, große Nachkommenzahlen hat.

Werden zwei Merles gepaart, eine Praxis, die uns bekannte

mitteleuropäische Clubs nicht zulassen, resultieren 25 % Tricolour, 50 %

Merles und 25 % unglückliche "Weißlinge". Von diesen Hunden ("Double

Merles") sind nach McKinney & Rieseberg etwa 93 % taub, andere sind

blind oder gar beides, blind und taub. Die bedenkliche Kopplung von

Anomalien der Sinnesorgane und bestimmten Farben wird erklärt durch

den gemeinsamen Ursprung von Haut und Nervenmaterial in der

Embryonalentwicklung (s. Wegner 1979). Die Weißlinge besitzen das

farbverdünnende Merle-Gen in doppelter Dosis, aber nach Wegner gibt es

Hinweise, daß das Gen schon in einfacher Dosis, also beim Blue Merle,

nachteilige Wirkungen zeigen kann; über diesen Sachverhalt herrschte ein

heftiger Disput zwischen ihm und Blue Merle-Züchtern.

Die auch bei anderen Hunderassen vorkommende Farbe Blue Merle

war bei verschiedenen Schäferhundrassen im letzten Jahrhundert in

England häufig (s. Riddle 1974, S. 118), auch von den Ur-Shelties auf den

Shetland-Inseln kannte man bereits diese Farbe, wie ein Bericht von 1908

ausweist (Riddle, S. 24).

Die weißen Abzeichen aller Sheltie-Farbschläge stehen unter Einfluß

verschiedener Erbfaktoren. Ausgedehnte weiße Partien hinter dem Hals

werden mit der Wirkung eines besonderen Erbfaktors in Beziehung

Die Auswahl der Zuchttiere

89

gebracht, dem sogenannten Weißfaktor. Die Anwesenheit dieses Faktors

in einfacher Dosis ist nicht immer leicht erkennbar, denn eine weiße Mähne

und Schwanzspitze sowie weiße Füße kann ein Sheltie auch bei

Abwesenheit des Weißfaktors haben. Häufig läßt eine weiße Zeichnung am

Unterschenkel des Hinterbeines auf die Anwesenheit des Faktors schließen.

Werden zwei Träger des Faktors gepaart, können gescheckte Welpen mit

einer Weißfleckigkeit wie Holsteiner Fleckvieh entstehen. Der Standard

verurteilt das Vorkommen weißer Partien am Rumpf als hochgradig

unerwünscht, manche Richter sehen es geradezu als disqualifizierend an.

Trotzdem wurde früher mit diesen Hunden gezüchtet. Da der Weißfaktor,

wenn er in einfacher Dosis vorliegt, schöne, standardgemäße Abzeichen

entstehen läßt, sollte man ihn nicht ohne weiteres verurteilen. Dies

entspricht der Auffassung von McKinney & Rieseberg (1976, S. 105), die sich

ausführlich mit dem Weißfaktor beschäftigen. Man muß aber die

Problematik der züchterischen Kontrolle dieses Faktors sehen. In den Heften

Nr. 3 (1978) und Nr. 15 (1981) der Zeitschrift "Collie Revue" findet der

interessierte Leser eingehende Informationen und Bilder zum Thema des

Weißfaktors und der Zucht von auf diesem Faktor beruhenden weißen

Collies.

Blessen können bei einigen Zuchtlinien in auffallender Häufigkeit

gewissermaßen als Markenzeichen erscheinen; sie werden unabhängig

von anderen weißen Abzeichen vererbt. Große, die Nase umfassende

Blessen werden nicht von allen Züchtern geschätzt oder wenigstens neutral

betrachtet. Würden diese Leute einen alten Sheltie mit einer solchen Blesse

sehen, würden sie vielleicht ihre Meinung ändern. Die meisten älteren

Shelties haben eine graue Schnauze - falls sie nicht eine prachtvolle weiße

Blesse haben.

Die Wahl des Zuchtrüden

Wann immer zwei Züchter zusammenkommen, reden sie von

Deckrüden, deren Benutzung sie erwägen. Die Wahl des Zuchtrüden ist ein

zentrales Thema. Wie soll man dabei vorgehen? Natürlich sieht man vor

allem nach einem Kandidaten, der genau in den Punkten mit seinen

Tugenden überragt, wo die eigene Hündin Schwächen hat. Andererseits

möchte man aber auch die Vorzüge seiner Zuchthündin für die

kommenden Generationen weitergeben, so wie sie sie von ihren Ahnen

erhalten hat. Wegen der Notwendigkeit, die Qualitäten zu bewahren und

der Hoffnung, durch Inzucht auch die Reinerbigkeit der gewünschten

Merkmale zu fördern, ist es ratsam, sich zuerst gründlich unter den

Zuchtrüden aus der Verwandtschaft seiner Hündin umzusehen. Nach

welchen Gesichtspunkten man wählt, hat Mary Davis (S. 80) beschrieben.

Wir möchten ihre uns überzeugenden Gedanken in freier Übersetzung

Die Auswahl der Zuchttiere

90

wiedergeben: "Bei der Sheltie-Zucht sind wir besonders gut dran, weil wir

allgemeinen Zugang zu detaillierten Ahnentafeln haben (z.B. in den

Publikationen des English Shetland Sheepdog Club), die zeigen, daß der

Erfolg in verschiedenen Formen möglich ist, daß aber das wirklich wertvolle

Tier jenes ist, das Siegertiere hervorbringt, welche ihrerseits wieder der

Ursprung von Generationen guter Hunde waren, die wiederum

ihresgleichen hervorbringen. Wenn solche Vorfahren (die guten Vererber)

in der Ahnentafel Ihrer Zuchthündin erscheinen, lassen sie sofort einige

Ideen für eine Linienzucht aufkommen. Sodann ist es ratsam, die

Abstammung gegenwärtig erfolgreicher Hunde zu studieren. Wenn ein

Nachkomme einer jener erfolgreichen Vererber, die Sie schon ins Auge

gefaßt haben, nun als Zuchtrüde zu einer Hündin mit ähnlicher

Abstammung wie der Ihren gepaßt hat, so ist dieser Rüde es sicherlich

wert, als möglicher Partner beachtet und geprüft zu werden. Er darf keinen

schweren Fehler, den Ihre Hündin bereits trägt, besitzen. Sicher wird dieser

Kandidat nicht perfekt sein, aber er muß etwas besonders Hervorragendes

zu bieten haben, entweder in der allgemeinen Erscheinung oder in einem

bestimmten Merkmal, welches Sie gern einführen oder verbessern

möchten."

Wenn nun ein bewährter Vererber aus der Verwandtschaft Ihrer

Hündin auch nach Beratung mit Züchter-Freunden nicht ausfindig zu

machen ist, oder wenn ein solcher genau den (vielleicht in der gesamten

Sippe häufigen) Fehler hat, den Sie gerne in Ihrer Zucht beseitigen

möchten, müssen Sie Ihre Kreise weiter ziehen, im übertragenen Sinne

hinsichtlich der Abstammung des Kandidaten, aber auch hinsichtlich der

allgemeinen Verfügbarkeit eines guten Rüden. Ein weitgereister Aussteller

ist im Vorteil, wenn er zwischen Dänemark und Italien, Österreich und

Frankreich die einflußreichen Vererber kennenlernen konnte. Warum sollte

nun (nach Erforschung der Vereinsreglemente) die Hochzeitsreise der

Hündin nicht auch so lang sein, wie die Tourneen, die zur Erlangung eines

großen Titels unternommen wurden? Sodann mag es lohnend sein, in die

Vergangenheit einzutauchen. Viele Hundefreunde ziehen sich nach einer

relativ kurzen Periode betriebsamer Publizität mit ihrem vortrefflichen

Rüden ins Private zurück und kommen aus der Mode, währenddessen

neue Sieger und Importhunde mit klangvollen Namen im Gespräch sind.

Wenn die Jahre eines Sheltie-Rüden in die zweistelligen Zahlen gehen,

kommt er womöglich erst recht in Betracht, denn nun hat man die

Möglichkeit, zu seinen vielen Qualitäten auch noch sein Befinden im Alter

positiv hinzurechnen zu können.

Die Anschaffung eines eigenen Deckrüden ist für den kleinen Züchter

eine bedenkliche Sache. Er hat die schöne Freiheit, die besten Rüden im

Lande für eine vergleichsweise geringe Gebühr benutzen zu können.

Warum sollte er dann nur zu Zuchtzwecken die Anschaffung eines eigenen

Rüden erwägen? Anders ist die Situation, wenn man die Zucht auf einer

Die Auswahl der Zuchttiere

91

breiteren Basis betreiben möchte und in einem größer angelegten

Programm seine eigenen Nachzuchtrüden oder aber einen gekauften

Rüden einsetzen möchte. Hier empfiehlt sich eine Besitzergemeinschaft mit

Freunden unter Abschluß von Zuchtrechtsverträgen oder Absprachen.

Räber hat die Vorteile solcher Verträge diskutiert und hat in seinem Brevier

auch Beispiele für den Wortlaut schriftlicher Abmachungen, die den

züchterischen Einsatz von Rüden und Hündinnen betreffen,

wiedergegeben.

Eine unserer Meinung nach vorzügliche Voraussetzung für die

Förderung eines Sheltie-Rüden, aber auch einer Hündin ist die

Partnerschaft zwischen Einzelhund-Besitzern und einem größeren Zwinger.

Sei es nun, daß Shelties auf freundschaftlicher Basis im Doppelbesitz sind,

sei es, daß der Zwinger Rechte an der Zucht mit diesen Tieren hat, oder sei

es, daß der Zwinger an der besonderen, individuellen Förderung der

eigenen Nachwuchstiere außerhalb einer Zwingermeute interessiert ist - bei

einer solchen Partnerschaft profitieren Zwinger, Einzelhund-Besitzer und

nicht zuletzt auch der Hund und die Rasse. Wir glauben, daß es eines der

Erfolgs-Geheimnisse der englischen Sheltie-Zucht ist, daß gute Tiere so oft

im Doppelbesitz bleiben oder mit einem Zuchtrechtsvertrag abgegeben

werden. Wir trafen in England eine bekannte Züchterin, die uns ihre

wunderschöne Tricolour-Hündin mit den Worten vorstellte: "Ich habe sie

von dem Zwinger Soundso bekommen und muß von den ersten drei

Würfen jeweils den besten Welpen an den Zwinger zurückgeben". Auf

unsere Frage, ob diese Bedingungen nicht zu hart wären, antwortete sie:

"Ich hätte die Hündin sonst nicht bekommen und sehen Sie selbst, was für

eine Schönheit sie ist!" Eine solche Einstellung ist vielleicht nur möglich,

wenn man Engländer ist, aber vielleicht wächst auch bei uns das

Bewußtsein dafür, daß es ein besonderes Glück ist, einen hervorragenden

Sheltie zu besitzen, ein Glück, für das es sich lohnt, einige Zugeständnisse

und Einschränkungen des Besitzrechtes hinzunehmen.

Die Wahl der Zuchthündin

Die Welt der Traum-Möglichkeiten und der Realität sind in der

Hundezucht oft weit geschieden, denn schließlich ist diese Zucht die

Verbindung von Hündinnen, die man hat, mit Rüden, die es gibt. Für den

abgeklärten Urheber dieses Ausspruches ist die Zuchthündin seine eigene

Hündin, mit der er nach kritischer Prüfung den bestmöglichen Nachwuchs

zu erzielen sucht, falls nicht seine Entscheidung gänzlich den Verzicht auf

züchterischen Einsatz bedeutet.

92

Amerikanische Shelties

Auf Seite 92 die sable merle Hündin Ch. SHADOW HILL'S SUNRISE (Bes. Jane B. Hammett,

Bunny Turner & Alice Massey), auf Seite 93 ihr blue merle Bruder Ch. SHADOW HILLS BLUE

DYNAMIC (Bes. Jane B. Hammett). Die Geschwister (geb. 1979) stammen ab von

BANCHORY REFLECTION und MACDEGA UNDER THE RAINBOW und wurden im Jahre 1980

amerikanische Champions. Aus diesem Anlaß wurden sie im Yearbook 1980 der American

Shetland Sheepdog Association mit ihrer Ahnentafel vorgestellt.

Amerikanische Shelties, so wie sie auf den Ausstellungen erscheinen, weichen im

Aussehen von Vertretern moderner englischer Zuchtlinien ab. Das liegt daran, daß andere

Zuchtlinien verwendet wurden, ein abweichender Standard entwickelt wurde und auch

an einer abweichenden Schau-Präsentation. M. Davis hat in ihrem Buch darauf

hingewiesen, wie sehr über den 1938 geborenen Nicky of Aberlour (Butcher-Boy-Linie) die

englische Zucht beeinflußt wurde, wohingegen die modernen amerikanischen

93

Shelties nahezu ausschließlich auf Chestnut-Linien gegründet sind, von denen zahlreiche

Tiere vor dem 2. Weltkrieg in die U.S.A. importiert wurden. Die Unterschiede des

amerikanischen Standards beziehen sich unter anderem auf den Ausdruck ("sweetness"

findet keine Erwähnung), Ohrenhaltung (präzisere Beschreibung: zu Dreivierteln

aufgerichtet, dann die Spitzen nach vorn geknickt), den Unterkiefer (tief), Rute (kein

Hinweis auf den tiefen Schwanzansatz, mehr Toleranz bei der Schwanzhaltung). Die

Kruppe amerikanischer Shelties ist collie-artig eckig, wie bei den altenglischen Eltham

Park Shelties, die das Ergebnis von Collie-Kreuzungen waren. Die Farbe "Sable Merle"

hindert einen Sheltie in Amerika offensichtlich nicht, zu Champion-Ehren zu gelangen.

Bei der Schau-Vorbereitung der Shelties wird von vielen Amerikanern (es gibt

professionelle Vorführer) aufwendig mit der Schere gearbeitet, die Schnurrhaare

werden entfernt, die Ohren gewissermaßen freigeschnitten, und die Behaarung an den

Mittelfüßen wird sehr lang gelassen und hochgebürstet, um den Eindruck besonderer

Stämmigkeit zu erwecken.

Die Auswahl der Zuchttiere

94

Idealerweise sei die Zuchthündin das beste Tier, das man erwerben

kann. Aber nicht alle Züchter verbinden bei Nennung der Bezeichnung

Zuchthündin eine solche hohe Vorstellung mit dem Tier. Nicht selten

werden von ihnen Ausstellungs- und Zuchthündinnen unterschieden. Ihre

wesentlichen züchterischen Entscheidungen beschränken sich auf die

Rüdenwahl und die Auslese der Welpen. Überspitzt formuliert kann diese

Haltung dazu führen, daß man gewissermaßen mit zwei Rassen züchtet, mit

schlechten Hündinnen und guten Rüden. Einen solchen Vorwurf hat einmal

d e r e n g l i s c h e H u n d e k e n n n e r T om H o r n e r g e w i s s e n

Yorkshire-Terrier-Züchtern gemacht, die notorisch mit übergroßen

Hündinnen ihre Zwergrasse züchteten.

Dieser Hinweis ist nicht ohne Bedacht gewählt, denn bei unseren

Begegnungen mit Sheltie-Züchtern haben wir gelegentlich die Erfahrung

gemacht, daß bei einer im Schau-Ring erfolglosen, aber zur Zucht

verwandten Hündin die Übergröße und besondere Derbheit nicht als

Untugend aufgefaßt wurde. Die Unterscheidung eines speziellen

"Mutterhündinnentyps" ist nach unserer Überzeugung abwegig für einen

Sheltie-Züchter. Meinungen von Schäferhundleuten, daß die "gehaltvolle"

Hündin der "schönen" beim Einsatz in der Zucht vorzuziehen ist, können

beim unkritischen Sheltie-Züchter eher problematische Folgerungen nach

sich ziehen über den Einsatz von Hündinnen, die erhebliche

Abweichungen vom Standard, vor allem in der Körpergröße, zeigen.

Vielleicht hätte der Verzicht auf die Zuchtverwendung der viel zu großen

Hündinnen in der Vergangenheit uns eher vom Größenproblem in der

Sheltie-Zucht befreit.

Nach Gregor Mendels Ergebnissen sind männliche und weibliche

Individuen als Merkmalsträger in Bezug auf das Paarungsergebnis

gleichwertig ("Reziprozitätsregel"). Hundezüchter scheinen aber eine

Neigung zu haben, den Einfluß des Rüden überzubewerten. Es gibt

Gründe, die dagegen sprechen und mehr auf das Gegenteil weisen.

Zuerst möchten wir Argumente des Schweizer Kynologen Hans Räber

zitieren, der daran erinnert, daß in den verhältnismäßig großen Eizellen das

Muttertier dem keimenden Leben spezielle Wirkstoffe und Strukturen der

Grundsubstanz der Zelle mitgeben kann, wohingegen das Vatertier mit

seinen Spermien praktisch nur das im Zellkern enthaltene Erbmaterial

überliefert. Räber schreibt, daß es beispielsweise nicht auf dasselbe

herauskommt, ob bei der Kreuzung zwischen schwarzen und

pfeffersalzfarbenen Schnauzern der Vater schwarz und die Mutter grau

oder die Mutter schwarz und der Vater grau ist. Bei der Verbindung einer

grauen Hündin mit einem schwarzen Rüden, unterscheiden sich die

mischerbigen Nachkommen durch eine unreine Farbe deutlich von den

reinerbig Schwarzen. Ist jedoch die Mutter schwarz und der Vater grau, so

fällt diese Unterscheidung außerordentlich schwer. Die Farbe der Hündin ist

Die Auswahl der Zuchttiere

95

also bei einer solchen Kreuzung von wesentlicher Bedeutung für die Farbe

der mischerbigen Nachkommen. Räber erinnert sodann an die bekannten

Pferd x Esel-Kreuzungen, wo ebenfalls der Bastard jeweils mehr der Mutter

gleicht und schließt: "Wir sollten angesichts dieser unumstößlichen

Tatsachen uns wohl überlegen, ob die heute noch durchwegs übliche

Überbewertung des Deckrüden ihre Berechtigung hat."

Auch indirekt kann das Muttertier in besonders starker Weise auf die

Nachkommenschaft einwirken. Sie ist es ja, die die Welpen erzieht und

Wesensmerkmale, wie Scheuheit, können neben erblicher Übertragung

auch nichterblich von der Mutter im Zusammenhang mit der

Wurfkisten-Umwelt weitergegeben werden, wie Aufzuchten mit Ammen

ergeben haben (vergleiche Wegner 1975, S.73).

Subjektive Gründe unterstreichen ebenfalls die überragende Rolle der

Hündin in der Zucht. Gerade die erste eigene Hündin wird unwillkürlich oft

zum Vorbild züchterischen Bemühens und es ist daher dem Anfänger

besonders zu wünschen, daß seine "Stammhündin" auch wirklich vorbildlich

ist.

Der Erwerb einer Hündin, die dazu ausersehen ist, die Säule der

eigenen Zucht zu werden, ist eine schwierige Unternehmung. Neben

ä u ße r l i c h e n Qu a l i t ä t e n s o l l t e d a s T i e r e i n e n g u t e n

Abstammungshintergrund haben, es sollte aus einer Sippe stammen, in der

sich der gleiche erwünschte Typ immer wieder reproduziert. Im Zwinger

Riverhill und und anderen bekannten englischen Zuchten, in denen die

Linienzucht gepflegt wird, ist man besonders stolz auf die Generationen

von schönen Müttern. Achten Sie bei der Auswahl Ihres Tieres auf die

Fruchtbarkeit und allgemeine Gesundheit in der Linie, der Sie sich nunmehr

anschließen möchten, ebenso wie auf gutes Wesen und auf das Aussehen

und Befinden der alten Hunde. Welchen äußeren Vorzügen einer

Zuchthündin man besondere Beachtung schenken soll, möchten wir hier

nicht beschreiben, denn es gibt unterschiedliche Prioritäten in diesen

Punkten. Dafür sollen einige mehr praktische Hinweise folgen.

Das Ziel der Wünsche sollte am besten zwischen 9 und 12 Monate alt

sein. Für eine Hündin aus mitteleuropäischer Zucht spricht, daß man leicht

alles Notwendige über den Hintergrund erfahren kann und dabei vielleicht

schon einen besonders geschätzten auf dem Kontinent lebenden

Zuchtrüden berücksichtigen kann, der als Großvater, Onkel oder Vetter der

Hündin für den Beginn einer Linienzucht in Betracht kommt. Ein Problem ist

allerdings, daß deutsche Züchter ihre Nachzucht meist schon im unsicher

zu beurteilenden Welpenalter verkaufen und man nur ausnahmsweise eine

gute Hündin im gewünschten Alter erwerben kann.

Die Auswahl der Zuchttiere

96

Ein sehr attraktiver Gedanke ist es, eine gute englische Hündin zu

erwerben, denn diese verheißt eher die Möglichkeit, an das gegenwärtige

Niveau der englischen Zucht anknüpfen zu können. Für die Verwirklichung

dieses Wunsches sind neben den Hindernissen der geographischen

Entfernung und der Sprache noch andere zu überwinden. Eine gute

Hündin i s t im Grunde unbezahlbar , und viel Geduld und

Einfühlungsvermögen sind notwendig, um das Vertrauen eines englischen

Sheltie-Züchters zu gewinnen. Erst auf dieser Basis wird er sich entschließen

können, sich von einer vielversprechenden Hündin zu trennen, die er mit

g r ö ße r em N u t z e n f ü r s e i n e e i g e n e Z u c h t mi t e i n em

Zuchtabtretungs-Vertrag (part breeding terms) an einen Landsmann

abgeben könnte. Da Züchter großen Wert auf Ausstellungserfolge ihrer

Shelties legen, wird man die Chancen vielleicht verbessern, wenn man

verspricht, die Hündin auf dem Kontinent auszustellen. Grundsätzlich sind

die Aussichten, eine Hündin in entsprechendem Alter erwerben zu können,

etwas besser als bei uns, da viele Züchter ihre vielversprechenden

weiblichen Sheltie-Welpen erst einmal aufziehen.

Eine wertvolle Hilfe bei der Auswahl des richtigen englischen Zwingers

sind die Handbücher der englischen Sheltie-Clubs. Als nächster Schritt

empfiehlt sich ein erster Kontakt mit Besitzern und Hunden der

betreffenden Zwinger anläßlich einer großen Ausstellung in England. Wer

sich für einen erwachsenen Sheltie interessiert, ist wohl gut beraten, wenn

er die berühmteste Hundeausstellung der Welt, die "Crufts" für seinen

Besuch wählt, wer jedoch nach einer Hündin im ersten Lebensjahr sucht,

muß andere Ausstellungen besuchen, da wegen der für die Crufts

notwendigen Qualifikation keine Junghunde anwesend sind.

Die Formalitäten für die Einfuhr eines Hundes aus England nach

Deutschland sind nicht ganz einfach, da Regelungen zur Abwehr von

Tollwut bedacht werden müssen. Darüber hinaus wird bei der Einreise nach

Deutschland ein von einem englischen Tierarzt ausgestelltes

Gesundheitszeugnis verlangt.

Alle anderen Formalitäten, die für die Eintragung des Sheltie in das

Zuchtbuch notwendig sind, können erledigt werden, wenn der Hund schon

in Ihrem Hause ist. Wichtig ist die Überschreibung des Besitzes und die

Ausfertigung einer speziellen Export-Ahnentafel ("Export Pedigree") durch

den englischen Kennel Club in London. In der Regel wird der Züchter des

Hundes bei diesen Formalitäten behilflich sein.

Die Auswahl der Zuchttiere

97

Spezielle Zuchtprobleme

In unseren Kapiteln über die Größenvoraussage und die

Ohrenprobleme beschreiben wir zwei Zuchtprobleme, die den

Sheltiezüchter in besonderem Maße plagen können. Immer wieder kommt

es vor, daß Riesenwuchs und Stehohren die Hoffnungen des Züchters

zunichte machen. Tröstlich ist nur, daß in diesen Fällen lediglich ästhetische

Ansprüche berührt werden, im übrigen aber problemlose Hunde ihre

Besitzer erfreuen können.

Es gibt aber auch andere Zuchtprobleme, sogar medizinisch sehr

bedenkliche, und wir möchten im Folgenden die Probleme der Scheuheit,

der Einhoder, vererbbarer Augenkrankheiten und anderer Erbkrankheiten

erörtern.

Scheuheit

Jeder kennt scheue, ängstliche Shelties, eine lange Einführung in

dieses Thema ist deshalb unnötig. Manchem berühmten Züchter haftet der

Ruf an, er hätte viele solcher scheuer Wesen gezüchtet, und in einem

Hundebuch für Anfänger lasen wir zur Rasse Sheltie als einzigen Hinweis für

Interessenten: Man hüte sich vor dem Kauf ängstlicher Shelties.

Bei den Züchtern vieler Rassehunde gibt es eine endlose Literatur und

noch mehr Gespräche über Wesensmerkmale, ihre Beurteilung (was ist

"gutes Wesen"?) und züchterische Beeinflussung, auch bei Shelties. Die

Zucht von Wesensmerkmalen ist im Grunde nicht schwerer als die von

Farbmustern, wenn man bei der Wahl der Zuchtpartner beachtet, daß es

erbliche (angeborene) und anerzogene Wesensmerkmale gibt. Jedes

erbliche Merkmal ist züchtbar, man muß nur das Zuchtziel formulieren. Bei

Shelties ist nun anzumerken, daß es eine ausführliche Beschreibung der

gewünschten Wesensmerkmale im Standard nicht gibt, und die Züchter

sehr unterschiedliche Auffassungen äußern. Der Satz aus dem Standard,

wonach der Sheltie gegenüber Fremden reserviert sei, wird manchmal in

dem Sinne ausgelegt, daß es zum typischen Sheltiewesen gehört, diese

Reserve in Form von Ängstlichkeit zu zeigen. Wir teilen diese Auffassung

nicht.

Wir mögen es, wenn ein Sheltie unsere Freunde begrüßt, und wenn er

sich in unserer Gegenwart unter Fremden gelassen verhält. Den Hauch von

Unabhängigkeit sowie die Unbestechlichkeit, auf die Mary Davis als

Wesensmerkmale von Shelties hinweist, schätzen auch wir. Außerdem

mögen wir es, wenn sie lebhaft und reizempfänglich sind, sich

unerschrocken zeigen und auf unseren Schutz verlassen. Von aggressiven

Hunden allerding halten wir gar nichts.

Die Auswahl der Zuchttiere

98

Shelties, deren Wesen unserem privaten Wunschkatalog entsprechen,

haben gelegentlich scheue Nachkommen. Mit Scheuheit meinen wir hier

nicht die Summe kleiner Unsicherheiten, die ein verständnisvoller Besitzer

eines Junghundes mühelos beseitigt, sondern das tiefgehende Mißtrauen,

das an scheue Wölfe erinnert. Glücklicherweise gibt es Besitzer, die auch

scheuen Hunden Geborgenheit geben können. Es ist die Pflicht der

Züchter, solche Besitzer für ihr Sorgenkind ausfindig zu machen, auch wenn

die Menschenkenntnis für solche Suche erst geschult werden muß.

Auf Ausstellungen findet man häufiger ruhige Shelties, die nicht stark

reizempfänglich erscheinen und in Harmonie mit ihrer aufgeregten Umwelt

leben können. Unter ihnen muß man vermutlich das Zuchtmaterial für

künftige Sheltiegenerationen suchen, die nicht mehr in einem

Hundeparadies leben dürfen.

Das Einhoderproblem

Erst nach der Geburt verlagern sich beim Hund, im Gegensatz zum

Menschen, die Hoden aus der Bauchhöhle in den Hodensack. Der

Durchtritt durch den Leistenkanal sollte am Ende des ersten

Lebensmonates abgeschlossen, der Hodensack am Ende des zweiten

erreicht sein. Mit dieser Darstellung des Normalfalles beginnt der Tierarzt

Wegner (1975) seine Erörterungen über einen Defekt, der bei den

Hunderassen insgesamt nicht selten ist (unter deutschen Rassen ist er ein

Problem bei Boxern) und bei den Shelties leider relativ häufig vorkommt,

den Kryptorchi smus . Hiermi t wi rd das Ergebnis gehemmter

Hodenverlagerung bezeichnet, wobei in nicht genauer Bezeichnung des

Sachverhaltes der Züchter meist von Monorchismus, das heißt Einhodigkeit,

redet.

Einhodige Rüden werden in Mitteleuropa nicht auf Ausstellungen

bewertet; und sie dürfen auch nicht zur Zucht verwendet werden. In

England ist man bei Kryptorchiden toleranter, wenn auch durchaus

problembewußt. Es hat aber zeitweilig auch in England schärfere

Reglemente gegeben.

Wenn beim zwei bis drei Monate alten Rüden der Tierarzt nicht beide

Hoden am richtigen Platz ertasten kann, beginnt der Besitzer sich Sorgen zu

machen. Zu Recht, denn der in der Bauchhöhle zurückgebliebene Hode

kann zu späteren Tumoren neigen. Ein baldiges Gespräch mit dem Tierarzt

über eine medizinische Behandlung des Rüden ist deswegen ratsam. Über

die spätere züchterische Verantwortung des Besitzers dieses

möglicherweise genetisch defekten Tieres muß sich der Züchter bewußt

sein.

"Der Sheltie ist ein bekanntermaßen langsam reifender Hund, und es

ist ziemlich verbreitet, daß die Rüden ihre beiden Hoden bis zu einem

Die Auswahl der Zuchttiere

99

verhältnismäßig fortgeschrittenen Alter nicht bekommen - vielleicht

zwanzig Monate oder mehr, obwohl dies selten ist. Oft gibt es Zweifel bis

der Hund mindestens sechs Monate alt ist." So beschrieb die bekannte

englische Züchterin Mary Davis (1973, Seite 65) die Verhältnisse bei unserer

Rasse.

Die Ursachen für die Einhodigkeit sind schwierig zu analysieren, und

bislang kann die Wissenschaft dem Züchter kein Patentrezept liefern, wie er

den Defekt vermeiden kann. Nichterbliche und erbliche Faktoren müssen

diskutiert werden. Wir möchten zu Beginn unserer Darstellung zwei

Meinungen zitieren, die insgesamt auch das Problem in der englischen

Sheltie-Zucht beleuchten.

Skeptisch zur Erblichkeit der Einhodigkeit äußerte sich F.M. Rogers

(1974, Seite 75) vom "Riverhill"-Zwinger in ihrem Buch. Sie beschrieb den

berühmten Ch. Helensdale Ace mit seiner von den Zeitgenossen mit viel

Lob bedachten Ausstrahlung, und nach einer langen Aufzählung

erfolgreicher Nachkommen stellte sie fest (in freier Übersetzung): "Er war ein

Einhoder, wie in der Tat sehr viele Champions in dieser Zeit. Rüden, die in

und um 1948 bis 1952 geboren wurden, schienen oft diesen Defekt zu

haben. Ich fragte mich oft, ob es wohl daher rührte, daß ihre Eltern

während des Krieges oder kurz danach geboren waren, und ob deren

Fütterung wohl irgendetwas damit zu tun habe. Neben Ace sind als

Einhoder zu nennen Ch. Orpheus of Callart, Ch. Exford Piskiegye Taw, Ch.

Viking of Melvaig, Ch. Riverhill Rikki und Ch. Francis of Merrion, neben

verschiedenen Championats-Anwärtern und anderen Rüden, die nur

wenig zur Zucht benutzt wurden. Es ist kein häufiger Fehler beim

gegenwärtigen Sheltie, so daß man sich fragt, ob er so sehr erblich ist.

Wenn der Fehler erblich wäre, würde man heute in der Rasse keinen

kompletten Rüden mehr erwarten angesichts der Anhäufung des Erbgutes

von Ace, Taw, Orpheus und Viking beim heutigen Sheltie."

Ganz anders sah es Margaret Osborne. In einem alarmierenden

Aufruf, betitelt: "Eine Situation von größter Bedenklichkeit", wies sie in der

Zeitschrift des English Shetland Sheepdog Club (Nutshell Nr. 11, 1956) auf

das Hodenproblem bei englischen Shelties hin. Sie betonte ihre

Überzeugung von der Erblichkeit der Faktoren und hämmerte ihren

Landsleuten ein, daß es die Hündinnen sind, die diesen Defekt verbreiten.

Dies ist eine ganz wesentliche und von allgemeiner Züchtermeinung

abweichende Einsicht. Dem Aufruf von Miss Osborne lag ein besonderes

Ereignis zugrunde. Am 8. September 1956 richtete sie die Shelties auf einer

großen Clubschau in Preston. Im Anschluß an das Richten liess sie alle

Rüden wieder in den Ring bringen, untersuchte sie nochmals und

verkündete den Ausstellern ihren Befund: Über die Hälfte der Rüden waren

Einhoder oder gänzlich ohne fühlbare Hoden.

Die Auswahl der Zuchttiere

100

Wie groß die Verbreitung des Kryptorchismus bei kontinentalen

Shelties ist, konnten wir nicht erfahren. Wie bereits gesagt, wird Einhodern

auf unseren Ausstellungen die Bewertung vorenthalten, und sie erscheinen

deshalb praktisch niemals in der kynologischen Öffentlichkeit im

Gegensatz zu England. Wir müssen den liberalen Engländern verbunden

sein, daß sie Namen und Zahlen nennen können.

Wenn wir die Angaben der allgemeinen kynologischen Literatur und

Informationen von Freunden auswerten, so schließen wir uns der

gegenwärtig verbreiteten Ansicht an, daß der Kryptorchismus erblich ist. So

wissen wir von einem Rüden, den sein Besitzer aus der Zucht nahm, weil er

von 18 männlichen Nachkommen 9 Einhoder brachte. Auch Hündinnen

kennen wir, die mit verschiedenen Rüden entweder Einhoder oder extrem

spät sich entwickelnde männliche Nachkommen ("Späthoder") in auffällig

großer Zahl brachten. Ob der Defekt nun dominant oder rezessiv vererbt

wird, ist schwer zu entscheiden, da ja die Hündinnen das Merkmal nicht

zeigen und die Würfe so klein sind, daß sie kaum statistisch verwertbar sind.

Der gelegentlich geäußerten Vermutung, der Kryptorchismus basiere auf

einem einzigen Rezessivgen, können wir nicht zustimmen. Der Mediziner

Hans Pfosi (1964. Hunde. Verlag Hallwag, Bern, Seite 93 ff.) wies auf die

unterschiedlichen Verspätungen beim Hodenabstieg hin und vermutete,

daß nicht nur ein Rezessivgen, sondern auch noch weitere Erbanlagen für

die Hodenabstiegsverzögerung verantwortlich gemacht werden müssen,

und daß viel leicht auch noch andere, hormonale oder

Stoffwechseleinflüsse, bei diesen Abweichungen von der Norm eine Rolle

spielen.

Wichtig ist ein Hinweis von Stöhr (1961, Seite 24): "Hier sei noch eine

interessante Züchter-Beobachtung erwähnt: Hündinnen, in deren Blutlinie

Hodenmängel vererbt wurden, zeigten stets dann normal entwickelte

männliche Nachkommen, wenn die Welpen vollständig oder teilweise mit

künstlich hergestellter Muttermilch....aufgezogen wurden." Als ein Rezept

für solche künstliche Milch empfahl Stöhr eine Mischung aus Kuhmilch,

Sahne, Fencheltee, Zucker, mit Zusatz von Futterkalk und der

Spurenstoffmischung 'Vigantol'. Wir wissen nicht, auf wieviele

Beobachtungen sich der Hinweis von Stöhr stützt. Ein Milchfaktor, den man

nach Stöhrs Angaben vermuten könnte, kann bei Shelties nicht die einzige

Ursache des Kryptorchismus sein. Es müssen auf die Welpen übertragene

Erbfaktoren zum Ernährungsfaktor hinzukommen, denn im gleichen Wurf

können normal frühentwickelte Rüdenwelpen, wo beide Hoden mit 8

Wochen im Skrotum fühlbar sind, neben Brüdern aufwachsen, die Einhoder

bleiben.

Trotz dieser Bedenken sollte man Faktoren in der Ernährung, wie

gewissen Vitaminen, bei der anstehenden Problematik besondere

Beachtung schenken. Es könnte ja sein, daß der zukünftige Einhoder mehr

Die Auswahl der Zuchttiere

101

von der Menge dieses Vitamins braucht als seine normalen Brüder und

mehr, als die Mutter ihm zuführen kann. Nachdem wir bei drei Saugwelpen

(eine für die Statistik viel zu geringe Zahl) von denen zwei Einhoder, einer

ein Späthoder wurde, in der Region des Schwanzansatzes eine

ungewöhnlich starke Hautschuppenbildung bemerkten, fällt unser

Verdacht auf einen Mangel an Biotin (auch Vitamin H genannt), da man

durch einen künstlich erzeugten Mangel dieses Vitamins bei Ratten

Kryptorchismus hervorrufen konnte, und Hautkrankheiten äußere

Kennzeichen für Biotinmangel darstellen. Nebenbei bemerkt, ist bei der

Fütterung grundsätzlich zu beachten, daß rohes Eiklar das Biotin inaktiviert.

Früher glaubte man, daß die Darmflora eine hinreichende Quelle für den

Biotinbedarf der Säugetiere darstellt, heute gibt es Zweifel daran.

Abschließend meinen wir, daß der Sheltiezüchter durch Protokollieren der

Ernährungs- und Entwicklungsverhältnisse seiner Welpen helfen kann, das

Hodenproblem zu erhellen.

[Nachtrag 2004: Von zwei englischen Züchtern erfuhren wir, daß sie

Ziegenmilch an Saugwelpen füttern. Sie bewahrten diese Milch in kleinen

Portionen tiefgefroren auf. Wir halten es für möglich, daß ein hoher

Biotingehalt von Ziegenmilch ein Grund für die Verwendung sein kann]

Erbliche Augenkrankheiten (CEA, PRA)

Die erbliche Collie-Augen-Anomalie (Collie Eye Anomaly, CEA) ist seit

den 50er Jahren als Problem in der Collie- und Sheltiezucht erkannt

worden. Sie ist ein Defekt des Augenhintergrundes, in leichteren Fällen nur

den Aderverlauf in der Schicht hinter der Retina betreffend, in anderen

Fällen zusätzlich mit einer Einsenkung in der Region des Sehnerveneintritts

auftretend, und in schweren Fällen diagnostiziert der Tierarzt eine mit

Blindheit einhergehende Blutung und Ablösung der Retina. Alle diese

Formen, die leichteren, die die Sehfähigkeit nicht beeinträchtigen sollen,

wie die schwere Form des Defekts werden als Ergebnis der Wirkung eines

einzelnen rezessiven Gens gesehen. Nach unseren Kenntnissen haben viele

Shelties eine vom speziell geschulten Veterinär diagnostizierbare

Abweichung vom Normalzustand, wenn auch Blindheit bei Shelties

offenbar sehr selten ist. Individuen, deren Erbgut durch viele Würfe

nachgewiesenermaßen vom Defekt frei ist, waren früher selten. Es wird

empfohlen, Welpen im Alter von 8 Wochen von einem Spezialisten

untersuchen zu lassen; im späteren Alter wird die defekte Anlage

manchmal verschleiert. Die Rassezuchtverbände haben besondere

Formulare zur Beschreibung des Augenzustandes. Viele ernsthafte Züchter

stellen ihre Zuchtplanungen anhand solcher Formulare auf.

Im Gegensatz zur CEA, deren Effekte nicht mit zunehmendem Alter

zunehmen, läßt die Sehfähigkeit bei einem anderen Erbleiden, der

Progressiven Retina-Atrophie (PRA) rasch mit dem Alter nach.

Glücklicherweise hat man die Ausbreitung dieses Defektes frühzeitig durch

Die Auswahl der Zuchttiere

102

Zuchtwahl einschränken können.

Ein gesunder Sheltie kann auch im hohen Alter vorzüglich weit

entfernte kleine Details wahrnehmen. Wir finden deshalb, daß er sich

besonders gut in der optisch bestimmten Menschenwelt orientieren kann

und würden schon deswegen die Augenprobleme sehr ernst nehmen.

Hüftgelenksdysplasie (HD)

Das Erscheinungsbild dieser Krankheit ist sicher vielen Hundefreunden

bekannt. Mühsam, an den Hinterbeinen lahmend, manchmal sichtlich

schmerzvoll, schleppen sich die befallenen Tiere dahin. Bei vielen Rassen ist

die HD bekannt. Sie ist in einer nicht genau bekannten Weise erblich

bedingt, die erbliche Anlage wird aber stark durch Umwelteinflüsse, wie

Aufzuchtbedingungen, insbesondere durch die Ernährung, in ihrer Wirkung

gemildert oder verstärkt. Wilhelm Brass (in der Zeitschrift "Unser

Dobermann", Heft 7, 1987) hat eine gute Darstellung des Problems

gegeben. Danach ist die Dysplasie eine Entwicklungsstörung, die sich im

Verlauf des Wachstums ausprägt, wenn die das Körpergewicht tragende

Funktion des Hüftgelenks gestört ist. Die Gelenkstabilität ist unzureichend. Es

mangelt an der straffen Verbindung zwischen der Gelenkpfanne und dem

Oberschenkelkopf. Es entsteht eine Arthrose als verhängnisvolle Folge der

HD, die erhebliche Schmerzen und Funktionsstörungen verursachen kann.

Die klinischen Störungen werden - manchmal früher, manchmal später -

durch Beschwerden beim Aufstehen und vor allem bei der Bewegung in

Schritt und Trab auffällig.

Du r c h an au s gewac h s e n e n T i e r e n v o r ge n omme n e

Röntgenaufnahmen, deren Auswertung eine spezielle tierärztliche

Ausbildung erfordert, und eine auf dem Grad der festgestellten HD

basierende Zuchtwahl versucht man eine Verminderung der Zahl der

Erkrankungen zu erreichen. Stark anormale Fälle werden von der Zucht

ausgeschlossen. Die meisten Shelties scheinen frei von beschwerlicher HD

zu sein. Es sind uns aber vereinzelt Fälle von schwerer HD bei Shelties

bekannt geworden, so daß wir raten, problembewußt zu sein.

Weitere Erbkrankheiten

Über weitere Erbkrankheiten, z. B. erbliche Epilepsie, informiert das

Buch "Sheltie Talk" von McKinney & Rieseberg. - Ein bei älteren Shelties

auffälliger, mit Würgelauten verbundener Husten, der oft bei Aufregung zu

hören ist, ist offenbar auf eine Herzerkrankung zurückzuführen

(Atrioventrikularinsuffizienz, mangelnder Verschluß der Vorhof-

Kammerklappen). Skrodzki & Trautvetter (1990, Unser Rassehund Heft 10,

Seite 70; Heft 11, Seite 66-67) haben Ursachen und Symptome eingehend

beschrieben. Bei diesem Husten wird nicht selten weißlicher Schleim

herausgewürgt. Mit zunehmendem Alter steigt die Häufigkeit der

Erkrankung nach dem Bericht von Skrodzki & Trautvetter an. Eine erbliche

Die Auswahl der Zuchttiere

103

Veranlagung wird für wahrscheinlich gehalten.

[Nachtrag 2004: Nach unserer Erfahrung ist der sogenannte

"Herzhusten" bei älteren Shelties nicht selten. Er kann mit Medikamenten

glücklicherweise behandelt werden. Zum Herzhusten wünschten wir uns

eine of fene Di s kus s ion unter den S hel t ie- Z ü c h ter n und

Zuchtrüden-Besitzern]

Die sogenannte Kniescheibenluxation, bei der die Kniescheibe

gelegentlich aus ihrer normalen Lagerung rutscht und den Hund hinken

läßt, ließ manchmal den Verdacht der Erblichkeit aufkommen. Nähere

Hinweise hierzu sind uns aber nicht bekannt.

104

10 Zucht-Praxis

Vorbereitungen für die Zucht

Wenn man daran denkt, Rassehunde zu züchten, dann ist ein

"Zwinger-Buch" eine gute Anschaffung. Schon vor Beginn der praktischen

Zucht kann man hier alle theoretischen und praktischen Erfahrungen (auch

die anderer Züchter) eintragen und für die Zukunft festhalten. Am

wichtigsten sind natürlich die eigenen Shelties, bei denen man alles notiert,

was sich als Zahl oder Maß ausdrücken läßt, und anderes, zum Beispiel die

Entwicklung von Welpen oder in Betracht kommende Zuchtrüden, in

Photos und Beschreibungen festhält. Ein solches Buch wird über die Jahre

zu einem wertvollen Schatz, der nicht nur Erinnerungen wachruft, sondern

in dem man schließlich auch Regeln und Gesetze für die eigene

Sheltie-Zucht erkennen kann. Zunächst werden sich die ersten Seiten des

Zwinger-Buches mit der Stammutter der zukünftigen Sheltie-Zucht befassen:

Alle wichtigen Daten und Ereignisse wie Gewicht, Größe, Impfungen,

Entwurmungen, Krankhei ten, Zahnwechsel , Haarwechsel ,

Ausstellungs-Ergebnisse und natürlich Termine und Verlauf der Hitzen

werden notiert und Photos ihrer Entwicklungsphasen beigefügt.

In welchem Alter Ihre Hündin einem Rüden zugeführt werden soll,

hängt davon ab, wann die Hündin wirklich erwachsen ist. Dies zu

beurteilen fällt dem Einzelhundbesitzer nicht leicht, denn er hat kaum

Möglichkeiten des Vergleiches mit gleichaltrigen Sheltie-Hündinnen. Hier ist

es wichtig, während der Phase der Deckrüden-Suche Vergleiche auf

Ausstellungen und in Zwingern anzustellen und den Rat Kenner der Rasse

einzuholen. Das Risiko, eine Junghündin durch einen zu frühen Wurf zu

überfordern, ist relativ groß: wenn man bedenkt, daß Sheltie-Welpen bei

der Geburt im Mittel 200 Gramm wiegen und damit oft gleich schwer sind

wie Collie-Welpen, so kann ein Fünfer-Wurf mitsamt der Embryonalhüllen

bei einer idealgroßen Sheltie-Hündin ein Fünftel des Körpergewichtes

betragen. Eher noch mehr wird dieser Sheltie-Hündin in der Säugezeit

Zucht-Praxis

105

abverlangt: Aus den Gewichtszunahmen der Welpen in der 3.

Lebenswoche kann man errechnen, daß die Hündin täglich fast einen

halben Liter Hundemilch gibt (für 1 Gramm Körperzuwachs des

Saugwelpen sind 2,5 Gramm Milch notwendig, nach H. Meyer in

"Schweizer Hundesport" Nr. 2 von 1981). Setzt man diese Menge in Relation

zum Körpergewicht der Hündin und vergleicht mit den Werten einer

Hochleistungs-Milchkuh (Gewicht 700 kg, tägliche Milchmenge ca. 20 Liter)

so ergibt sich, daß die Sheltie-Hündin bezogen auf das Körpergewicht

etwa doppelt soviel Milch produziert wie die Kuh! Noch größer wird die

Leistung der Hündin, wenn man bedenkt, daß ihre Milch etwa doppelt so

gehaltvoll an Eiweiß und Fett ist.

Im allgemeinen erreichen Sheltie-Hündinnen mit etwa 18 Monaten

ihre erste Blüte im erwachsenen Haarkleid; dies ist der Zeitpunkt, zu dem

man einen Wurf erwägen kann. Wenn dann feststeht, daß bei der

nächsten Gelegenheit ein Zuchtrüde aufgesucht werden soll, so muß die

noch verbleibende Zeit zu einigen Vorbereitungen genutzt werden.

Als erstes die Formalitäten: Damit die Welpen später legale

Rassehunde werden, muß die Hündin zur Zucht zugelassen (angekört)

werden. Der beste und einfachste Weg ist, die Hündin in ihrem schönsten

Jugendkleid (zwischen 9 und 12 Monaten) auszustellen und bei gutem

Abschneiden sofort auf der Ausstellung einem Körmeister vorzustellen. Im

Alter von etwa 12 Monaten werfen fast alle Junghündinnen ihr Haarkleid

dramatisch ab, so daß sie monatelang keinem Ausstellungsrichter oder

Körmeister gezeigt werden können.

Die Vorbereitung der Hündin auf die Zucht beginnt mit einem

Entwurmen gegen Spulwürmer nach dem Abklingen der letzten Läufigkeit;

gleichzeitig wird bei der Hündin eine gründliche "Unterwäsche"

durchgeführt. Dies ist eine Prozedur, die wir jedem Hündinnen-Besitzer nach

Läufigkeiten empfehlen, ob er nun züchten möchte oder nicht. Weiterhin

wird das Gewicht der Hündin kritisch überprüft: sie darf nicht mager sein,

keinesfalls darf sie zu dick sein. Für die Gewichtskontrolle empfiehlt sich

eine 12-kg-Küchenwaage, auf der mit Hilfe eines entsprechend großen

Kartons gewogen wird. Eine idealgroße Sheltie-Hündin (Schulterhöhe 35,5

cm) ist etwa 7 Kilogramm schwer. Eine eventuell notwendige Reduktion

des Gewichts wird erreicht durch genau dosiertes, jedoch hochwertiges

Futter.

Als weitere Vorbereitung empfiehlt sich ein Besuch beim Tierarzt: guter

Kontakt mit einem kenntnisreichen Kleintierarzt ist eine Voraussetzung für

erfolgreiche Hundezucht. Man sollte dem Haus-Tierarzt die Zuchtabsichten

mitteilen und um eine Voruntersuchung der Hündin bitten. Alle im

nächsten Halbjahr fälligen Impfungen werden jetzt erneuert, um über die

gebildeten Antikörper auch die Welpen zu schützen. Schließlich ist mit dem

Zucht-Praxis

106

Tierarzt noch abzusprechen, ob und wann ein Besuch mit der läufigen

Hündin unmittelbar vor dem Decktermin notwendig ist; dies ist besonders

wichtig, wenn eine längere Reise zum Deckrüden beabsichtigt wird.

Ein weiterer Teil der Vorbereitungen betrifft den gewünschten

Zuchtrüden. Wenn die allgemeinen Überlegungen zur Wahl des

Zuchtpartners abgeschlossen sind, ist es gut, frühzeitig Erkundigungen über

den Rüden und seinen Besitzer einzuziehen, wobei es eine einfache Regel

gibt: Je unerfahrener Sie und Ihre Hündin sind, um so erfahrener sollte der

Auserwählte und dessen Besitzer sein. Allzu leicht verliebt man sich als

Erst-Züchter in einen schönen Ausstellungs-Rüden, und die Enttäuschung ist

dann groß, wenn nach einer langen Reise statt einer Paarung nur ein

Spielchen zwischen den beiden stattfindet; unerfahrenes und

ungeduldiges Eingreifen kann dazu führen, daß beide Shelties nie wieder

etwas von Zucht hören wollen. Aber auch dem zuverlässigsten aller

Zuchtrüden muß man als Hündinnen-Besitzer zugestehen, daß er sich

gelegentlich anders entscheidet - versäumen Sie daher nicht, sich auch

über einen Ersatz-Rüden Gedanken zu machen. Monatelange

Überlegungen werden zunichte, wenn man unter zeitlichem und

psychischem Druck die Hündin einem Rüden zuführt, den man eigentlich

ganz und gar nicht wollte.

Damit sind alle Vorbereitungen getroffen. Wenn Sie einmal

wöchentlich vor der Hauptmahlzeit das Gewicht der Hündin notieren und

sie in den letzten Wochen vor der Läufigkeit ungefähr gewichtskonstant

bleibt, dann können Sie später unseren "Trächtigkeitsnachweis mit der

Waage" versuchen (siehe weiter unten).

Läufigkeit, Paarung und Trächtigkeit

Erste Anzeichen der bevorstehenden Hitze kann der aufmerksame

Besitzer schon einige Zeit vorher wahrnehmen: geringfügige

Wesensveränderungen, wie besondere Anhänglichkeit, geringere Spieloder

Freßlust. Die Hündin verbreitet die Kunde von der bevorstehenden

Hitze durch häufigeres Harnabsetzen an Markierungspunkten, die sonst von

Rüden benutzt werden. In dieser Zeit vor der eigentlichen Läufigkeit

beginnt der Hormon-Spiegel (insbesondere Östrogen) im Organismus der

Hündin anzusteigen; dies ist der Beginn einer Abfolge von äußeren und

inneren Vorgängen, bei denen es auf das fehlerfreie Ineinandergreifen der

Wirkung von vier verschiedenen Hormonen ankommt. Für den Besitzer

einer Sheltie-Hündin, der bei der geringen Dichte von guten Zuchtrüden

auf dem europäischen Kontinent fast immer eine längere Deckreise

unternehmen muß, kommt es zunächst darauf an, den ersten Tag der

Läufigkeit zu erkennen, das ist der Tag, an dem die Hündin einen

Zucht-Praxis

107

blutig-roten Scheiden-Ausfluß zeigt. Schon einige Tage davor beginnt die

Hündin, sich vermehrt zu lecken. Nun heißt es, nach Spaziergängen

nachzusehen, um die erste Rotfärbung zu erkennen.

Bei fast allen Hündinnen sind die äußeren Geschlechtsorgane

während der Hitze angeschwollen und gerötet, manchmal aber fehlen

diese Anzeichen fast völlig. Solche Hündinnen können sich Rüden

gegenüber ziemlich passiv verhalten, was im täglichen Leben durchaus

von Vorteil ist. Soll die Hündin jedoch zur Zucht verwandt werden -

wogegen nicht s einzuwenden i s t , denn Fruchtbarkei t und

Muttereigenschaften der Hündin sind unabhängig von ihrer sexuellen

Aktivität - so sollte man in den ersten Tagen der Läufigkeit einen Tierarzt

konsultieren, der durch eine Spritze die Intensität der Hitze und damit die

Attraktivität von Hündin und Rüde verstärken kann.

In der Literatur gilt der 12. Tag der Läufigkeit als der am meisten

erfolgversprechende Decktag. Diesen Tag sol l ten Sie dem

Deckrüden-Besitzer sofort nach Einsetzen der Hitze als Anreisetag mitteilen.

"Jungfrauen" sind häufig erst zwei Tage später bereit. Vorerst beobachten

Sie das Verhalten Ihrer Hündin; Kontakte mit Rüden brauchen zunächst

nicht unterbunden werden. Wenn die Hündin jedoch fiept, sobald ein

Rüde in Sicht ist und beide Hunde beginnen, sich an Hals, Wangen und

Ohren zu beschnüffeln und zu stupsen, dann wird es ernst. Zeigt die Hündin

dazu noch den Schwanzreflex (Stehenbleiben und seitliches Wegbiegen

des Schwanzes), so muß alles weitere Flirten sofort unterbunden werden.

Den Schwanzreflex kann man bei den meisten Hündinnen auch durch

Auflegen der Hand auf die Kruppe auslösen. Die Schwellung der Vulva

geht jetzt zurück und der Ausfluß ist nicht mehr dunkelrot, sondern wässrig

hellrot.

Wenn man eine Hündin und einen Rüden gemeinsam im Hause hält,

so kann man beobachten, daß der Umschlag von der Vorbrunst (Proöstrus)

zur Hochbrunst (Östrus) bei der Hündin sehr abrupt auftritt: Am Abend

tyrannisierte die Hündin den Rüden noch mit heftigen Attacken, um sich

am nächsten Morgen in Deckbereitschaft vor dem verdutzten Rüden

aufzubauen. Dieses "Stehen" der Hündin gegenüber dem Rüden dauert

etwa 10 Tage an, wobei die Hündin dem Rüden ihr Hinterteil zuwendet und

durch bewegungsloses Stehen und seitliches Wegdrehen des Schwanzes

die Begattung ermöglicht. Ausgelöst wird diese wichtige Phase der

Läufigkeit im Organismus der Hündin durch ein sprunghaftes Maximum des

Geschlechtshormons Östrogen, wodurch nicht nur das Duldungs-Verhalten

ausgelöst wird, sondern auch der Prozeß der endgültigen Reifung der

Eizellen. Ein Tag nach dem Östrogen-Maximum folgt eine weitere

Hormon-Ausschüttung (Gelbkörper- oder Luteinisierungs-Hormon,

abgekürzt LH-Hormon), was für die in den Ovarien (Eierstöcken)

herangereiften Follikel-Bläschen der Befehl ist: Fertigmachen zum Platzen!

Zucht-Praxis

108

Zwei Tage später geschieht dieses Platzen, das man als Eisprung,

Follikelsprung oder Ovulation bezeichnet. Jeder Follikel entläßt eine Eizelle,

die von einem Trichter der Eileiter aufgefangen und weitergeleitet wird.

Befruchtungsfähig werden die Eizellen allerdings nicht zum Zeitpunkt der

Ovulation, sondern erst 2 bis 3 Tage später nach einer Reifeperiode.

Dies bedeutet in anderen Worten (entnommen aus McKinney &

Rieseberg, S.132), daß:

"die Ovulation noch nicht stattgefunden hat, wenn die Hündin erstmals

steht. Meist findet die Ovulation etwa 3 Tage nach Beginn des Stehens statt,

wobei alle Follikel ihre Eizellen gleichzeitig ausstoßen. Die Eizellen sind zum

Zeitpunkt der Ovulation nicht reif und erreichen die befruchtungsfähige Reife

erst etwa 3 Tage später".

Für die Praxis haben wir jetzt gelernt, daß die Hündin zwar schon am

10. oder 11. Tag der Läufigkeit den Rüden akzeptieren kann, daß aber erst

etwa 6 Tage später befruchtungsfähige Eizellen vorhanden sind. Diese

Erkenntnisse amerikanischer Forscher weichen insofern von früheren

Beschreibungen des Geschlechtszyklus' der Hündin ab, als man früher

annahm, daß der Beginn des Stehens und die Ovulation zeitlich

zusammenfallen, und daß der Ovulationsprozeß sich über mehrere Tage

erstreckt.

Daß trotz des großen Zeitabstandes von etwa 6 Tagen zwischen dem

ersten Annehmen des Rüden und der Befruchtung der Eizellen ein

einmaliges Decken meist erfolgreich ist, liegt an der Lebensfähigkeit der

Spermien, die bis zu 8 Tagen betragen kann. Der Mechanismus des

"Hängens" der Geschlechtspartner während der Paarung bei Hunden

erscheint in diesem Zusammenhang zweckmäßig, denn es kommt ja

darauf an, daß nicht nur einige wenige Spermien bis zu den Eileitern

vordringen, sondern möglichst viele, damit auch nach Tagen noch immer

genügend davon am Leben sind, um die gereiften Eizellen zu befruchten.

Deren befruchtungsfähige Zeitspanne ist relativ kurz, man nimmt etwa 24

Stunden an.

Aus dem eben Dargestellten sollte man nicht den Schluß ziehen, daß

man sich ruhig bis zum nächsten Wochenende Zeit lassen kann, wenn man

bemerkt, daß die Hündin "steht" - Tiere sind keine Automaten, und es gibt

Schwankungen von einer Hündin zur anderen und von einer Hitze zur

anderen. Was man daraus ableiten kann, ist, daß man als ungeduldiger

Besitzer einer Junghündin häufig zu früh anreist und daher Zeit und Geduld

mitbringen muß. Die Bestimmung des Deckzeitpunktes durch den Tierarzt

kann eine Hilfe sein, aber keine Garantie: sowohl der Glucose-Test wie

auch die Feststellung der verhornten Zellen in der Vagina der Hündin

gelten als relativ unsicher. Eine sichere Methode soll die Bestimmung des

Zucht-Praxis

109

Progesteron-Spiegels sein (gehört auf der Internationalen Collie-Konferenz

in Helsingør, Juni 1989) - sprechen Sie darüber mit Ihrem Tierarzt.

Wie schon oben gesagt, gilt der 12. Tag der Hitze allgemein als

erfolgversprechender Decktag ("Jungfrauen" 1 bis 2 Tage später). Wenn

die Hündin den Rüden jedoch schon früher angenommen hat, etwa am 9.

oder 10. Tag, so muß unbedingt ein Nachdecken 2 Tage später erfolgen.

McKinney & Rieseberg empfehlen in solchen Fällen ein Nachdecken erst

nach 4 (!) Tagen, weil dann unmittelbar bei Eintritt der Eireife lebensfähige

Samenzellen vorhanden seien. Diese Empfehlung steht im Widerspruch zu

älteren Ansichten, wonach man annahm, daß bei einem solch großen

zeitlichen Abstand zweier Deckakte verschieden alte Welpen entstehen

könnten. Da jedoch alle Eizellen gleich alt sind, ist dies unmöglich; die

Geburt unterschiedlich entwickelter Welpen ist wohl auf eine

unterschiedliche Ernährung in der Gebärmutter zurückzuführen. Würfe mit

Welpen von verschiedenen Vätern entstehen, wenn zum Zeitpunkt der

Eireifung Sperma von verschiedenen Rüden in den Eileitern vorhanden ist.

Nun aber wieder zur Praxis: Wenn Sie gewohnt sind, Ihre in der Familie

lebende Sheltie-Hündin auch während der Läufigkeit sehr sauber zu halten,

so müssen sie diesmal eine Ausnahme machen, wenn die Hündin für einen

Rüden reizvoll duften soll. Bei Ihrer Deckreise müssen Sie sich auf

mindestens eine Übernachtung einrichten; die Hündin bekommt am

Reisetag und am vorgesehenen Decktag nur wenig Futter und in

regelmäßigen Abständen Gelegenheit zum freien Laufen und zur

Entleerung von Darm und Blase - dies ist besonders wichtig unmittelbar vor

dem Besuch des Rüden.

Für den Erfolg des Treffens ist es am besten, sich ganz in die Hände

des Rüden-Besitzers zu begeben und dessen Anweisungen zu befolgen,

auch wenn einem dabei nicht ganz wohl ist. Versuchen Sie auch dann Ihre

gute Laune zu behalten, wenn der Besitzer des Rüden darauf besteht, die

hübsche "Hose" Ihrer Hündin abzuschneiden! Ihnen wird vor allem die Rolle

zukommen, die Hündin in freudiger Stimmung zu halten, sie zu beruhigen

und ihren Kopf wirklich fest zu halten: eine Hand am Leder-Halsband und

die andere in Bereitschaft, um plötzliches Drehen oder Schnappen zu

verhindern. Kommt der Deckakt nach etwa einer halben Stunde nicht

zustande, so sollte man die beiden unbedingt einige Stunden oder bis zum

nächsten Tag trennen.

Als unbefangener Hündinnen-Besitzer wundert man sich manchmal,

was alles bedacht und getan werden muß, um einen Zuchtrüden zu

veranlassen, seine Aufgabe zu tun. Andererseits scheint es uns eher normal,

daß Sheltie-Rüden auch in diesem Punkt ihre Sheltie-Natur nicht

verleugnen; gerade stark an ihre Besitzer gebundene Rüden sind

manchmal an der neuen Karriere nicht sonderlich interessiert. Rüden

Zucht-Praxis

110

können trotzdem ein hohes Maß an Zuverlässigkeit erreichen, wenn sie von

Jugend an behutsam an eine bestimmte Umgebung und Prozedur

gewöhnt werden. Von dem legendären amer i kani schen

Sheltie-Zuchtrüden, dem Champion "Halstors Peter Pumpkin" (geboren

19 6 5 ) , der es auf die unglaubl iche Zahl von etwa 150

Champion-Nachkommen gebracht hat, berichtet sein Besitzer, daß er

niemals eine Hündin selbständig gedeckt hat, daß er aber überaus

zuverlässig deckte, wenn sein Besitzer ihm beistand (aus der

amerikanischen Zeitschrift "The Working Dog", März/April 1977). Es erscheint

uns wichtig, daß man sich auch als Hündinnen-Besitzer mit diesem

Problem-Kreis vertraut macht und empfehlen die entsprechenden Kapitel

in McKinney & Rieseberg (Sheltie-Talk) und in Hilary Harmar (1974: Dogs

and how to breed them. London, Verlag John Gifford).

Ein erfolgreicher Deckakt zeigt sich bei Hunden durch das schon

erwähnte "Hängen" an; auch ohne Hängen kann eine Befruchtung

stattfinden, aber der Besitzer der Hündin wird hiervon schwer zu

überzeugen sein, es sei denn, der Rüde ist dafür bekannt, daß er nicht

"knotet". Schwellkörper beim Rüden wie auch bei der Hündin verhindern

normalerweise das Sich-Trennen der Partner, und die beiden stehen

während dieser Zeit (5 Minuten bis 1 Stunde, meist 10-15 Minuten)

nebeneinander oder Schwanz an Schwanz, nachdem der Rüde vorsichtig

mit einem Hinterbein über den Rücken der Hündin gedreht wurde. Oft ist

es für die Beteiligten angenehmer, wenn der Rüde nicht gedreht wird,

sondern beide Tiere von den Besitzern in der Ausgangsposition bis zum

Ende des Hängens gehalten werden. Es ist Sorge zu tragen, daß die

beiden keine heftigen Bewegungen machen oder sich hinsetzen - dies gilt

übrigens auch, wenn man seine Sheltie-Hündin einmal bei einem Fehltritt

überraschen sollte (der sich im Gegensatz zur Wunsch-Paarung in wenigen

Sekunden abspielt). Nach einem solchen Mißgeschick sucht man den

Tierarzt auf und diskutiert mit ihm die Lage; bei einer wertvollen

Zuchthündin ist es vielleicht das geringere Risiko, die Jungen austragen zu

lassen, denn ein Eingriff in den Hormon-Haushalt der Hündin birgt die

Gefahr späterer Unfruchtbarkeit in sich.

Nach der Wunsch-Paarung dagegen hält man die Hündin für einige

Zeit ruhig und läßt sie dann am besten schlafen, während man mit dem

Rüden-Besitzer zum gemütlichen Teil übergeht, wozu auch das Bezahlen

der Deckgebühr und das Entgegennehmen des entsprechenden

Dokumentes ("Deckschein") für die spätere Zuchtbuch-Eintragung der

Welpen gehört. Wenn es sich um einen Zuchtrüden im Ausland handelt,

empfiehlt es sich, vorher eine Bestätigung einzuholen, daß dieser Rüde

vom deutschen Klub als Zuchttier anerkannt wird.

In den folgenden 10 Tagen muß die Hündin weiterhin von Rüden

ferngehalten werden; man nimmt wieder die normale Fütterung und die

Zucht-Praxis

111

wöchentliche Gewichtskontrolle auf. Schon jetzt kann man üben, die

Hündin mit dem "Trächtigkeits-Griff" hochzunehmen, den wir aus dem Buch

der Schwestern Herbert gelernt haben: Man greift mit der einen Hand von

vorn zwischen die Vorderbeine, so daß man das Brustbein fest in der Hand

hat; mit dem anderen Arm umfaßt man den Hinterkörper der Hündin so,

daß sie auf Unterarm und Armbeuge aufsitzt und die Hand auf der

körperabgewandten Seite den Oberschenkel umfaßt - so entlastet man

Bauch und Hinterkörper der Hündin beim Tragen.

In den ersten drei Wochen geschieht äußerlich bei der Hündin nichts,

erst dann kann man Wesensveränderungen wie wechselnden Appetit,

Schlafbedürfnis und insgesamt etwas veränderte Gewohnheiten

bemerken. Im Inneren der Hündin vollzieht sich bis dahin Folgendes: die

befruchteten Eizellen sind aus den Eileitern in die Gebärmutter gewandert,

wobei die Embryonalentwicklung begonnen hat. Durch das

Trächtigkeits-Hormon der Eierstöcke (Gelbkörper-Hormon) bereitet sich die

Gebärmutter (Uterus) auf die Einnistung der mikroskopisch kleinen

Embryonen vor, was erst etwa 16 Tage nach dem Deckakt geschieht.

Die Phase der Einnistung der Embryonen in die Gebärmutterwand ist

kritisch, denn zu diesem Zeitpunkt findet ein Stafettenwechsel zwischen 2

Trächtigkeitshormonen statt. Die Eierstöcke, beziehungsweise deren

Gelbkörper beenden ihre Hormonproduktion, die nun von den sich

bildenden Plazenten (Mutterkuchen) übernommen wird. Wenn dieser

Übergang nicht richtig funktioniert, kommt es zum Absterben der Foeten

und zu deren Resorption. Manchmal ist dieses traurige Ereignis an einem

bräunlichen Ausfluß zu erkennen - bei solchen Hündinnen braucht man die

Hilfe des Tierarztes, wenn sie bei der nächsten Hitze wieder gedeckt

werden sollen.

Die eingenisteten Embryonen sind nach drei Wochen noch winzig (0,5

bis 1 cm: nach Niemand, 1974), beginnen dann aber - ernährt von den

inzwischen ausgebildeten ringförmigen Plazenten - schneller zu wachsen,

wobei sich gleichzeitg ihre Embryonalhüllen mit Flüssigkeit füllen. Diese

plötzliche, sprunghafte Volumensvergrößerung kann man (bei konstanter

Fütterung) als Anstieg im Gewicht der Hündin zwischen dem 28. und 35.

Tag der Trächtigkeit erkennen (vgl. die Abbildung). In dem von uns

dargestellten Beispiel nimmt die Hündin in den ersten 4 Wochen insgesamt

nur 150 Gramm zu (mehrfach haben wir in dieser Phase sogar eine

Gewichts-Abnahme bei trächtigen Hündinnen beobachtet!). Zwischen

dem 28. und 35. Tag steigt das Gewicht dagegen um fast 300 Gramm, was

bei den vorausgesetzten konstanten Bedingungen nur einen Schluß zuläßt:

die Hündin ist trächtig! Die Gewichtszunahme, die sich in dem

abgebildeten Fall auf einen späteren Fünfer-Wurf bezieht, braucht

natürlich nicht notwendigerweise 300 Gramm zu sein, aber es muß sich auf

jeden Fall ein deutlicher Anstieg der Gewichtskurve zeigen.

Zucht-Praxis

112

Eine Hündin im besten Alter: die vierjährige Ch. STORNAWAY SALLY BROWN, geb. 1988.

Trächtigkeits-Nachweise sind bei der Hündin schwierig, denn die

Hormonkurven verlaufen bei ihr immer gleich, unabhängig davon ob sie

trächtig ist oder nicht. Dies ist auch der Grund, weswegen häufig

Scheinträchtigkeit und später Schein-Brutpflege bei Hündinnen

vorkommen. Erfahrene Tierärzte können bei einer schlanken Hündin

zwischen dem 28. und 35. Tag die Foeten fühlen, andere lehnen das

Abtasten jedoch ab, weil es nicht ungefährlich für die noch nicht fest

verankerten Embryonen ist. Größere Tierarzt-Praxen haben moderne

Ultraschall-Geräte wie in der Humanmedizin, die ein großer Fortschritt bei

der Überwachung der Trächtigkeit sind (ab 21. Tag).

Ein nach unserer Meinung sicheres Trächtigkeits-Zeichen tritt nach

etwa 5 Wochen auf: Ein zäh-glasiger, farbloser, an Eiklar erinnernder

Ausfluß aus der Vulva, der bis zur Geburt der Welpen andauert und von

anderen Hunden interessiert registriert wird. Jetzt beginnen sich auch die

Zitzen leicht zu röten, oft umgeben von einem bläulichen Ring an der Basis.

Aus der Gewichts-Kurve der trächtigen Hündin kann man auch

erkennen, daß es nicht nötig ist, die Futterration der Hündin gleich nach

dem Decken zu erhöhen: In den ersten 4 Wochen muß nur etwa ein

Zehntel des Gewichtes des späteren Wurfes gebildet werden. Wichtig ist

Zucht-Praxis

113

Trächtigkeits-Gewichts-Kurve einer Sheltie-Hündin

im Verlauf der Trächtigkeit bei 5 Welpen mit einem gemeinsamen Geburtsgewicht von 870

Gramm. In den ersten 4 Wochen gibt es kaum eine Gewichtszunahme (manchmal wurde

sogar eine leichte Abnahme beobachtet). Zwischen dem 28. und dem 35. Tag der

Trächtigkeit kann ein Anstieg beobachtet werden - erst dann sollte mit der Zufütterung

begonnen werden. In den letzten beiden Wochen der Trächtigkeit ist der Anstieg des

Gewichts wieder geringer (weitere Erläuterungen im Text).

aber, daß von Anfang an ein Futter von hoher Qualität gefüttert wird,

wobei man das gewohnte Futter abwechselnd mit einem Eigelb, etwas

Quark, gekochtem Fleisch oder Fisch aufwerten kann. Der Mineralstoffund

Vitaminbedarf wird unter Berücksichtigung der anderen Futtermittel

noch einmal für das normale Gewicht der Hündin berechnet und

regelmäßig in Tablettenform gegeben oder als Pulver dem Futter

beigemischt.

Wenn die Trächtigkeit nach 5 Wochen feststeht, erhöht man die

Menge des Futters auf das 1 1/2 fache, indem man zweimal täglich füttert.

Den beiden Mahl zei ten kann man jet z t je einen Teelöf fel

Welpen-Milchpulver untermischen, das eine harmonische Mischung vieler

wichtiger Nährstoffe darstellt. Häufiger als sonst muß die Hündin nun auch

Darm und Blase entleeren; es ist nun angezeigt, die Hündin an einem Ort

schlafen zu lassen, wo man sie auch nachts hört und bei Bedarf

hinauslassen kann.

Zwischen 5 und 7 Wochen Trächtigkeit steigt das Gewicht der Hündin

steil an und macht ihr äußeres Erscheinungsbild ziemlich rundlich. Die

Spaz iergänge werden jet z t kür zer und häuf iger , längeres

Zucht-Praxis

114

An-der-Leine-Gehen, häufiges Springen und Treppensteigen müssen

vermieden werden. Die Hündin genießt es, wenn man ihren Zustand

teilnahmsvoll würdigt, indem man Bauch, Zitzen und Innenseiten der

Hinterschenkel gelegentlich inspiziert und durch Hand-Auflegen die

Bewegungen der Welpen (ab etwa 50. Tag) fühlt. Wie groß die Anzahl der

Welpen ist, läßt sich weder aus dem Umfang der Hündin noch aus ihrer

Gewichtszunahme ablesen; in den Vereinigten Staaten beschrieb eine

Züchterin, wie man mit einem Stethoskop anhand der Herztöne die Anzahl

der Welpen voraussagen kann (siehe die Zeitschrift "Sheltie Pacesetter"

Nov./Dez. 1983). Die durchschnittliche Wurfgröße bei unseren englischen

Shelties liegt bei 3,5 Welpen.

Der erste Wurf

Könnte eine Sheltie-Hündin sich eine Behausung für ihre Welpen

wünschen, so wäre das zweifellos eine schöne, trockene Erdhöhle mitten

im Wohnzimmer oder neben dem Bett ihrer Besitzer! Wenn es um den

Nachwuchs geht, dann kommen bei Shelties wieder alle Instinkte des

Wolfes oder Wildhundes zutage, wobei seine Menschen die Rolle des

Familienrudels übernehmen. Als Besitzer wird man sich mit dem zweiten Teil

des Wunsches einverstanden erklären, und was die Höhle anbetrifft, so läßt

sich ein Kompromiß finden, der auch den menschlichen Vorstellungen von

Hygiene und Komfort mit Licht und Heizung gerecht wird. Eine solche

Lösung, die beide Seiten befriedigt, sehen wir in einem großen, stabilen

Pappkarton, wie er als Verpackung für sogenannte Weißgeräte

(Küchenherd, Kühlschrank, Waschmaschine) benutzt wird. Dieser Karton

wird senkrecht in einem gut heizbaren und mit Waschbecken versehenen

Zimmer (am besten Küche oder Nebenraum der Küche) aufgestellt. Die

Grundfläche des Kartons soll der Hündin das Ausstrecken beim Liegen

erlauben, aber auch nicht größer sein. Gegenüber einer Wurfkiste aus Holz

hat das nachgiebige und doch stabile Material Pappe manchen Vorteil

während der Aufzucht der Welpen; schließlich kann der Karton, wenn die

Welpen flügge sind, leicht beseitigt werden. Der Nachteil einer solchen

"Box" liegt darin, daß sie während der Geburt der Welpen schwer

zugänglich und einsichtig ist; wir benützen daher für die Geburt zunächst

einen oben offenen Karton, der unmittelbar danach durch die fertig

eingerichtete "Box" ersetzt wird.

An der Vorderseite der Karton-Box läßt man oben und unten etwa 20

cm hohe Klappen, die an den Seitenwänden locker befestigt werden, um

sie bei Bedarf öffnen zu können. Als unterster Wärmeschutz dient eine

Styropor-Platte und als Matratze ein genau zugeschnittenes

Schaumgummi-Stück, das mindestens 4 cm dick ist, damit es fest und glatt

liegt. Für die Matratze haben wir ein Sortiment von Bezügen: Unterbezüge

Zucht-Praxis

115

aus alter Bettwäsche und Oberbezüge aus Dralon-Stoff, der so grob ist,

daß feiner Schmutz durchfallen kann und die Welpen mit ihren Krallen Halt

finden.

Die elektrische Installation sieht folgendermaßen aus: eine

transportable Leuchtstoff-Handleuchte, wie sie im Autobedarf-Handel

angeboten wird (kurze Röhre umgeben von bruchsicherem Plexiglas)

befestigt man an der Decke des Kartons und führt das Kabel durch ein

Loch nach außen. Als Wärmequelle empfehlen wir ein kleines

handelsübliches Heizkissen mit stufenlos regelbarem Thermostat. Wir haben

sehr gute Erfahrungen mit dieser von unten wirkenden Wärme gemacht;

im Gegensatz zu Infrarotlampen können sowohl Welpen wie auch Mutter

dieser Heizquelle ausweichen, wenn es ihnen zu warm wird, da das

Heizkissen ja nur unter einem Teil des Lagers liegt (vorzugsweise am

Einstieg). Außerdem vermeidet man die Gefahr der zu starken

Austrocknung durch Rotlicht. Im Handel werden auch Heizplatten für die

Hundezucht angeboten, wir glauben jedoch, daß die für den

menschl ichen Haushal t vorgesehenen Hei zki s sen höheren

Sicherheitsvorschriften genügen; trotzdem müssen Heizkissen, Kabel und

Schalter natürlich außer Reichweite von Mutter und Welpen untergebracht

sein, indem das Heizkissen in den Matratzen-Überzug hineingesteckt und

das Kabel unter der Matratze durch ein Loch in der Rückwand des Kartons

geführt wird. Ein mehrstündiger Probelauf, bei dem ein mit einem Buch

beschwertes Thermometer auf der Matratze über dem Heizkissen liegt, gibt

Auskunft über die richtige Schalterstellung: 30 Celsius dürfen nicht

überschritten werden, die entsprechende Schalterstellung wird markiert.

Bevor man jedoch mit Wohlgefallen auf die schön beleuchtete

Kinderstube blicken kann, muß noch eine Aufgabe bewältigt werden: die

Geburt! Im allgemeinen sind Sheltie-Hündinnen gute und problemlose

Mütter, wobei sich die hierzu notwendigen Instinkte und Fähigkeiten in der

weiblichen Linie vererben. Die beste Vorbereitung auf die Geburt ist es

daher, mit den Besitzern von Mutter, Großmutter, Schwestern oder Tanten

zu sprechen: So gibt es Linien, die immer sehr kleine oder sehr große

Welpen haben, andere Linien entwickeln regelmäßig Mastitis

(Milchdrüsen-Entzündung) 2 Tage nach der Geburt, manche Hündinnen

werfen nur als junge Tiere problemlos. Wenn man bei diesen

Erkundigungen häufig von "Wehenschwäche" oder Kaiserschnitten hört,

dann sollte man dies dem eigenen Tierarzt mit dem voraussichtlichen

Wurftermin mitteilen.

Für die Geburt brauchen wir den oben offenen "Wurfkarton", helles

Licht und eine vor dem Karton hängende Rotlichtlampe, die an einem

Deckenhaken höher und tiefer gehängt werden kann. Diese Wärmequelle

dient während der Geburt zum schnellen Trocknen und Wärmen der

Frischgeborenen, später hängt sie in den ersten Tagen vor der Wurf-Box

Zucht-Praxis

116

und noch später kann sie als allgemeine Raumheizung dienen. Das Lager,

das den besonderen Anforderungen einer Geburt gerecht werden soll,

besteht vor allem aus einer dicken Lage Zeitungspapier; auf dieses Lager

kommt eine Decke der Hündin. Etwa 10 Tage vor dem errechneten

Wurftag wird dieses Lager aufgestellt und das Interesse der Hündin daran

durch Lob und Ermunterung gefördert. Ganz wichtig ist es, daß die Hündin

in diesem Lager wirklich nach Herzenslust wühlen und scharren darf: diese

heftigen Bewegungen sind wichtig für das Einsetzen und Fortschreiten der

Wehen.

Die Tragzeit bei Hunden beträgt gewöhnlich 63 Tage; ab dem 58. Tag

sollte man sich jedoch bereithalten. Zitzen, Bauch und Innenseiten der

Hinterschenkel werden jetzt genau untersucht, überlanges und zu

reichliches Haar entfernt und die Zitzen mit etwas Vaseline massiert und

gereinigt. Die Temperatur-Methode zur Erkennung der unmittelbar

bevorstehenden Geburt, die in vielen Büchern empfohlen wird, fanden wir

bisher nicht befriedigend: In der letzten Woche der Trächtigkeit hält sich

die Temperatur der Hündin auf einem tieferen, schwankenden Niveau (um

37,5 Celsius gegenüber sonst 38,5 C), um kurz vor der Geburt noch

einmal um etwa 1 Grad abzusinken und dann wieder anzusteigen -

spätestens 24 Stunden nach diesem Ereignis sollen die Wehen einsetzen.

Auch wenn es nicht immer gelingt, diesen kurzen Abfall und

Wieder-Anstieg durch zweimaliges Temperatur-Messen zu erfassen,

empfehlen wir diese Prozedur morgens und abends, weil Mensch und

Hündin sich dabei an Manipulationen gewöhnen, die später einmal

wichtig sein können.

Die Hündin gibt das bevorstehende Ereignis durch ein verändertes

Verhalten zu erkennen, das allerdings von Hündin zu Hündin und auch von

Geburt zu Geburt sehr verschieden sein kann: einige wühlen und scharren

tagelang in ihrem Wurflager, bevor etwas geschieht, andere beginnen

damit erst eine halbe Stunde vor den ersten Wehen. Manche fressen nichts

mehr, andere wiederum sind ausgesprochen hungrig. Alle werden sie

jedoch unruhig und beginnen zu hecheln, und besonders beim ersten Wurf

versucht manche Hündin, noch ein besseres Lager im Keller oder im

Garten ausfindig zu machen. Sie muß daher unbedingt begleitet werden,

wenn sie ins Freie möchte: Eine unserer Hündinnen hatte sich einmal unter

Heckenrosen eine Höhle vorbereitet!

Die letzten Vorbereitungen müssen jetzt beginnen, wobei wichtig ist,

daß die Hündin dabei das Gefühl von Ruhe und Geborgenheit hat. Die

Heizung im Wurfzimmer wird auf 25C Zimmertemperatur gebracht; eine

kleine, vorn gerundete Schere wird in kochendem Wasser sterilisiert und in

ein frisch gebügeltes Taschentuch eingeschlagen. Ein Stoß

frischgebügelter Baumwoll- und Frottiertücher wird bereitgelegt, und vor

den Wurfkarton (unter die während der Geburt eingeschaltete

Zucht-Praxis

117

Rotlichtlampe) kommt ein weiches Tuch oder eine im Hundebedarf

erhältliche Kunstfaser-Matte ("Vetbed"). Legen Sie die Rufnummer des

Tierarztes neben das Telefon, bereiten Sie ein Blatt Papier für das

Wurfprotokoll vor und setzen Sie sich dann in das Wurfzimmer, ohne die

Hündin ständig scharf zu beobachten. Jetzt haben Sie Zeit, noch einmal

die Kapitel über "die Geburt" in den Hundebüchern nachzulesen, neben

der beruhigenden Wirkung ist man jetzt besonders empfänglich für gute

Ratschläge. Bewegung fördert im allgemeinen den Fortgang der Dinge,

daher sollte man auch mitten in der Nacht mit der Hündin ins Freie gehen,

wenn sie es möchte, wobei sie an der Leine gehalten wird und eine

Taschenlampe für ausreichend Licht sorgt.

Bleibt die Hündin mehr als 24 Stunden in dieser unruhigen

Vorgeburts-Phase, ohne daß etwas geschieht, so muß der Tierarzt

aufgesucht werden. Dies gilt auch, wenn der 63. Tag ohne Vorzeichen

einer Geburt vergangen ist. Sofortige tierärztliche Hilfe ist notwendig, wenn

vor Beginn der Wehen Spuren von Blut oder ein dunkelgrüner Ausfluß

auftreten.

Schließlich bemerkt man ein Zittern und Anspannen der Muskulatur in

regelmäßigen Abständen, das später in heftige Preßwehen übergeht, bei

denen sich die Hündin wie eine Katze krümmt oder sich mit den Beinen

gegen die Wand stemmt. Kurz darauf wird sich zunächst ein Schwall von

blaßgrüner Flüssigkeit über das Lager ergießen, dies ist das Zeichen, daß

die äußere Fruchthülle gerissen ist, und sich der erste Welpe auf den nun

schlüpfrig gemachten Weg begibt.

Sheltie-Hündinnen haben selten Probleme mit dem Werfen, aber

leider gibt es auch die Regel, daß Schwierigkeiten nur dann auftreten,

wenn der Tierarzt aus irgendwelchen Gründen nicht erreichbar ist. Dann

heißt es Ruhe bewahren, Hände gründlich reinigen und zunächst genau

beobachten. Setzen die Wehen aus, nachdem bereits Flüssigkeit

abgegangen ist, dann kann es helfen, über die Bauchdecke der Hündin zu

streicheln und/oder sie an der Leine im Freien zu bewegen. Oft ist es der

erste Welpe, der besonders bei Erstgebärenden etwas länger benötigt.

Glaubt man bei einem teilweise sichtbaren Welpen Geburtshilfe leisten zu

müssen, so ist wichtig, daß die Zugrichtung zum Bauch der Hündin hin

erfolgt. Tritt eine längere Pause zwischen der Geburt der Welpen ein, so

nimmt man nach 1 Stunde die Hündin aus dem Wurflager und tastet sie

ab; glaubt man, daß weitere Welpen vorhanden sind, so bewegt man die

Hündin wieder an der Leine. Sollte nach weiteren 30 Minuten nichts

geschehen, dann muß der Tierarzt helfen.

Wir haben noch von keiner Sheltie-Hündin gehört, die nicht wußte,

was mit einem neugeborenen Welpen zu geschehen hat - man wird das

ergreifende Erlebnis des ersten Wurfes also weitgehend als Zuschauer

Zucht-Praxis

118

erleben können und nur wenige ruhige Handreichungen zwischendurch

sind notwendig. Die wichtigste Hilfe ist das Durchtrennen der Nabelschnur,

das man der Mutter nicht überlassen sollte, damit sie nicht zu kurz abnabelt

oder gar die Bauchdecke des Welpen verletzt. Man drückt zunächst die

Nabelschnur zwischen zwei Fingernägeln zusammen, bis sie ganz weiß ist

und schneidet dann 2 bis 3 cm vom Welpen enfernt ab. Das Auspacken

des Welpen aus den Hüllen übernimmt die Hündin, wir erlebten jedoch

einmal, daß mit einer Wehe zwei Welpen geboren wurden und der zweite

der Aufmerksamkeit der Mutter entging - in solchen Fällen reißt man die

Hülle vom Kopf her auf.

Welpen, deren Geburt sich aus irgendwelchen Gründen verzögert

hat, wirken manchmal bei der Geburt völlig leblos und müssen

wiederbelebt werden. Mary Davis gibt in ihrem Buch den Rat,

grundsätzlich optimistisch zu sein, was die Chancen solcher Welpen

anbetrifft. Keinesfalls solle man zu früh aufgeben! Bei uns waren es immer

große, kräftige Welpen, die sich nicht sofort bewegten. Besonders wichtig

ist dabei, Maul und Atemwege des Welpen von Schleim und Flüssigkeit zu

befreien: der Welpe wird mit dem Kopf nach unten vom Rücken her in die

Hand genommen, wobei der Kopf mit leicht geöffneter Schnauze fest

zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger fixiert wird. Dann schwingt man

den Welpen mit einer schnellen, kreisenden Bewegung nach unten.

Neben der befreienden Wirkung für die Luftwege wird dadurch die Lunge

und das Herz angeregt. Danach legt man den Welpen unter den

Wärmestrahler und reibt mit mit einem trockenen Waschlappen kräftig

Schläfen- und Nackenpartie, was ebenfalls eine stimulierende Wirkung auf

die Atmung ausübt.

Nach der Geburt achtet man darauf, daß die noch feuchten Welpen

im Strahlungsbereich der trocknenden Rotlicht-Lampe liegen und deckt

feuchte Stellen auf dem Wurflager ab. Man läßt die Hündin ruhen und

beobachtet die kleinen Wundertiere genau: Hängt jeder von ihnen fest an

einer Zitze? Wenn nicht, dann muß das Mäulchen mit leichtem Fingerdruck

von beiden Seiten geöffnet und über eine Zitze gestülpt werden, aus der

man vorher ein wenig Milch gedrückt hat. Die Aufnahme dieser ersten

Milch (Kolostralmilch) ist sehr wichtig für den Aufbau von Abwehrkräften.

Manchmal scheinen die Zitzen der Hündin zu groß - auch hier muß man

den Welpen helfen, indem man sie zunächst an eine kleinere Zitze anlegt.

Wenn alle Welpen trocken und satt sind, überredet man die Hündin, kurz

mit ins Freie zu gehen, wo sie sich lösen kann. Bevor sie wieder zurück zu

ihrem neuen Glück darf, muß sie eine kurze Unterwäsche mit warmem

Wasser (ohne Seife) über sich ergehen lassen, damit die langen Haare an

Hose und Schwanz nicht verkleben und zu einer Gefahr für die Welpen

werden. Eine zweite Person bettet inzwischen die Welpen auf das neue,

saubere und mit Heizkissen versehene Lager. Bei der Rückkehr der Hündin

achtet man wieder darauf, daß jeder Welpe eine Zitze bekommt und kann

Zucht-Praxis

119

sich dann selbst zur Ruhe begeben.

Die Geburtsgewichte von Sheltie-Welpen liegen nach unserer

Erfahrung zwischen 120 und 320 Gramm. Ideal sind Gewichte um 200

Gramm, denn solche Welpen sind zum einen klein genug, um leicht

geboren zu werden und doch groß und kräftig genug, um sich sofort

selbständig mit Muttermilch zu versorgen. Sehr kleine Welpen müssen

dagegen in den ersten Tagen rund um die Uhr betreut werden, ganz

besonders, wenn die Geschwister viel größer sind. Viele Welpen verlieren

am ersten Lebenstag etwa 20 Gramm an Gewicht, danach nehmen sie

täglich im Durchschnitt 20 bis 30 Gramm zu, so daß sie ihr Gewicht nach 7

bis 12 Tagen verdoppeln. Die tägliche Gewichtskontrolle der Welpen

während der Zeit des Säugens ist ein Maß für die Gesundheit der Welpen

und der Hündin: Nimmt ein einzelner Welpe schlecht zu, so muß die

Ursache bei ihm selbst gesucht werden, nimmt jedoch der ganze Wurf

schlecht zu, so liegt es meist an der Mutter, wenn nicht an einer

Infektionskrankheit des ganzen Wurfes. Im übrigen sagen die Gewichte von

Sheltie-Saugwelpen aber nichts über die spätere Größe aus (weder bei der

Geburt noch nach drei Wochen; siehe Kapitel "Größenvoraussage").

Bedenken Sie bitte, daß auch der Winzigste unter den Welpen ein

rundum gesunder, guter Sheltie werden kann. Im Gegensatz zu den

Beobachtungen von Hans Räber bei Mittelschnauzern, daß gewichtsmäßig

aus dem Rahmen fallende Welpen ihren Rückstand nie aufholen, kann sich

beim Sheltie schon nach 6 Wochen das Verhältnis der Welpengewichte

umgekehrt haben (siehe "Größenvoraussage"). Es ist daher wichtig und

lohnend, die Welpen in den ersten Stunden, Tagen und Nächten genau zu

beobachten und besonders dem Winzling in regelmäßigen Abständen

eine gute Zitze zuzustecken, die man vorher dem kräftigsten Welpen aus

dem Mäulchen gezogen hat. In diesem zarten Alter braucht ein Welpe

Muttermilch - Kunstmilch kann zusätzliche Komplikationen auslösen. Wenn

ein Welpe trotz aller Bemühungen nicht saugt, muß er unbedingt etwas in

den Magen bekommen, um nicht noch schwächer zu werden. Die beiden

für schwache Welpen wichtigsten Stoffe (Wasser und Energie) enthält

warmes Traubenzucker-Wasser, das man dem Welpen mit einer

Augenpipette oder mit einem Malkasten-Pinsel auf die Zunge tropft. Bei

Benutzung einer Welpen-Saugflasche ist darauf zu achten, daß auch sie

die Flüssigkeit nur tropfenweise abgibt, damit der Welpe sich nicht

verschluckt. Müssen einzelne Welpen oder ein ganzer Wurf künstlich

ernährt werden, so findet man hilfreiche Ratschläge in den Büchern von

Hilary Harmar und in "Sheltie Talk." Grundsätzlich möchten wir nur darauf

aufmerksam machen, daß man häufig den Fehler macht, künstliche

Welpen-Mi lch z u konzen t r ier t z u verabreic hen , was z u

Verdauungsproblemen führen kann.

Zucht-Praxis

120

An dieser Stelle noch einige Anmerkungen zur Temperatur, die für

Welpen notwendig ist. "Das Neugeborene zeigt in den ersten Tagen wenig

Resistenz gegenüber Kälte: Bei allen Umgebungstemperaturen unter 26,7

Grad Celsius verliert es Körperwärme . . . erst zwischen dem 3. und 7. Tag

bildet sich die Fähigkeit der Wärmeerzeugung aus" (Wegner). Dies

bedeutet, daß man die Welpen einem hohen Risiko, beispielsweise durch

Infektionen, aussetzt, wenn man sie nicht durch wirklich hohe

Umgebungstemperaturen vor Wärmeverlust schützt. Dies gilt vor allem

auch bei der Geburt, wo die nassen Welpen besonders gefährdet sind. Ein

gut geheiztes Wurfzimmer und die Rotlichtlampe bei der Geburt sind der

beste Schutz. Die Gefahr einer Unterkühlung in den ersten 2 Wochen

entsteht bei Sheltie-Welpen auch dadurch, daß sie beim Aufspringen der

Hündin aus der Box fallen - sei es, daß sie an einer Zitze hängen oder daß

sie sich in den langen Haaren der Mutter verfangen. Ein abgegrenzter

Vorplatz mit einer warmen Unterlage und darüberhängender

Rotlichtlampe ist eine gute Vorsichtsmaßnahme. Die Hündin wird unter der

anfänglichen Hitze etwas leiden, aber besonders bei kleinen, schwachen

oder einzelnen Welpen muß in der ersten Woche das Wurflager (Heizkissen)

unbedingt 30 Celsius haben.

Nun aber zur jungen Mutter: Während der Geburt hat man darauf

geachtet, daß pro Welpe eine Nachgeburt erscheint, die man der Mutter

zum Fressen überlassen kann. Schon in den Pausen zwischen der Geburt

der Welpen hat man der Hündin immer wieder Trinkwasser gereicht, das

man ihr auch in den nächsten Stunden und Tagen häufig anbietet, da sie

kaum das Lager von sich aus verlassen wird. Künstliche Welpenmilch,

eventuell mit etwas Haferschleim oder Haferflocken eingedickt, ist eine

gute, leichte Kost für die ersten 2 bis 3 Tage nach dem Werfen, ebenso wie

gekochtes, mageres Fleisch.

Eine leicht erhöhte Körpertemperatur in den ersten Tagen nach der

Geburt ist normal; wenn feststeht, daß die Hündin fieberfrei und wohlauf ist,

wird wieder das normale Futter, allerdings in größerer Menge, gegeben:

Auch wenn die Hündin kurz nach der Geburt Übergewicht hat, muß bei

einem Wurf von 3 bis 4 Welpen ab der 2. Lebenswoche der Welpen das

Doppelte der normalen Futtermenge und bei 5 und mehr Welpen sogar

noch mehr gefüttert werden, wobei auf einen erhöhten Anteil an Eiweiß

(Fleisch, Eidotter, Yoghurt, Quark, Milchpulver) zu achten ist. Selbst wenn

man die für säugende Hündinnen r icht ige Menge eines

Mineralstoff-Vitamin-Präparates unter das Futter mischt, kann der

Kalzium-Spiegel bei einer Sheltie-Hündin ab der zweiten Säugewoche unter

einen kritischen Wert absinken, besonders, wenn sie einen großen Wurf

ernähren muß. Dadurch besteht die Gefahr eines lebensgefährlichen

Säugekrampfes (Eklampsie) für die Hündin; ein flüssiges Kalzium-Präparat,

wie es für stillende Frauen in Apotheken zu haben ist, bannt diese Gefahr.

Zucht-Praxis

121

Eklampsie soll manchmal sogar schon vor der Geburt der Welpen

auftreten, die kritische Phase bei Shelties ist aber wohl die 2. und 3. Woche

des Säugens. Erste Anzeichen sind Unruhe, Hecheln und Zittern. Wir selbst

wurden bei unserem ersten Wurf in der 3. Woche des Säugens vom Winseln

unserer Hündin geweckt; sie war sehr aufgeregt und bedeutete uns, daß

sie Hunger habe: 3 gehäufte Schüsseln fraß sie, wobei wir glücklicherweise

ein Vitaminpräparat für Kinder untergemischt hatten, das Kalzium in

gelöster Form (Kalzium-Glutamat) enthält. In diesem Fall beruhigte sich die

Hündin wieder; wenn jedoch schon Zittern, Steifheit und Krämpfe

auftreten, hilft nur noch die sofortige Kalzium-Spritze durch den Tierarzt.

Die Pflege der säugenden Hündin besteht im übrigen in einer

täglichen gründlichen Kontrolle: Das Fell der Hündin wird kurz aber

gründlich bis zur Haut durchgebürstet. Beim Gesäuge achtet man darauf,

daß keine Zitze von den Welpen verschmäht wird, anschwillt und sich

womöglich entzündet. Die Massage mit etwas Öl oder Vaseline und

eventuell kühlende Umschläge mit Wasser und etwas essigsaurer Tonerde

helfen meis t . Bei Rötung und Schmerzhaftigkeit (Mas titis =

Gesäugeentzündung) muß der Tierarzt helfen. Außerdem müssen einmal in

der Woche die nadelscharfen Spitzen der Welpenkrallen abgeknipst

werden, um das Gesäuge der Mutterhündin zu schützen.

Sheltie-Hündinnen reagieren in den ersten 3 Lebenswochen ihrer

Welpen sehr empfindlich auf Störungen. Auch eine sanfte Hündin wird

aggressiv, wenn Fremde das Wurfzimmer betreten, oder wenn es an der

Tür klingelt - versuchen Sie solche Streß-Faktoren zu vermeiden. Auf der

anderen Seite wird die Familienhündin schon nach einigen Tagen

versuchen, wieder ihre Aufgaben als Haushund wahrzunehmen, was man

ihr auch gestatten sollte, vorausgesetzt, man achtet darauf, daß sie alle 1,5

bis 2 Stunden zu ihren Welpen geht.

Von der Qualität und Quantität des Futters hängt es ab, wie lange die

Hündin ihre Welpen selbständig ernähren kann. Jeder Tag, den man

gewinnt, ist ein Vorteil für die Welpen, die mit jedem zusätzlichen Tag das

neue Futter leichter vertragen. Der Tag des Zufütterns ist gekommen, wenn

al le Welpen bei der tägl ichen Gewicht skont rol le an zwei

aufeinanderfolgenden Tagen schlecht zunehmen. Normalerweise beginnt

das Zufüttern im Alter von 3 Wochen. Bei kräftigen Hündinnen mit viel Milch

und bei kleinen Würfen wird man vielleicht erst nach 4 Wochen zufüttern

müssen; bei kleinen und/oder jungen Hündinnen allerdings, die zudem

noch mit einem großen Wurf gesegnet sind, wird man bereits kurz nach der

2. Woche mit zwei zusätzlichen Mahlzeiten für die Welpen die Mutter

unterstützen müssen, zumal die Gefahr der Eklampsie bei solchen

Hündinnen besonders groß ist.

Zucht-Praxis

122

Auch bei den Saugwelpen, die gut zunehmen und glücklich und

zufrieden scheinen, muß man sich einer Gefahr bewußt sein: die Welpen

sind mit Spulwürmern infiziert! Da erwachsene Hündinnen fast nie

Spulwürmer in ihrem Darm beherbergen und die hygienischen Verhältnisse

bei der Geburt und Haltung der Welpen eine Infektion ausschließen, fragt

man sich, wie die Welpen die Spulwürmer bekommen. Die Antwort ist, daß

Hundespulwürmer (lateinisch Toxocara canis) in erwachsenen Hündinnen

als schlummernde Larven in der Muskulatur sitzen. Durch die

Hormon-Unruhen von Hitze und Trächtigkeit werden diese Ruhestadien zu

neuem Leben erweckt und gelangen mit dem Blutstrom in die Embryonen

und später über die Milchdrüsen in die Welpen, wo sie sich im Darm

innerhalb von 2 Wochen zu den geschlechtsreifen Würmern entwickeln,

deren mit dem Kot der Welpen ausgeschiedene Eier dann zu einer

Infektionsgefahr ersten Ranges für Hündin, Welpen und Umgebung (auch

für den Züchter) werden. Wie Hans Räber in seinem Buch schreibt, gibt es

große Unterschiede im Grad der Verwurmung der Welpen von Hündin zu

Hündin; die Würfe von Erstlingsmüttern scheinen jedoch immer besonders

befallen. Die erste Entwurmung der Welpen muß genau am 14. Lebenstag

erfolgen; entsprechend dem Entwicklungszyklus der Spulwürmer muß die

Entwurmung in genau 14 tägigem Abstand bis zur Abgabe der Welpen

wiederholt werden, wobei alle Entwurmungen gleichzeitig auch bei der

Mutter durchgeführt werden.

Wenn schon vor der 3. Lebenswoche zugefüttert werden muß, geben

wir bis zum Alter von 3 Wochen zwei- bis dreimal täglich eine speziell für

Welpen hergestellte Kunstmilch, wobei wir das Milchpulver nicht mit

Wasser, sondern mit Säuglings-Haferschleim versetzen, was das Auflecken

und die Verträglichkeit für die Welpen erleichtert. Auf die richtige

Temperatur des Milchbreies und Sauberkeit bei der Herstellung ist bei

diesen sehr jungen Welpen besonders zu achten. Ein Eßlöffel des

Milchbreies wird jedem Welpen morgens und abends körperwarm gereicht

und am 21. Tag kommt als dritte Mahlzeit das erste richtige Hundefutter

dazu: gehacktes, mageres Rindfleisch, das man kurz mit etwas Wasser

aufkocht und mit Säuglings-Haferschleim eindickt: Von diesem dicken Brei

gibt es zunächst einen gehäuften Teelöffel pro Welpe und am nächsten

Tag zwei. Bekommt den Welpen das gut, so werden in den nächsten

Tagen auch die beiden Milchbrei-Mahlzeiten durch Fleischbrei ersetzt,

wobei dem Brei ein Löffel Welpenmilch-Pulver untergerührt wird, bevor er

an die Welpen verteilt wird.

Im Alter von 4 Wochen erhält somit jeder Welpe dreimal täglich einen

gehäuften Eßlöffel Fleischbrei mit Milchpulver-Zusatz. Jeder Welpe hat jetzt

seinen eigenen Napf, denn bei der Zuteilung der Futtermenge muß damit

begonnen werden, das Gewicht der Welpen zu berücksichtigen: es hat

keinen Sinn, den schweren Welpen durch wenig Futter am Wachsen

hindern zu wollen, und der Kleine wird mit Verdauungsbeschwerden

Zucht-Praxis

123

Futterplan

für einen 6 bis 8 Wochen alten, mittelgroßen Sheltie-Welpen

(Gewicht 1,3 bis 2,2 Kilogramm):

Viermal täglich (tagsüber in etwa 5-stündigem Abstand) bekommt der Welpe

einen "Fleischbrei": 20 bis 40 Gramm gekochtes Rindfleisch (fein geschnitten oder

im Fleischwolf durchgedreht) wird mit der gleichen Menge Hundeflockenbrei (in

Fleischbrühe eingerührte Hundeflocken) vermischt. 1/2 Teelöffel

Welpenmilch-Trockenpulver oder 1/2 Teelöffel Vitamin-Kalk-Pulver wird gut

untergerührt und handwarm verfüttert.

Ab 7 Wochen kann die letzte Mahlzeit durch Trockenfutter oder

Welpen-Hundekuchen ersetzt werden.

Frisches Wasser muß immer bereitstehen

reagieren, wenn man ihm die Menge des Großen zumutet. In unserem

Futterplan haben wir daher neben der Altersangabe auch das ungefähre

Gewicht der Welpen eingesetzt. Im Alter von 5 Wochen liegen die

Gewichte der Welpen noch relativ nahe beieinander (zwischen 1000 und

1500 Gramm) , aber im Alter von 9 Wochen kann es - abhängig von der

späteren Körpergröße - 1,5 Kilogramm leichte wie auch 4 Kilogramm

schwere Welpen im gleichen Wurf geben.

In der fünften Woche kommt eine vierte Mahlzeit dazu, damit die

Welpen auch die Nacht ruhig verbringen. Der Haferschleim wird jetzt nach

und nach ersetzt durch Hundeflocken; die Milchpulvermenge wird nicht

erhöht, dafür kommt ein gutes Mineralstoff-Vitamin-Pulver dazu, dessen

Menge man für das Gewicht des Gesamtwurfes bemißt. Wenn die Welpen

6 Wochen alt sind, werden die Milchquellen der Mutter versiegt sein. Jetzt

kann man damit beginnen, zwischendurch oder als letzte Mahlzeit

Welpen-Hundekuchen zu füttern; ab sofort muß auch stets frisches

Trinkwasser zur Verfügung stehen. Für die spätere Eingewöhnung beim

neuen Besitzer ist es von Vorteil, wenn die Welpen jetzt auch an ein gutes

Welpen-Büchsenfutter gewöhnt werden, das man zunächst mit dem

gewohnten Fleischbrei vermischt.

Sobald die Welpen zugefüttert werden, haben sie das Bedürfnis, ihre

Geschäfte außerhalb ihres Lagers zu verrichten. Die Welpenbox wird jetzt

an der Vorderseite geöffnet. Nach einigen Tagen kann der kleine Vorhof

und später eine größere Fläche mit Zeitungspapier ausgelegt werden.

Wenn die Welpen jetzt Gelegenheit haben, innerhalb einer festen

Umzäunung im Garten zu spielen, so werden sie schon bald "hausrein" und

benützen die Zeitung nur noch in der Nacht.

Zucht-Praxis

124

Im Alter von etwa 7 Wochen läßt der Schutz vor Infektionen bei den

Welpen nach. Bereits während der Embryonalentwicklung wurden

Antikörper der Mutter über den Blutkreislauf in die Ungeborenen

transportiert und nach der Geburt vor allem mit der ersten Milchmahlzeit

durch die mit Antikörpern angereicherte Kolostralmilch. 7 bis 8 Wochen

alte Welpen müssen daher ihre ersten Impfungen erhalten, wobei Sie dem

Rat Ihres Tierarztes folgen sollten, ob zuerst gegen Parvovirose oder gegen

Staupe, Hepatitis und Leptospirose geimpft werden soll. Genau 4 Wochen

später müssen die jeweiligen Impfungen wiederholt werden, um einen

vollen Schutz zu erreichen. Schreiben Sie sich den Termin in den Kalender

und rufen Sie die neuen Besitzer zur Erinnerung 2 Tage vor dem Impftermin

an. Vom Tierarzt kann man auch die Anwesenheit der Hoden bei den

Rüdenwelpen feststellen und am besten schriftlich bestätigen lassen.

Zwischen 7 und 8 Wochen ist auch der beste Termin für die Untersuchung

der Augen auf CEA (Collie Eye Anomaly, siehe "Zuchtprobleme"). Lassen

Sie sich von Ihrem Tierarzt einen Spezialisten für diese Untersuchung

nennen.

Die Mutterhündin wird, wenn die Welpen etwa 4 Wochen alt sind,

gelegentlich das Bedürfnis haben, sich von ihren Welpen zurückzuziehen.

Man richtet ihr im Welpenzimmer einen erhöhten Liegeplatz ein, auf den ihr

die Meute nicht folgen kann. Bald wird sie nun auch nachts wieder

getrennt von ihren Welpen schlafen. Wenn die Welpen 7 bis 8 Wochen alt

sind, beginnen viele Sheltie-Hündinnen (wie Wölfe und Wildhunde) ihr

Futter auszuwürgen, um damit ihre Welpen zu beglücken; die Welpen

ihrerseits animieren ihre Mutter zu diesem Tun, indem sie an ihr

hochspringen und an ihren Mundwinkeln stupsen. Dieses Futterspenden ist

ein natürliches Verhalten, gefährlich kann es aber für die Kondition der

Hündin werden, die in dieser Phase stark abmagern kann, wenn man nicht

vorbeugt, indem man die Hündin nach der Fütterung für einige Stunden

von den Welpen trennt.

Die Auswahl der Welpen

Die sorgfältige Auswahl der Welpen und die ebenso sorgfältige

Auswahl und Zuordnung der Besitzer ist eine Notwendigkeit, die über Erfolg

und Reputation des Sheltie-Züchters entscheidet. Wer sich dieser Aufgabe

entzieht, wird das Zuchtziel, nämlich schöne, glückliche Shelties zu

erzeugen, schwerlich erreichen. Dieses Ziel ist unabhängig von der

voraussichtlichen Ausstellungs- oder Zuchtqualität der Welpen - oft wird die

erhoffte Qualität überhaupt erst möglich durch den richtigen Besitzer:

Lebensfreude, Selbstbewußtsein und eine vertrauensvolle Beziehung zu

seinem Herrn können selbst aus einem durchschnittlichen Welpen einen

eindrucksvollen Sheltie machen.

Zucht-Praxis

125

Zugegeben, für den sensiblen Sheltie-Züchter ist dieser letzte Akt der

Zucht etwas, was ihn oft überfordert: Für ihn sind es alles oberflächliche

Ko n s umenten und unwi s sende Ignoranten, die s ich al s

Welpen-Interessenten melden. Frustriert und deprimiert ist er nur zu bald

bereit, seine kleinen Prachtstücke auch an etwas zweifelhafte Besitzer

abzugeben, zumal man ja doch nie ganz sicher sein kann, wie sich die

Verhältnisse auch im besten Heim für den Hund entwickeln. Eine andere

Form der Resignation ist es, einfach einen Teil der Welpen selbst zu

behalten!

Bleiben Sie also optimistisch und suchen Sie nach dem richtigen

Besitzer für jeden Ihrer Welpen. Führen Sie möglichst frühzeitig Gespräche

mit den Kaufinteressenten, um herauszufinden, welche Vorstellungen sie

vom Leben mit einem Hund haben. Falls die Interessenten schon vorher

einen Hund hatten, ist es sehr aufschlußreich, sich von diesem Hund

erzählen zu lassen. Machen Sie deutlich, daß der Sheltie ein Hund ist, der

den verständigen Kontakt mit Menschen braucht, wenn er sich zum Besten

entwickeln soll. Menschen, die sich bewußt oder unbewußt einen

aggressiven, furchtlosen Hund wünschen, sollten keinen Sheltie wählen,

denn diese Rasse ist von ihrer ursprünglichen Bestimmung und durch die

Selektion ihrer englischen Züchter bescheiden und unaufdringlich und

versucht Auseinandersetzungen zu vermeiden, und manchmal gibt es

auch ängstliche Vertreter. Beschreiben Sie auch die mühevollen, aber für

das spätere Leben des Sheltie so wichtigen ersten Wochen und Monate,

wo dem Besitzer besondere Verantwortung zukommt, damit aus dem

Welpen ein glücklich angepaßter Hund wird.

Nun aber zu den Welpen selbst: Schon gleich nach der Geburt wird

man sich gefühlsmäßig für den einen oder anderen der kleinen Maulwürfe

begeistern; ob dieser Welpe jedoch ein wirklich vorzüglicher Sheltie wird, ist

höchst fraglich, denn nur wenige Züchter besitzen die Gabe, schon bei

frischgeborenen Welpen verläßliche Voraussagen zu machen und dies

auch nur bei den Welpen der eigenen Zuchtlinie. Um sich in dieser

Fähigkeit zu schulen, ist es gut, ausführliche Notizen über das Aussehen und

die Entwicklung der Welpen zu machen. Der Zeitpunkt des Öffnens der

Augen kann beispielsweise einen Hinweis darauf geben, welcher Welpe

später die bevorzugte Augenform bekommt; für Collies gibt Mrs. Hunt

("Rifflesea"-Collies) an, daß diejenigen Augen die besten werden, die sich

besonders spät öffnen (Collie-Revue Nr.8, 1978).

Wenn die Welpen 7 bis 8 Wochen alt sind, wird die Beurteilung auch

für den Erst-Züchter leichter: Gewöhnlich wird sich einer der Welpen durch

umwerfende Süße, harmonische kompakte Körperform, dichtes Wuschelfell

und selbstbewußtes Auftreten hervortun. Diejenigen, deren Körpergröße

später von der Idealgröße mehr oder weniger abweichen wird, geben sich

jetzt ebenfalls zu erkennen. Die vordringlichste Aufgabe ist es jetzt, eine

Zucht-Praxis

126

Prognose der späteren Größe zu stellen, um die Welpeninteressenten

entsprechend zu informieren und die richtige Verteilung vornehmen zu

können: So kann für das ältere Ehepaar die etwas zu kleine Hündin ideal

sein, für den Jugendlichen oder die unternehmungslustige Familie

wiederum kann der etwas große Rüde der richtige Kamerad sein.

Alleinstehende oder Kinderlose haben oft die besten Möglichkeiten, wenn

einer der Welpen für Zucht und Ausstellung geeignet zu werden verspricht.

Umgekehrt können bei einer fehlenden oder falschen Prognose alle

Beteiligten zu leiden haben: Der temperamentvolle, große Rüde

tyrannisiert das alte Ehepaar, die kleine Hündin zerbricht an den viel zu

wilden Kindern und der Schönste des Wurfes lebt dort, wo es an Zeit und

Interesse für Zucht und Ausstellung fehlt. Auch wenn man den

Welpen-Interessenten die freie Auswahl läßt, kann es zu so einer

unglücklichen Verteilung der Welpen kommen, die allen Beteiligten

schadet. Wir haben daher versucht, eine Methode zu finden, die eine

Einschätzung der späteren Körpergröße erlaubt (siehe Kapitel

"Größenvoraussage").

Neben dieser Grobeinteilung nach der voraussichtlichen späteren

Größe können für eine Beurteilung der zu erwartenden Qualität des

Nachwuchses nun auch Einzel-Merkmale herangezogen werden. Wertvolle

Hinweise zur Beurteilung von Sheltie-Welpen enthalten die Bücher von

Gwynne-Jones, Davis, McKinney & Rieseberg, auf die wir uns in der

folgenden Beschreibung des "idealen Sheltie-Welpen" beziehen:

Im Alter von etwa 8 Wochen fällt der ideale Sheltie-Welpe durch

hinreißende Süße auf. Er hat eine kompakte Gestalt, eine gerade Front,

kräftig wirkende Beine, die im Stand schon die Winkelungen des

erwachsenen Sheltie zeigen. In der Bewegung neigt der Welpe bereits zu

einem freien Trab. Sein Kopf, den er stolz erhoben auf einem guten Hals

trägt, darf nicht die Proportionen und Linien des erwachsenen Sheltie

haben, sondern soll ein richtiger Welpenkopf mit viel Stop und kurzer aber

nicht zu feiner Schnauze sein, mit einem kräftigen Kinn (Unterkiefer). Die

Augen müssen in diesem Alter perfekt in Farbe und Form sein, sie werden

eher schlechter als besser. Die Ohren sollen stark kippen, aber hoch

angesetzt sein. Die Qualität und Quantität des Haarkleides ist schwer

vorauszusagen, aber man sieht es gern, wenn der Welpe ein dichtes

Teddy-Fell hat, aus dem lange Grannen herausragen. Weiße Abzeichen

am Kopf schrumpfen später besonders auf der Stirn stark oder

verschwinden ganz, während Flecken am Körper (beispielsweise schwarze

Flecken bei blue merle Shelties) sich mit dem Wachstum ausbreiten.

Sheltie-Welpen tragen ihren Schwanz mehr oder weniger senkrecht nach

oben; er muß jedoch tief angesetzt sein und darf nicht über den Rücken

gebogen werden, wenn er später zur korrekt getragenen Rute werden soll.

Im Wesen ist der Ideal-Welpe ein "glücklicher Sheltie", eine Frohnatur, die

weder zu Despotie noch zu Wehleidigkeit neigt. Er hat eine natürliche

Zucht-Praxis

127

Vielversprechender Welpe, eine Hündin aus dem schwedischen Zwinger MOORWOOD.

Begabung sich zu zeigen, das heißt, bei Aufmerksamkeit eine stolze

Haltung einzunehmen. Vor Probleme gestellt, sucht er nach Lösungen und

läßt sich von Rückschlägen nicht entmutigen. Menschen gegenüber ist er

positiv eingestellt, auch wenn er fremde Menschen zunächst mit Vorsicht

behandelt.

Jeder Hundezüchter sollte versuchen, seinen Welpen den Start in ein

neues Leben möglichst leicht zu machen. Neben bester Versorgung und

Ernährung muß man noch bedenken, daß der Welpe zwischen 5 und 8

Wochen eine Phase durchlebt, die ihn alles Neue besonders leicht und

ohne Angst und Stress verkraften läßt. Eigentlich ist dies auch eine Phase,

wo der Welpe sich besonders leicht an einen neuen Besitzer gewöhnen

würde. Abgesehen davon, daß Rassehunde-Clubs die Abgabe vor 8

Wochen nicht erlauben, gibt es auch kaum Besitzer, die sich mit

Sachverstand und viel Geduld ganztägig mit einem so kleinen Welpen

beschäftigen können. Der Züchter sollte daher versuchen, diese Phase

nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Jetzt ist es beispielsweise besonders

einfach, den ganzen Wurf in Begleitung der Mutter ans Autofahren zu

gewöhnen. Mit der Stadt und mit fremden Hunden muß man allerdings

vorsichtig sein, denn der Welpe hat noch keinen ausreichenden

Impfschutz.

Zucht-Praxis

128

Wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, die Welpen in ihr neues

Leben zu entlassen, wird für jeden unter ihnen gesondert zu entscheiden

sein und hängt auch von den Besonderheiten des neuen Heimes ab. Daß

man den kleinen Nachzügler noch etwas länger behält, ist wohl

selbstverständlich, aber auch der Welpe, der später mit Kindern

zurechtkommen soll, darf sich noch einige Zeit festigen. Die charakterliche

Entwicklung des einzelnen Welpen kann durch ein Zurückhalten

bestimmter Geschwister günstig beeinflußt werden: So wird der Kleine,

Ängstliche aufleben, wenn man zunächst den Tyrannen abgibt, der es

immer auf ihn abgesehen hatte; der Zurückgebliebene kann nun durch

das Zusammenleben mit einem besonders friedfertigen Geschwister ein

selbstbewußter, fröhlicher Hund werden.

129

11 Größenvoraussage: Wie groß wird der Welpe einmal

werden?

Prolog

"Ideale Widerristhöhe: Rüden 37 cm, Hündinnen 35,5 cm. Eine Abweichung

um mehr als 2,5 cm über oder unter diese Maße ist höchst unerwünscht"

(Zitat aus dem Standard des Shetland Sheepdog).

"Es ist unmöglich, die spätere Größe eines Sheltie-Welpen vorauszusagen,

was Ursache vieler Enttäuschungen ist" (Olwen Gwynne-Jones,

Zwinger "Callart", in ihrem 1958 erschienenen Buch).

"Eine sehr gute Sache ist es auch, die Welpen jede Woche zu wiegen, bis sie 10

Wochen alt sind. . . Ich wünschte, wir hätten es schon früher getan, aber wir

haben damit erst vor einem oder zwei Jahren begonnen, doch schon jetzt kann

ich sehen, daß dies ein sehr nützlicher Hinweis auf die spätere Größe der

Welpen sein wird" (F.M. Rogers, Zwinger "Riverhill", in ihrem 1974

erschienenen Buch).

Einleitung

Jeder, der sich mit der Zucht von Shelties befaßt, weiß, daß der Rasse

noch immer Größenprobleme anhaften; die meisten von uns haben auch

schon erlebt, daß diese Probleme in sehr unterschiedlichen Ausmaßen und

Formen vorkommen können. Zunächst gibt es beim Sheltie eine gewisse

mittlere Größenabweichung, die offenbar häufiger in Richtung der

größeren Hunde auftritt. Ob dies in Übereinstimmung mit dem allgemeinen

Trend kleinerer Rassen ist oder vielleicht seine Ursache darin hat, daß der

etwas größere Sheltie bewußt oder unbewußt von Züchtern und Ausstellern

gegenüber dem idealgroßen bevorzugt wird, muß hier offen bleiben.

Darüberhinaus gibt es jedoch weitere Größenprobleme, die wir als

"falsche Größen" bezeichnen möchten, denn die betreffenden Hunde sind

gewöhnlich weit entfernt von den Größen, die im Standard der Rasse

niedergelegt sind. Hier ist vor allem das Phänomen zu nennen, daß einige

Linien dazu neigen, größenmäßig aufzuspalten, indem einige

Größenvoraussage

130

Nachkommen (meist Hündinnen) sehr klein werden, andere dagegen sehr

groß (meist Rüden), neben den Nachkommen von idealer Größe. Genau

dies passierte in unserem allerersten Wurf von 5 Welpen. Zwei der Welpen

wurden idealgroß: eine Hündin 35,5 cm, ein Rüde 37 cm. Eine weitere

Hündin war mit 37 cm auch noch korrekt groß. Die dritte Hündin war als

Welpe in den ersten drei Lebenswochen die schwerste gewesen, aber

wurde schließlich nur 31 cm klein. Der zweite Rüde im Wurf war für uns

hoffnungsvolle Erstzüchter wirklich ein Schock, als wir ihn im Alter von 8

Monaten wiedersahen: er fiel nicht nur mit seiner Größe (47 cm !) total aus

dem Rahmen - er schien auch seine Sheltie-Vorfahren zu verleugnen, denn

er hatte einen deutlichen Collie-Einschlag.

Wir wußten bereits, daß Shelties von korrekter Größe zu große

Nachkommen haben können, denn in den englischen Sheltie-Büchern sind

die Kapitel über die Auswahl von Welpen zum größeren Teil der Frage

gewidmet, wie man in einem Wurf den voraussichtlich zu groß werdenden

Welpen entdecken kann. Merkwürdigerweise gibt es jedoch keinen

Hinweis darauf, daß solche übergroßen Shelties manchmal die enorme

Größe von 50 cm erreichen können und zwar auch bei Verbindungen, wo

sich in der gesamten Ahnentafel kein übergroßer Sheltie findet. Ganz

offensichtlich zeugen diese übergroßen Shelties noch von den

Collie-Einkreuzungen, die man vor mehr als 15 Rüden-Generationen

vorgenommen hat, um den Typ der frühen Shelties zu verbessern. Nach

der Einkreuzung des Collies wiederum wurde enge Linienzucht auf den

Collie-Vorfahren betrieben, was sicherlich zur genetischen Fixierung des

Collie-Erbes beigetragen hat. Die Auferstehung dieser frühen Collies in

unseren Sheltie-Würfen zeigt, daß offenbar alle idealgroßen Generationen

dazwischen noch das Collie-Erbe in sich trugen.

Nützliche Hinweise, wie man die Endgröße von Welpen schätzen

kann, finden sich in den Kapiteln über die Auswahl von Welpen in den

Sheltie-Büchern von O. Gwynne-Jones (1958, Seite 83 bis 86), M. Davis

(1973, Seite 100 bis 101) und B.J. McKinney & B.H. Rieseberg (1976: "Sheltie

Talk", Seite 31-32 und 159-160). Es braucht allerdings schon eine Menge

Erfahrung, um die darin gegebenen Ratschläge richtig zu interpretieren.

Wir waren daher sehr froh als wir feststellten, daß die täglichen

Gewichtskontrollen unseres ersten Sheltie-Wurfes sich als wertvolle Hilfe bei

dem Versuch erwiesen, die Endgröße unserer späteren Welpen schon in

einem frühen Alter zu erkennen. Nachdem wir die Gewichts-Protokolle

mehrerer Würfe gesammelt hatten, auch die von anderen Züchtern und

anderen Sheltie-Linien, stellten wir fest, daß sie mit den Daten unseres

ersten Wurfes übereinstimmten, wenn man den Gewichts-Zuwachs in der

Zeit zwischen dem 35. und 56. Lebenstag der Welpen mit der späteren

Größe der erwachsenen Shelties verglich.

Größenvoraussage

131

Das Verfahren in der Praxis

Alles, was man für unsere Methode benötigt, ist eine Waage mit einer

Genauigkeit von etwa 5 Gramm, auf der auch das Gewicht eines 10

Wochen alten Welpen bestimmt werden kann, das manchmal 4 bis 5

Kilogramm betragen kann (12 Kilo-Küchenwaage oder Baby-Waage). Es

hat sich in der Praxis bewährt, statt der Wägeschale einen kleinen

Pappkarton mit weicher Einlage zu benutzen, der für diesen Zweck

entsprechend austariert wird.

Die Welpen sollten ganz normal ernährt werden, es sollte nichts an der

normalen Aufzucht-Praxis verändert werden. Übrigens kann die spätere

Größe nicht dadurch beeinflußt werden, daß man einen großen Welpen

hungern läßt oder einen sehr kleinen Welpen überfüttert. Die Welpen

sollten, wie vom Tierarzt empfohlen, regelmäßig entwurmt werden. Sehr

wichtig ist, daß alle Wägungen an "nüchternen" Welpen vorgenommen

werden, am besten morgens vor der ersten Fütterung. Sollten

gesundheitliche Probleme vor oder während des Wiege-Programmes

auftreten, so sind die Gewichtsdaten in der Regel unbrauchbar.

Hundezüchter wiegen ihre Welpen, um das Wachstum der einzelnen

und den gesundheitlichen Zustand des ganzen Wurfes und der Mutter zu

überprüfen und um den Zeitpunkt des Zufütterns zu erkennen. Das waren

auch unsere Motive, als wir unser Wäge-Programm begannen. Im

Gegensatz zu anderen Züchtern hörten wir jedoch nicht mit dem Wiegen

auf, nachdem die Welpen entwöhnt waren, und gerade diese späteren

Daten erwiesen sich für die Größenvoraussage als die wichtigsten. Wir

stellten fest, daß sowohl das Geburtsgewicht als auch das Gewicht zum

Zeitpunkt des Zufütterns (etwa 3 Wochen) keine Aussage über die spätere

Größe des Welpen zuläßt: gleichgültig, wie schwer oder wie leicht ein

Welpe in seinen ersten 3 Lebenswochen ist, später kann er trotzdem der

kleinste oder der größte seines Wurfes werden.

Wie gesagt ist es am besten, die Welpen am Morgen vor der ersten

Mahlzeit zu wiegen. Eigentlich würde es ausreichen, die Welpen zweimal in

der Woche zu wiegen, aber es zeigte sich, daß das tägliche Wiegen am

einfachsten ist, da es sehr schnell für alle Beteiligten zur Routine wird und

dadurch Fehler vermieden werden. Wir haben auch festgestellt, daß diese

kleine Wiege-Prozedur sich als erster Wesens- und Lerntest gut eignet.

Bis zum Alter von 5 Wochen wird man schon ein wenig über die

spätere Größe spekulieren, aber solange nicht einer oder mehrere der

Welpen ihr Wachstum so stark verlangsamen, daß sie weniger als 170

Gramm pro Woche zunehmen, gibt es keinen Grund zur Beunruhigung. In

der Tat entpuppen sich die Welpen, die später ausgesprochene Winzlinge

Größenvoraussage

132

werden, zuerst; im Alter von 5 Wochen sind sie meist schon die leichtesten

des ganzen Wurfes und haben noch nicht einmal ein Gewicht von 900

Gramm erreicht. Wenn man einen solchen Welpen im Wurf hat, muß man

damit rechnen, daß er nur wenig größer als 30 cm wird.

Im Alter von 5 Wochen kann man also erst die extremen Winzlinge

erkennen, es bleiben aber noch die "etwas zu Kleinen", die "Idealgroßen",

die "etwas zu Großen" und dann noch die "Riesengroßen", die sich

überhaupt nicht um die im Standard festgelegten Maße kümmern. Letztere

sind nun die nächsten, die sich zu erkennen geben, denn sie

beschleunigen ihr Wachstum beginnend mit 5 Wochen, indem sie in der

folgenden Woche etwa 450 Gramm (ein englisches Pfund) zunehmen!

Wenn man einen oder mehrere solcher Welpen im Wurf entdeckt

(meistens sind es Rüden), dann gibt es eigentlich keine Hoffnung mehr,

daß er unter 40 cm bleiben wird. Wir mußten feststellen, daß diese Welpen,

wenn sie in gleichem Maße auch in den nächsten beiden Wochen

zunehmen, eine spätere Größe von 45 bis 50 cm bekommen.

Wenn die Welpen 7 Wochen alt sind, weiß man, ob sich darunter

spätere Zwerge oder Riesen befinden. Wenn keiner der Welpen zu diesen

Extremen gehört, darf man sich selbst gratulieren und kann nun mit der

feineren Kalibrierung beginnen. Übrigens ist das Alter von 7 bzw. 8 Wochen

für viele Sheltie-Züchter sowohl in England wie auch bei uns ein wichtiges

Alter bei der herkömmlichen Abschätzung der späteren Größe. Einige

englische Züchter sagen, daß 7 Wochen alte Welpen nicht schwerer als 4

englische Pfund (1800 Gramm) sein sollten, wohingegen die Deutschen

das metrische System bevorzugen und den 8 Wochen alten Welpen nicht

schwerer als 2 Kilogramm haben möchten, wenn er korrekt in der Größe

werden soll. Da solche Regeln sich jedoch auf nur eine einzige Wägung

beziehen, sind die Voraussagen unzuverlässig. Große Würfe oder

Erstlings-Würfe und auch Sheltie-Linien, die regelmäßig kleine Welpen

hervorbringen, können vielleicht dieser Regel folgen, aber Einzelwelpen,

kleine Würfe oder Linien mit schweren Welpen sind oft über diesen

Gewichten und bekommen trotzdem die richtige Größe.

Dagegen ist die Gewichtsdifferenz zwischen dem 5 Wochen alten

Welpen und dem 8 Wochen alten Welpen (zwischen 35. und 56.

Lebenstag) ein ziemlich genaues Maß der späteren Größe, wobei das

wirkliche Gewicht z.B. am 49. Tag relativ unwichtig ist. In unseren

Unter lagen haben wir 7 Wochen alte Welpen mit ziemlich

unterschiedlichen Gewichten von 1500 bis 2000 Gramm, die alle die

korrekte Größe von 37 cm bekommen haben. Wenn man jedoch den

Gewichtszuwachs zwischen dem Alter von 5 Wochen und dem Alter von

8 Wochen betrachtet, so sieht man, daß diese verschieden großen Welpen

im betreffenden Zeitraum alle etwa 900 Gramm (2 englische Pfund)

zugenommen haben. Dies ist das wichtigste Ergebnis unserer

Größenvoraussage

133

Gewichts-Auswertungen:

Sheltie-Welpen, die eine Gewichtszunahme von 750 bis 900 Gramm in den 3

Wochen zwischen dem Alter von 5 Wochen und dem Alter von 8 Wochen

haben, werden sehr wahrscheinlich idealgroß: Hündinnen etwa 35,5 cm und

Rüden 37 cm.

Diese Methode der Größenvoraussage kann die Anzahl der Welpen

reduzieren, deren spätere Größe zweifelhaft ist, aber auch damit bleibt

noch immer der eine oder andere Welpe, wo man einfach hoffen muß.

Diejenigen, die im kritischen Zeitraum etwas unter 750 Gramm Zunahme

bleiben, können mit Glück noch die Idealgröße erreichen; auf der anderen

Seite aber sind jene, die 1000 Gramm oder gar 1100 Gramm zunehmen:

Viele von ihnen werden noch eine für Züchter und Richter akzeptable

Größe bekommen, aber besonders die Rüden werden häufig die

40-cm-Linie etwas überschreiten.

Es empfiehlt sich, die Gewichtstabellen der Welpen bis zum Alter von

mindestens 10 Wochen weiterzuführen, um Fehler und Unsicherheiten noch

korrigieren zu können. Nach diesem Alter werden die Gewichtszunahmen

hinsichtlich der Größenvoraussage jedoch unzuverlässig.

Viele Sheltie-Welpen gehen nach dem Alter von 2 Monaten durch

Wachstumsphasen, die selbst für einen optimistischen Züchter sehr

beunruhigend sind. Auch das Messen des Jung-Sheltie am Widerrist kann

die Zweifel des Züchters nur verstärken, denn zum einen gibt es erhebliche

Abweichungen bei dieser Meßmethode und zum anderen wachsen

Shelties nicht so gleichmäßig, wie die in "Sheltie-Talk" abgebildete Kurve

zeigt, sondern eher in Schüben. Auch können gleichalte Welpen

unterschiedlich hoch sein und trotzdem später gleich groß werden.

Die Endgröße eines Sheltie schließlich hängt auch davon ab, wann er

zu wachsen aufhört. Wie die Größenentwicklung selbst kann dies in

verschiedenen Sheltie-Linien sehr unterschiedlich sein. Dabei gibt es eine

Daumenregel, die sich zunächst wie Unsinn anhört: Je größer ein Sheltie mit

7 Monaten ist, umso länger wird er noch weiterwachsen. Das bedeutet,

daß ein winziger Sheltie von etwa 30 cm Körperhöhe seine Endgröße schon

mit 6 Monaten erreicht, der idealgroße Sheltie wächst nach 8 Monaten

kaum noch, wohingegen der Sheltie, der mit 7 Monaten schon die 40

cm-Marke erreicht hat, in den nächsten 5 Monaten sehr wahrscheinlich

noch 2 bis 3 cm größer wird. Diese Regel muß man auch beachten, wenn

man unsere Methode der Größenvoraussage anwendet: ob die

Voraussage richtig war, kann man zwar schon an 7 oder 8 Monate alten

Shelties erkennen, aber die wirkliche Endgröße der Hunde sollte man erst in

Größenvoraussage

134

Wachstumskurven von 6 Sheltie-Welpen in ihren ersten 2 Lebensmonaten. Die beiden

Hündinnen ALEGRIA und ACAPELLA haben das gleiche Geburtsgewicht und entwickeln

sich gut, aber schon im Alter von 5 Wochen wird deutlich, daß ACAPELLA eine kleine

Hündin wird (sie wurde 32 cm hoch). ALEGRIA nimmt bis zum Alter von 5 Wochen sehr stark

zu und erst im Alter von 8 Wochen zeigt sich, daß sie trotzdem nicht übergroß wird (sie

wurde 36,5 cm). Der bei der Geburt relativ leichte CUMULUS (ein insgesamt dünner, langer

Welpe) nimmt in den ersten 4 Wochen ziemlich schlecht zu, beschleunigt dann aber seine

Gewichtszunahme so stark, daß schon mit 7 Wochen der Verdacht besteht, daß er zu groß

wird, obwohl er zu diesem Zeitpunkt das gleiche Gewicht wie ALEGRIA hat. In der 8.

Woche hat CUMULUS Durchfall, daher ist seine Kurve am Ende unterbrochen gezeichnet

(er wurde 45 cm groß)

das Protokoll einfügen, wenn die Shelties 2 Jahre alt sind und eine exakte

Messung vorliegt.

Wir selbst haben festgestellt, daß, unabhängig davon, wie der

Jung-Sheltie sich im ersten Lebensjahr entwickelt, die Größenvoraussage,

die wir bei den 2 Monate alten Welpen gemacht haben, fast immer

eintraf. Der größte Vorteil dieser Methode ist unserer Meinung nach, daß

auch ein Erstzüchter die Größe der Welpen ziemlich genau voraussagen

kann und möglicherweise hier sogar dem Erfahrenen überlegen ist, der

sich eher auf sein Gefühl verläßt.

Größenvoraussage

135

Ein Korb voll Sheltiewelpen

aus dem dänischen

Zwinger SHETLANA.

Bescheiden meinte die

Züchterin, daß ihre Dressur

beim Photographieren

nicht vollständig gelungen

sei, denn zwei Welpen

befänden sich noch

verdeckt im Hintergrund.

Zusammenfassung

1. Das Gewicht eines Welpen in den ersten 3 Lebenswochen erlaubt

keine Schlußfolgerungen auf die spätere Größe. Einmalige

Gewichtskontrollen (beispielsweise im Alter von 7 oder von 8 Wochen) sind

ziemlich unzuverlässig, um die Größe vorauszusagen. Das zuverlässigste

Maß der späteren Größe eines Sheltie ist die Gewichts-Zunahme zwischen

dem Alter von 5 Wochen und dem Alter von 8 Wochen (35. bis 56. Tag).

2. Die voraussichtliche Größe der normal gefütterten und entwurmten

Welpen kann festgestellt werden, indem man sie täglich in nüchternem

Zustand wiegt und daraus die wöchentliche und dreiwöchentliche

Zunahme errechnet. Es kann hilfreich sein, zusätzlich eine Wachstumskurve

zu zeichnen.

3. Die erste Größenkategorie, die man entdecken kann, sind die

späteren Winzlinge, deren wöchentliche Gewichtszunahme unter 200

Gramm bleibt und die über den gesamten 3-Wochen-Zeitraum nur ein

reichliches Pfund zunehmen.

4. Die nächsten Welpen, die nun ihre "wahre Größe" zeigen, sind die

späteren Riesen, die in einer Woche 450 Gramm oder sogar noch mehr

zunehmen, was einem Gewichts-Zuwachs von über 1300 Gramm in 3

Wochen entspricht - solche Welpen wachsen unaufhaltsam über alle

akzeptablen Größengrenzen.

5. Die idealen Größen, die im Sheltie-Standard niedergelegt sind,

werden später von solchen Welpen eingehalten, die in einer Woche 250

bis 300 Gramm zunehmen, was über den gesamten Zeitraum hinweg 750

bis 900 Gramm entspricht.

136

12 Leben mit dem Sheltie

Ein Welpe kommt ins Haus

Die Art und Weise, wie ein Hunde-Welpe von seiner neuen Umgebung

Besitz ergreift, hat etwas Dramatisches, besonders in einem bisher

hundelosen Haushalt. Ein 9 oder 10 Wochen alter Sheltiewelpe sollte

eigentlich aus dem Gröbsten heraus sein, denkt man; in Wirklichkeit

befindet sich der Welpe jedoch in einem besonders arbeitsaufwendigen

Entwicklungsstadium: noch nicht stubenrein, noch mit einer besonderen

Ernährung, mit viel Schlafbedürfnis, aber in den wachen Stunden mit einem

erheblichen Anspruch, beschäftigt zu werden. Etwas Vorbereitung und

Einstellung auf das neue Familienmitglied genügen jedoch, um aus diesen

ersten Wochen einen glücklichen Anfang zu machen.

Schon bevor der Welpe in Ihrem Heim erscheint, sind einige

Vorkehrungen notwendig: Zunächst bringt man den von der

Schwiegermutter geknüpften Teppich und die wertvolle Bodenvase an

einen sicheren Ort - für etwa 3 Monate. Zugleich entscheidet man sich für

einen Raum, der dem Welpen - bis er stubenrein ist - als nächtliche

Unterkunft dienen soll und wo er auch tagsüber ungestört schlafen kann.

Hierfür bietet sich meist die Küche an, denn der Kleine soll ja am häuslichen

Leben teilnehmen und nicht etwa isoliert werden. Dieser Raum muß nun

genau überprüft werden, damit der Welpe weder Dinge beschädigen

kann, noch selbst gefährdet ist (durch umfallende Gegenstände,

Putzmittel, Pflanzen, scharfe Kanten, elektrische Kabel). Alle nach innen in

einen Raum sich öffnende Türen, besonders aber die in den Welpenraum,

werden außen mit einem Schild "Vorsicht Welpe!" versehen. Eine zu schnell

geöffnete Tür, hinter der erwartungsvoll der kleine Sheltie steht, kann

schlimme Folgen haben! Bis zum Boden verglaste Türen und Fenster sollten

unten mit Papierfiguren beklebt werden, denn sie sind für den Hund

unsichtbar und daher gefährlich. Orte, wo der Welpe ins Spiel vertieft

zwischen Geländersprossen durchfallen kann, müssen entweder gemieden

Leben mit dem Sheltie

137

oder gesichert werden. Treppen, die zwischen den Stufen offen sind,

schienen uns früher keine Gefahr für Sheltie-Welpen; seit wir jedoch einen

kleinen Cairn-Terrier-Welpen beim Tierarzt gesehen haben, der zwischen

den Stufen durchgefallen war, sehen wir solche Treppen mit anderen

Augen. Ein Bettlaken, das man mit Reißnägeln oder einem kräftigen

Klebeband unter die Treppe spannt, kann dem Welpen seine Gesundheit

erhalten.

Das eigene Grundstück wird auf seine Sicherheit für den Welpen

untersucht. Eine feste Begrenzung des für den Hund erlaubten Bereiches ist

wünschenswert, auch, wenn es keine direkt angrenzenden Nachbarn und

keine gefährlichen Straßen gibt - wie häufig haben wir schon die traurige

Geschichte gehört von dem einzigen Auto, das an jenem unglücklichen

Tag vorbeikam. . . Wie alle jungen Hunde graben auch Shelties gern; wenn

dieses an bestimmten Stellen im Garten nicht erwünscht ist, zeigt es eine

kleine Umzäunung besser als ständiges Verbieten.

Es ist gut, wenn der Orts- und Besitzerwechsel für den Sheltie-Welpen

schon am Vormittag stattfindet, so ist den ganzen Tag über Zeit, sich an

die neue Situation zu gewöhnen, und am Abend wird der Welpe todmüde

sein und die erste Nacht problemlos durchschlafen. Eine lange,

gemeinsame Autofahrt fördert übrigens nach unserer Erfahrung das

Knüpfen des ersten Kontaktes sehr, wenn der Welpe während der Fahrt

von einer Person gehalten und beruhigt wird.

Wenn der kleine Sheltie schon beim Züchter an Freiland gewöhnt

wurde, das Wetter günstig ist und man ein wirklich sicher eingezäuntes

Grundstück sein eigen nennt, so kann man den Welpen bei der Ankunft im

neuen Heim dort absetzen. Wenn man Glück hat, macht er gleich seine

Geschäfte - in allen anderen Fällen aber, besonders bei sehr jungen oder

ängstlichen Welpen bringt man den Kleinen in das für ihn als Schlafraum

vorgesehene Zimmer, das mit einigen Bogen Zeitungspapier, einem

Wassernapf und einem Schlafplatz ausgestattet ist. Da ein Weidenkorb

sehr schnell den Zähnen des Welpen zum Opfer fällt, eignen sich

Schaumstoffkörbe besser, die manchmal sogar vollwaschbar sind. Als

Spiel- und Schlafhaus gleichermaßen beliebt ist ein fester Karton, der etwa

die Abmessungen einer Bierkiste hat. Der Karton darf keine Metallklammern

oder Plastikteile enthalten. Neben der normalen Kartonöffnung wird ein

Ausschlupf im hinteren Teil einer Seitenwand sehr geschätzt.

Setzen Sie sich dann zu Ihrem Hund auf den Fußboden und lassen Sie

ihn erst einmal seine neue Umgebung erforschen. Zwischendurch freut sich

der Sheltie, wenn Sie leise mit ihm sprechen, ihn bei seinem Namen rufen

und sehr loben, wenn er darauf reagiert. Zeigen Sie dem Welpen das

vorbereitete Spielzeug (verknotetes Wischtuch, ein Socken oder

Handschuh ausges topf t mi t Wo l l res ten , z u ei ner K ugel

Leben mit dem Sheltie

138

zusammengeknautschtes Papier, ein Quietschtier aus Gummi usw.). Auch

gegen einen alten Hausschuh ist nichts einzuwenden, denn der Welpe

lernt schnell "seinen" Hausschuh von allen anderen zu unterscheiden. Als

weiterer Zeitvertreib ist ein Büffelhautknochen geeignet, der später auch

eine Rolle bei der Zahnpflege spielt. Vorsicht ist geboten bei Bällen, die der

Welpe ins Maul nehmen kann: sie müssen nach dem Spiel weggenommen

werden, da die Gefahr des Verkeilens zwischen den Kiefern oder gar des

Schluckens besteht.

Füttern Sie in den ersten, für den Welpen besonders aufregenden

Tagen genau die Menge und Zusammensetzung, die der Welpe vom

Züchter her gewöhnt ist. Achten Sie auf den Kot und reduzieren Sie sofort

die Gesamtmenge und/oder den Fleischanteil des Futters, wenn das

Verdauungsprodukt dünnflüssig erscheint. Nach dem Füttern bringen Sie

Ihren Welpen für die Geschäfte nach draußen an seinen Löseplatz, und

dann ist es Zeit, ein Stündchen zu schlafen: Regelmäßiger Schlaf ist für die

gesunde Entwicklung des Welpen wichtig; besonders wenn Kinder in der

Familie sind, muß tagsüber auf ausreichende Schlafpausen geachtet

werden. Nach dem Schlaf muß der Welpe ganz rasch wieder vor die Tür

gebracht werden, wo er bei prompter Erledigung sehr gelobt und mit

einem Spiel oder Spaziergang belohnt wird. Je erfolgreicher man schon

am ersten Tag mit dem Hinausbringen ist, um so schneller wird man einen

stubenreinen Hund haben. Da der größte Schwachpunkt hierbei die

eigene Vergeßlichkeit ist, kann ein Kurzzeit-Wecker gute Dienste leisten.

Die erste Nacht im neuen Heim braucht keineswegs eine Tortur für

Mensch und Welpe zu sein! In manchen Fällen halten wir es für eine gute

Lösung, wenn der Welpe in einem "Laufstall" nahe dem Bett seines Besitzers

schlafen kann. Da der Welpe den unmittelbaren Umkreis seines

Schlafplatzes nicht beschmutzen möchte, wird er in den ersten Nächten

durch leises Fiepen auf seine Bedürfnisse aufmerksam machen. Nach

wenigen Malen nächtlicher Ruhestörung wird Ihr Welpe nachts

durchhalten und damit der Stubenreinheit viel näher sein, als der Welpe,

der nachts in einem anderen Raum untergebracht ist. Das nächtliche

Weinen und das Saubermachen am Morgen entfällt dann. Das Laufgitter

läßt sich leicht aus einem 60 cm hohen und etwa 2,5 m langen

kunststoffummantelten Zaunstück herstellen, das man mit ebenfalls

kunststoffummantelten Draht zu einem Kreis verbindet.

Soll der Welpe die Nacht in einem anderen Raum verbringen, so wird

vorher noch einmal richtig getobt, dann gibt es die Nachtmahlzeit

(vorzugsweise Hundekuchen) und noch einen kurzen Ausgang, bevor der

Welpe in seinen Schlafkorb komplimentiert und sehr gelobt wird. Der Raum

ist in den Ecken und an der Tür mit Zeitungspapier ausgelegt, die der

Welpe für seine nächtlichen Geschäfte benutzen kann. Eine schwache

Lampe kann die Orientierung in der ersten Zeit erleichtern.

Leben mit dem Sheltie

139

Das Wichtigste in den ersten Tagen ist, daß sich ein festes Band des

Vertrauens und der Zusammengehörigkeit zwischen dem Sheltie-Welpen

und seiner Familie entwickelt: Man vermeidet daher zunächst auch allen

Rummel: Schulfreunde, Nachbarn und Verwandtschaft sollten den

Familienzuwachs erst kennenlernen, wenn er sich voll eingewöhnt hat, und

auch mit der Verdauung alles in Ordnung ist. Das Hochnehmen oder gar

Einfangen durch Nicht-Familienmitglieder darf nicht erlaubt werden. Man

ermutigt jedoch den Sheltie-Welpen, sich gegenüber netten, ruhigen

Menschen freundlich-höflich zu verhalten und sich streicheln zu lassen.

Die entscheidenden Lebensmonate:

Besonderheiten des Sheltie-Charakters

Für die soziale und geistige Entwicklung eines Hundewelpen sind die

ersten 5 Monate seines Lebens besonders wichtig: Wenn er es in dieser Zeit

nicht schafft, ein glücklicher Hund zu werden, so kann er es später schwer

haben. Hatte er bisher keine Kontakte mit Artgenossen oder fast nur

negative Erlebnisse, so wird er unter Seinesgleichen vielleicht ein

Außenseiter bleiben und wegen seines unsicheren Verhaltens angefeindet

werden. Auch die Erfahrung, daß es außer der eigenen Familie noch

andere nette Menschen gibt, sollte jetzt gemacht werden; sein Mißtrauen

Fremden gegenüber kann sonst Formen annehmen, die ihn im täglichen

Leben unberechenbar machen.

Mehr oder weniger gilt das Gesagte natürlich für jeden Hundewelpen.

Es gibt jedoch Hunderassen, die den engen Kontakt mit dem Menschen

nicht so notwendig brauchen wie der Sheltie. Jagdhunde oder auch

Terrier können bei zu wenig Zuwendung und Beschäftigung sich

Ersatzbefriedigungen suchen, wie Streunen, Jagen oder Demolieren von

Einrichtungsgegenständen. Ein Sheltie wird dies kaum tun; sein

Lebenszweck ist es, die Wünsche seines Herrn zu erfüllen, und er kann unter

ungünstigen Umständen interesselos und stumpf dahinleben. Wenn er

jedoch einen Herrn hat, der ihn fühlen läßt, daß er der Beste und

Intelligenteste ist, der ihn am eigenen Leben teilhaben läßt und auf seine

kleinen Sheltie-Wünsche eingeht, so ist er nur zu glücklich, seinem Herrn

alles recht zu machen: Er steht mit seinem angelnden Herrn im Wasser,

schafft mit einem begeisterten Hundeausbilder alle Prüfungen, oder er

lernt wie von selbst kleine Kunststücke, wenn er fühlt, daß sein Herr Spaß

daran hat.

Der besonders auf den Menschen bezogene Charakter des Sheltie

konnte im wissenschaftlichen Experiment nachgewiesen werden. In einer

umfangreichen, in den USA durchgeführten Untersuchung (J.P. Scott & J.C.

Fuller, 1965: Genetics and the social behavior of the dog. University of

Leben mit dem Sheltie

140

Chicago Press. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse findet sich in

deutscher Sprache in M. Burns & M.N. Fraser, 1968: Die Vererbung des

Hundes. Verlagshaus Reutlingen, Oertel und Spörer) über das Verhalten

von 5 Hunderassen (Foxterrier, Cockerspaniel, Basenji, Beagle und Sheltie)

zeigte sich, daß der Sheltie am schlechtesten abschnitt, wenn es galt,

selbständig Aufgaben im Experiment zu lösen (beispielsweise Durchlaufen

eines Labyrinthes). Bei solchen Versuchen machten die Shelties den

Eindruck, als warteten sie auf jemand, der ihnen Anweisungen gibt, was zu

tun ist.

Ein weiteres Ergebnis der vergleichenden Forschungen von Scott &

Fuller ist, daß Shelties außerordentlich empfindlich auf Strafen reagieren.

Bei Gebrauchshunderassen mag man diese Empfindlichkeit als Weichheit

bezeichnen, wir halten jedoch leichte Führigkeit (Erziehbarkeit),

Anpassungsfähigkeit und geringe Aggressivität gegenüber Mensch und

Tier für wünschenswerte Tugenden bei Hunden unter den modernen

Lebensbedingungen. Der Sheltie vermeidet alles, was eine Runzel im

Gesicht seines Herrn verursachen könnte.

Ein Hund, der für seine richtige Entwicklung der einfühlsamen

Anleitung so bedarf wie der Sheltie, bedeutet auch eine große

Verantwortung. Wenn sich der Welpenbesitzer ins alltägliche Leben mit

seinem jungen Hund begibt, sollte sich für den Welpen insgesamt eine

positive Bilanz und eine angenehme Erinnerung ergeben. Auch bei viel

Voraussicht werden sich unangenehme Erlebnisse nicht vermeiden lassen,

und sie sind für eine normale Entwicklung des Hundes sogar notwendig. Sie

dürfen nur nicht überhand nehmen.

So soll der Welpe beispielsweise sofort im Auto mitgenommen werden,

aber nur für kurze Strecken und mit einem schönen Spaziergang

verbunden. Er soll in die Stadt mitgenommen werden, aber nur, wenn man

selbst gute Laune hat und nichts Besonderes einzukaufen hat. Er soll auch

schon allein gelassen werden, aber anfangs nur kurz, wenn er müde und

satt ist, und mit einer anschließenden Wiedersehens-Orgie. Er soll vom

ersten Tag an Kontakte mit anderen Hunden haben, zunächst wählt man

dafür aber bekannt nette Hunde von Freunden auf neutralem Gelände

oder im städtischen Park. Ebenfalls notwendig ist es, daß der Welpe

fremde aber freundliche Menschen kennenlernt und sich auf Wunsch

seines Herrn auch anfassen läßt. Ein aufgeweckter, zurückhaltend-höflicher

Hund, auf den man sich in fremder Umgebung wie auch in extremen

Situationen verlassen kann, ist das Ziel dieser ersten und manchmal etwas

beschwerlichen Lernphase. Zugegeben, ein Pfützchen auf dem

Autorücksitz und ein Mißgeschick im Kaufhaus kann dabei schon einmal

vorkommen (seien Sie auch darauf vorbereitet, solches Malheur in der

Öffentlichkeit mit Würde zu beseitigen!). In jedem Fall soll der Sheltie fühlen,

daß man großen Wert auf seine Begleitung legt, und daß eigentlich nichts

Leben mit dem Sheltie

141

passieren kann, wenn gemeinsam etwas unternommen wird.

Trotzdem wird es für den Welpen und Junghund Gegenstände und

Situationen geben, die ihm plötzlich Angst einflößen. Dies können für uns

völlig normale Dinge sein wie ein Stück Plastik am Wegesrand, ein

Trimm-Gerät im Wald, der laute Schrei eines Vogels oder auch etwas für

uns nicht Wahrnehmbares (beispielsweise die frische Fährte eines Tieres).

Helfen Sie dann Ihrem Sheltie, indem Sie fröhlich und beruhigend mit ihm

sprechen, ihm das "fürchterliche Ding" zeigen und ihn überschwenglich

loben, wenn er sich heranwagt. Reagieren sie niemals ärgerlich oder

gereizt, wenn sich Ihr Sheltie fürchtet, es kann sich sonst eine wirkliche

Phobie in ähnlichen Situationen entwickeln.

Zusammenfassen möchten wir das auf den letzten Seiten Gesagte mit

einem Satz aus "Sheltie Talk": "Shelties are born with a need of security" (Shelties

werden mit einem Bedürfnis nach Sicherheit geboren). Wenn Sie Ihrem

Welpen das Gefühl der Geborgenheit vermitteln können, so wird es nichts

geben, was das Vertrauen erschüttern kann, ein ganzes Sheltie-Leben

lang!

Das Kapitel über Besonderheiten des Sheltie-Charakters soll nicht

abgeschlossen werden, ohne darauf hinzuweisen, wie wichtig das Laufen

für Leib und Seele des Sheltie ist. Oft wird ein Sheltie als ein Collie für

beschränkte Verhältnisse angeschafft, und dagegen ist auch nichts

einzuwenden, solange sich die Beschränkung nur auf die Wohnung

bezieht. Das Begleiten seines Herrn, das stundenlange Laufen mit ihm und

der soziale Kontakt mit anderen Hunden sind jedoch Grundbedürfnisse

eines jeden Hundes. Nur dabei kann er all das erleben, was ein

Hundeleben schön macht und was alle seine Sinne und Fähigkeiten

entwickelt. Ein noch so großer Garten kann dem Sheltie diese Erlebnisse

nicht ersetzen - er wird von den vielen ihm zur Verfügung stehenden

Quadratmetern hauptsächlich den einen vor der Haustür benützen.

Fütterung des Welpen und Junghundes

Man braucht heute keinem Rassehundebesitzer mehr zu erzählen,

daß es falsch ist, den Hund zum Verwerter für Tischabfälle zu machen -

nicht zuletzt die Propaganda der Fertigfutter-Hersteller hat hier für

Aufklärung gesorgt. Hochwertige Fertigfutter und die vielen angepriesenen

Zusatzfutter bergen allerdings neue Gefahren in sich: Eine in Qualität und

Quantität zu üppige Ernährung. Gerade in jüngerer Zeit haben wir

mehrfach von Shelties gehört, die in mittleren Jahren wegen

Nierenversagens eingeschläfert werden mußten - wir vermuten

Ernährungsfehler als Ursache. Häufige Fehler bei der Fütterung sind unserer

Leben mit dem Sheltie

142

Meinung nach:

(1) Insgesamt eine zu große Futtermenge

(2) Zu hochwertiges Futter (z.B. zuviel Fleisch)

(3) Sorglosigkeit beim Füttern sogenannten Beifutters

(4) Zuviel Trockenfutter, verbunden mit Wasser-Defizit

(1) Die Mengenangaben auf den Fertigfutterprodukten für einen

kleinen Hund wie den Sheltie (7 bis 10 Kilogramm Körpergewicht) verleiten

zu einer insgesamt zu großen Futtermenge - nach unserer Erfahrung

genügt meist die Hälfte der angegebenen Menge. Auch ein zu großer

Futternapf kann die Ursache von regelmäßiger Überfütterung sein. In der

Jugend ist eine zu schnelle Gewichtszunahme die Folge, bei der die

Knochen nicht Schritt halten können: Gelenkprobleme, die manchmal erst

in späteren Jahren auftreten, können hier ihre Ursache haben. Beim

älteren Sheltie wird sich das zu hohe Gewicht auf seine Beweglichkeit,

Lebensfreude und Lebenserwartung auswirken - manche Gebrechen des

älteren Sheltie sind keine Alterserscheinungen, sondern Gewichtsprobleme

(ganz besonders bei Hündinnen). Dabei ist es eine Tatsache, daß der

Besitzer das zu hohe Gewicht seines Sheltie lange nicht bemerkt, es sei

denn, er wiegt ihn und schreibt sich die Werte auf.

(2) Das Verfüttern von zu hochwertiger Nahrung gründet sich meist

auf der irrigen Ansicht, daß möglichst viel reines Fleisch das beste Futter für

einen Hund sei. Leider findet sich auch noch in modernen Hundebüchern

der Rat, soviel Fleisch zu verfüttern "wie es der Geldbeutel erlaubt" - ein

Rat, der sich für manchen Sheltie fatal auswirken würde. Begründet wird

die übermäßige Fleischfütterung meist mit den Freßgewohnheiten des

Wolfes, dem Vorfahr aller Hunde. Bei einem solchen Vergleich darf man

aber nicht vergessen, daß "Fleisch" nur einen Bruchteil der Nahrung des

Wolfes ausmacht, denn er frißt seine Beute nicht nur mit Haut und Haar,

sondern auch mit den Innereien. Außerdem liegen zwischen den

Beutetagen des Wolfes meist viele Tage des Fastens. Wenn man also etwas

vom Wolf lernen kann, dann, daß er eine ziemlich vielseitige Nahrung in

relativ geringer Gesamtmenge zu sich nimmt. Der wöchentliche Fastentag,

der noch in manchen Büchern (offenbar ebenfalls in Analogie zum Wolf)

empfohlen wird, stößt jedoch weder bei uns noch bei unseren Shelties auf

Verständnis.

Der Hund ist kein "zahmer Wolf", sondern ein Haustier, das sich in mehr

als zehntausend Jahren Zusammenleben mit dem Menschen nicht nur

äußerlich, sondern auch in seiner Ernährung verändert hat. So verwerten

Hunde gekochtes bzw. industriell aufbereitetes Futter offenbar besser als

rohes. Dies ist der eine Grund, weswegen wir niemals rohes Fleisch füttern.

Der andere Grund ist, daß Schweinefleisch ein Virus enthalten kann, das -

vom Hund aufgenommen - unweigerlich dessen qualvollen Tod zur Folge

Leben mit dem Sheltie

143

hat (Aujeszkysche Krankheit); selbst gegen Tieffrieren ist dieses Virus

anscheinend sehr resistent. Der vollkommene Verzicht auf Schweinefleisch

ist daher der beste Schutz vor dieser fatalen Infektion; das Risiko, daß auch

vom Rind stammende Fleischteile mit virushaltigem Schweinefleisch in

Berührung gekommen sein könnten, ist uns angesichts der absoluten

Tödlichkeit der Krankheit zu groß: Wir kochen daher auch Rindfleisch stets

und achten darauf, daß auch die Verpackung des Fleisches außerhalb

der Reichweite des Hundes bleibt.

(3) Unter "Beifutter", versteht man neben den Vitamin- und

Mineralstoffmischungen allerlei Präparate, die gut für Kondition, Haarkleid,

Temperament usw. sind oder sein sollen. In der Tat gibt es gute, bewährte

Mittel (beispielsweise Hefetabletten); bei der regelmäßigen Gabe solcher

Beifutter muß jedoch darauf geachtet werden, welche Stoffe sonst noch

enthalten sind, damit nicht etwa Vitamine und/oder bestimmte

Mineralstoffe ständig überdosiert werden.

(4) Trockenfutter enthält, wie der Name schon sagt, praktisch kein

Wasser, wohingegen selbst zubereitetes Futter oder Dosenfutter zu etwa

80% aus Wasser besteht. Trockenfutter ist somit ein hochkonzentriertes

Futter, mit dem man den Hundenapf eigentlich nur zu einem Fünftel füllen

dürfte, was deutlich macht, daß auch hier die Gefahr einer zu großen

Futtermenge und einer zu hochwertigen Ernährung besteht. Noch größer

erscheint uns aber die Gefahr eines ständigen Wasser-Defizits, wenn der

Hund fast nur Trockenfutter bekommt. Nach der Aufnahme von 50 Gramm

Trockenfutter muß der Hund fast einen halben Liter Wasser trinken; dies

bedeutet, daß der Hund Tag und Nacht Zugang zu frischem Wasser haben

muß, was für einen vielseitig beschäftigten Familienhund nicht immer leicht

ist. Wir raten daher davon ab, den Sheltie ausschließlich mit Trockenfutter

zu ernähren.

Bevor wir nun unsere Futter-Empfehlungen geben, möchten wir auf

ein Buch hinweisen, das in einem Anhang ein kurzes, aber umfassendes

Kapitel über Hundeernährung enthält: A. & W. Schneider, 1979:

"Hundekrankheiten" (Franckhsche Verlagshandlung, Stuttgart).

Unsere Fütterungs-Ratschläge

Wir sind der Ansicht, daß viele Fütterungs-Anweisungen den

Welpen-Besitzer überfordern, wenn sie von ihm verlangen, daß er vier- oder

fünfmal täglich Mahlzeiten zubereiten soll, die je nach Tageszeit eine

unterschiedliche Zusammensetzung haben, von Corn Flakes am Morgen

bis zu Rührei am Abend. Nicht nur, daß man dabei in stetiger Sorge ist, eine

Zutat oder gar eine ganze Mahlzeit zu vergessen, es ist sogar zu

befürchten, daß über dieser zeitraubenden Beschäftigung der Welpe

selbst zu kurz kommt, der ja nicht nur ernährt, sondern auch beschäftigt

werden soll. Wenn der Sheltie-Welpe bei einer so abwechslungsreichen

Leben mit dem Sheltie

144

Futterplan

für einen 2 Monate alten, mittelgroßen Sheltie-Welpen

(Gewicht 2 bis 2,5 Kilogramm):

Dreimal täglich (früh, mittags und abends) bekommt der Welpe einen

"Fleischbrei": Ca. 50 g gekochtes Rindfleisch (fein geschnitten oder im Fleischwolf

durchgedreht) wird mit der gleichen Menge Hundeflockenbrei (in die

Fleischbrühe eingerührte Hundeflocken) vermischt. 1/2 Teelöffel

Welpenmilch-Trockenpulver oder 1/2 Teelöffel Vitamin-Kalk-Pulver wird gut

untergerührt und handwarm verfüttert.

Vor dem Schlafengehen: Hundekuchen oder anderes Trockenfutter, kleine

Menge.

Frisches Wasser muß immer bereitstehen

Fütterung Verdauungsprobleme bekommt, so ist es fast unmöglich, die

Ursache dafür herauszufinden (war es die Milch in den Corn Flakes oder

war es das Rührei?). Die einfachste Lösung wäre wohl, von Anfang an ein

Fertigfutter für Welpen zu füttern - wir meinen jedoch, daß eine gewisse

Abwechslung nicht nur den Genuß bei der Nahrungsaufnahme erhöht,

sondern auch vor den Folgen einer zu einseitigen Ernährung schützen

kann. Wir glauben auch, daß es leichter ist, die Angaben auf den

Fertigfutterprodukten zu verstehen, wenn man selbst weiß, wie ein

Basisfutter zubereitet wird.

Wir empfehlen daher, Sheltie-Welpen dreimal täglich ein in Menge

und Zusammensetzung gleiches Futter zu geben. Das Ziel ist eine möglichst

ungestörte Entwicklung ohne Verdauungs-Störungen, die besonders in den

ersten Tagen eine Gefahr sind; deswegen darf es in dieser ersten Zeit auch

keine Extra-Gaben zwischen den Mahlzeiten geben. Ist der Kot breiig, so

hilft meist das Überspringen der nächsten Mahlzeit und eine etwas

geringere Gesamtmenge des Futters.

Für alle 2 bis 4 Monate alten Sheltie-Welpen gibt es drei tägliche

Mahlzeiten, aber die Futtermenge ist abhängig vom Alter und Gewicht der

Welpen unterschiedlich. Deswegen ist es zunächst wichtig, den Welpen zu

wiegen. Ist der Welpe noch sehr klein (weniger als 2 Kilogramm Gewicht),

so empfiehlt sich zunächst die Futtermenge für 6 bis 8 Wochen alte Welpen

(siehe unter "Zucht-Praxis - Der erste Wurf), auch, wenn Ihr Welpe schon

älter sein sollte. Entsprechend vergrößern muß man die Futtermenge, wenn

der Welpe schon 3 oder mehr Kilogramm wiegt. Beginnen Sie jedoch

grundsätzlich lieber mit einer zu geringen Menge, die dann teelöffelweise

von Mahlzeit zu Mahlzeit gesteigert wird.

Leben mit dem Sheltie

145

Futterplan für einen erwachsenen Sheltie

Schulterhöhe 35,5 bis 38 cm - Gewicht 7 bis 9 Kilogramm

Frühstück: 1 bis 2 Hundekuchen oder anderes Trockenfutter.

Hauptmahlzeit: 120 bis 200 Gramm zerkleinertes, gekochtes Rindfleisch und die

gleiche Menge Hundeflockenbrei werden vermischt, ein gestrichener Teelöffel

Vitamin-Mineralstoff-Pulver wird gut untergerührt und handwarm verfüttert.

Frisches Wasser muß immer bereitstehen

Das von uns für den Sheltie vorgeschlagene Futter ist ein Basis-Futter,

das später variiert werden kann, indem beispielsweise auch

Welpen-Dosenfutter verfüttert wird; jede Veränderung in der Menge und

Zusammensetzung muß aber behutsam vorgenommen werden, um

Magen- und Darmverstimmungen zu vermeiden. Innereien (Herz, Leber,

Niere, Pansen) sollen nur selten verfüttert werden. Vorsicht bei Milch und

anderen unvergorenen Milchprodukten: Viele Hunde reagieren darauf mit

Durchfall! Als Mineralstoff- und Vitamin-Präparat kann zunächst jeder

Mahlzeit ein halber Teelöffel Hunde-Milchpulver zugemischt werden, das

nach und nach durch das Mineralstoff-Vitamin-Präparat oder durch

entsprechende Tabletten ersetzt wird.

"Hundeflocken" sind die Kohlehydrate in unserem Basisfutter. Diese

speziell für Hunde aufbereiteten Getreideflocken werden nicht gekocht,

sondern mit der warmen Fleischbrühe zu einem Brei verrührt. Hundeflocken

kann man durch besonders weich gekochten Reis ersetzen.

Aus den Tabellen kann man ersehen, daß schon ein 2 Monate alter

Sheltie-Welpe ungefähr die Futtermenge des erwachsenen Hundes

bekommt, allerdings verteilt auf 3 Mahlzeiten. Bei normaler Entwicklung

wird eine der Fleisch-Mahlzeiten im Alter von 4 Monaten (18 Wochen)

weggelassen. Die beiden verbleibenden (jetzt größeren) Mahlzeiten

werden bis ins Erwachsenenalter (etwa 12 Monate) weitergeführt, wobei

die Menge des Futters zwischen 4 und 7 Monaten etwas erhöht wird, denn

in diesem Alter muß sowohl dem Wachstum wie der besonderen Aktivität

des Junghundes Rechnung getragen werden. Shelties in diesem

Lebensalter sind manchmal schlechte Fresser; man muß sich dann etwas

Leckeres einfallen lassen, damit der Junghund nicht abmagert. Wenn der

Sheltie 1 Jahr alt ist, wird er - je nach Entwicklungszustand - mehr oder

weniger schnell auf eine Hauptmahlzeit (plus Frühstück) umgestellt.

Leben mit dem Sheltie

146

Den Knochen als Futtermittel wollen wir einen eigenen Absatz

widmen, denn es gibt hier viel Unsicherheit bei Hundebesitzern und große

Gefahren für den Sheltie. Die Vorteile von Knochen sind: Freizeitvergnügen

für den Hund, saubere Zähne, Kalkversorgung. Ihre Nachteile überwiegen

allerdings bei weitem: Sie sind überaus gefährlich! Dabei kommt es

praktisch nie vor, daß sie Magen oder Darm verletzen, sondern viel öfter

bleiben sie im Schlund (Erstickungsgefahr) oder in der Speiseröhre vor dem

Magen stecken (was eine komplizierte Operation notwendig macht).

Weiterhin kann die Knochenmasse im Enddarm zementartig verhärten, was

ebenfalls einen tierärztlichen Eingriff erfordern kann. Schließlich, und das ist

einem unserer Shelties passiert, können die Zähne am Knochen abrutschen

und (an den eigenen Zähnen) zersplittern. In höchstem Grade

lebensgefährlich können Knochen oder auch Knorpelstücke werden ,

wenn der Hund sie ohne Aufsicht benagt oder zu fressen versucht: uns

wurde ein Fall bekannt, wo der Hund später erstickt aufgefunden wurde!

Daher unser Rat: Verzichten Sie darauf, Ihrem Sheltie Knochen zu

geben, auch wenn es schwerfällt. Wenn Ihr Sheltie ein begeisterter

Büffelhautknochen-Kauer ist, dann ist auch für die Sauberkeit der Zähne

gesorgt. Neuerdings gibt es auch Kaustangen aus anderen Materialien.

Der Tierarzt - Impfungen - Bekämpfung von Parasiten

Die in ein- und zweijährlichen Abständen notwendigen Impfungen

sind eine gute Gelegenheit, sich mit einem Tierarzt bekannt zu machen. Ein

tatkräftiger, kenntnisreicher Tierarzt ist Ihr unersetzlicher Bundesgenosse bei

der Hundehaltung. Ignorieren Sie die Verlockungen zu Kurpfuschereien, die

gerade in Hundezüchter-Kreisen mit Hartnäckigkeit umgehen. Für

Aufgeklärte, die beispielsweise die Staupe-Schutzimpfung als ein Geschenk

der Wissenschaft empfinden, ist es unfaßbar, daß manche Apostel des

Aberglaubens auf diese Impfung immer noch verzichten möchten. Es ist

daher gut, sich unter Hundebesitzern beizeiten umzuhören, wo ein

erfahrener Facharzt für Hunde praktiziert.

Wir empfehlen, beim Tierarztbesuch den Sheltie während der

Wartezeit auf dem Schoß zu halten und Kontakte mit anderen Hunden im

Wartezimmer zu vermeiden. Für den Welpen sind zunächst die Impftermine

wichtig. Den vom Züchter oder im Impfpaß genannten Termin für die

zweite Impfung gegen die fünf gefürchteten Hundekrankheiten (Staupe -

Hepatitis - Leptospirose - Parvovirose - Zwingerhusten), muß man genau

einhalten, denn erst mit ihr ist die Grundimmunisierung des Welpen

abgeschlossen. Die Schutzimpfung gegen Tollwut folgt meist erst im Alter

von 6 Monaten, es sei denn, man wohnt in einer tollwutgefährdeten

Gegend, oder Ihr Jungsheltie soll Sie schon bald ins Ausland begleiten.

Leben mit dem Sheltie

147

Schwierig ist oft die Entscheidung, wann der Hund als krank

anzusehen ist, sodaß er zum Tierarzt muß. Erleichtert wird diese

Entscheidung oft, wenn man ein Buch über Hundekrankheiten besitzt, das

in leicht verständlicher Form geschrieben ist. Weiterhin benötigt man ein

Fieberthermometer, und zwar ein sogenanntes Kinder-Thermometer, das

über seine ganze Länge dünn ist und am Ende einen Griff hat. Die

Temperatur wird am besten beim liegenden Sheltie gemessen, indem man

das Thermometer mit Öl oder Vaseline gleitfähig macht und es dann 3 bis

4 cm in den After einführt. Sowohl der Hund wie das Thermometer werden

dann etwa 3 Minuten festgehalten. Die Normaltemperatur liegt zwischen

38,5 und 39C und damit höher als beim Menschen .

Alarmzeichen, die besonders bei Welpen einen unverzüglichen

Tierarztbesuch notwendig machen sind Durchfall und Erbrechen aus

unerklärlichen Gründen, ungewöhnliche Körperhaltung, Fieber, ständiges

Was sertrinken. Aber auch Apathie, Futterverweigerung und

Sichverkriechen in der Wohnung oder im Garten, sollte man besonders bei

älteren Hunden sehr ernst nehmen. Bei der Hündin ab etwa 7 Jahren muß

1 bis 4 Wochen nach einer Hitze auf Anzeichen von Unwohlsein geachtet

werden, das eine Gebärmutterentzündung anzeigen kann (siehe auch

unter "Der alte Sheltie"). In Notfällen ist es notwendig, zunächst den Tierarzt

telefonisch zu benachrichtigen, damit in der Praxis Vorbereitungen

getroffen werden können.

Geben Sie dem Hund niemals irgendwelche Mittel aus Ihrer

Menschen-Hausapotheke, es sei denn, Ihr Tierarzt hat es ausdrücklich

erlaubt: es gibt einige Mittel, die bei uns Menschen relativ harmlos sind,

beim Hund aber eine fatale Wirkung haben können!

Wenn Sie mit Ihrem Sheltie den ersten Sommer verbringen, dann

werden Sie beide auch mit Zecken Bekanntschaft machen, die besonders

zwischen Mai und August aktiv sind. Es gibt Wege, Wälder und Gebüsche,

die von diesem Ungeziefer so verseucht sind, daß man sie im Sommer

meiden muß. In manchen Landstrichen gibt es darüber hinaus Zecken, die

verschiedene gefährliche Krankheiten sowohl auf den Hund wie auch auf

den Menschen übertragen können. Ungezieferhalsbänder schrecken die

Zecken nach unserer Erfahrung nicht ab. Nach einer sommerlichen

Waldwanderung schaut man sich Kopf und Hals des Hundes auf

herumkrabbelnde kleine schwarze, käferähnliche Tiere an und bürstet den

Hund eventuell kurz durch. Hat sich die Zecke festgesetzt (besonders gern

tut sie dies in der Kopf-, Hals- und Brustregion) dann benötigt man eine

stumpfe Pinzette und eine zweite Person, die den Sheltie ruhighält. Mit der

Pinzette wird die Zecke gepackt und dann ganz langsam - ohne jedes

Ziehen - um ihre eigene Achse gedreht. Die Zecke mag es nicht, daß ihre

Bohrwerkzeuge korkenzieherartig verformt werden und läßt los. Zieht man

an der Zecke ohne zu drehen, so bleiben diese Werkzeuge oder sogar der

Leben mit dem Sheltie

148

ganze Vorderkörper in der Haut und verursachen Entzündungen - dies

passiert auch, wenn der Hund sich die Zecke selbst ausreißt. Der

Fremdkörper muß dann von einem geschickten Besitzer oder vom Tierarzt

entfernt und die Stelle desinfiziert werden.

Ebenfalls in manchen Sommern können Flöhe zu einer richtigen Plage

werden, und es sollte bei den ersten Anzeichen sofort mit allen Mitteln

eingegriffen werden, um eine Verbreitung der Parasiten in der Wohnung zu

verhindern. Da Flöhe den Hund nur zur Nahrungsaufnahme besuchen, sich

aber sonst in Ritzen, Teppichen, Fußmatten, Autopolstern usw. vermehren,

können einzelne Flöhe ausreichen, um nach wenigen Wochen eine Plage

auszulösen. Kratzt sich Ihr Sheltie plötzlich hektisch oder beißt sich ins Fell,

dann sollte er gründlich untersucht werden: Finden sich um die Ohren

herum oder in der Halsregion schwarze Körnchen, die aussehen wie

Kaffeepulver, so ist dies Flohkot, der bereits auf mehrere auf dem Hund

saugende Plagegeister hinweist. In diesem Fall ist ein flüssiges Flohmittel

notwendig, das man dem Hund ins Fell sprüht - nach etwa einer Stunde

wird der Sheltie gründlich auf einem weißen Tuch oder Papier

durchgebürstet. Nach dieser Behandlung oder auch bei Shelties, bei

denen es nur einen Floh-Verdacht aber noch keinen Flohkot gibt, trägt der

Hund in den nächsten 3 Nächten ein Ungeziefer-Halsband. In der Nacht ist

dieses Halsband am wirkungsvollsten und vernichtet auch Flöhe, die

vielleicht schon im Hundekorb nisten. Vom ständigen Tragen dieses giftigen

Halsbandes möchten wir aber abraten. Aufbewahrt wird das

Ungeziefer-Halsband am besten in einem kleinen, fest schließenden

Schraubglas - es behält dann lange Zeit seine Wirkung. Eine

Floh-Bekämpfung ist nur dann auf Dauer erfolgreich, wenn auch das oder

die Lager des Hundes saubergehalten werden und eventuelle andere

Floh-Importeure (Katzen, Igel) beachtet werden.

Wurmparasiten sind heutzutage bei einem Welpen aus guter Zucht

keine Gefahr mehr, denn der Züchter hat den Welpen mehrfach gegen

Hunde-Spulwürmer entwurmt und wi rd seine Shelties durch

Flohbekämpfung und richtiges Futter auch vor Bandwürmern schützen.

Wenn man als Besitzer ganz sicher sein will, läßt man jeweils beim jährlichen

Impftermin eine kleine Kotprobe vom Tierarzt untersuchen. Das Rutschen

auf dem Hinterteil, das in Hundebüchern manchmal als Hinweis auf

Würmer genannt wird, wird nach unserer Erfahrung entweder verursacht

durch einen unverdauten Grashalm im After, oder die beiden Analdrüsen

sind verstopft oder gar entzündet - hier weiß der Tierarzt Rat.

Ein wenig Sheltie-Erziehung

Für einen erwachsenen, bereits wohlerzogenen Sheltie ist das

Leben mit dem Sheltie

149

Ausbleiben des Lobes, ein unfreundlicher Gesichtsausdruck oder ein

ärgerlicher Tonfall in der Stimme schon Strafe, und er wird sich bemühen,

diese Reaktionen seines Herrn zu vermeiden. Auch Welpen lernen die

Zusammenhänge schnell, so daß das tägliche Leben mit einigen "Nein",

"Aus", "Pfui" und andererseits viel Lob und Ermunterung bald harmonisch

verläuft. Es gibt jedoch einige Dinge, wo ein gewisser Zwang auf den

Sheltie ausgeübt werden muß. Hierzu gehören zum Beispiel alle

Maßnahmen, die für die Körperpflege und Gesundheit des Welpen und

Junghundes notwendig sind: Das widerstandslose Stillhalten beim Bürsten

und Kämmen, die Kontrolle und Reinigung des Gebisses, das Schneiden

der Krallen usw. Je schwieriger das am Anfang ist, um so konsequenter und

häufiger muß geübt werden, wobei das abschließende große Lob und

eine Belohnung bald ihre Wirkung zeigen werden. Ein wichtiges

Nebenergebnis dieser Übungen ist, daß der Sheltie lernt, daß er Ihnen

immer vertrauen kann, auch wenn es einmal ein wenig wehtut.

Eine Bestrafung sollte immer hundegemäß sein: Bei kleinen Vergehen

der Griff über die Schnauze (das macht der Ranghöhere, wenn er den

Rangn iederen z u rec h twe i s t ) . S c h l imme re S ü nden oder

Wiederholungssünden werden durch Festhalten am Fell und scharfes

Anstarren verbunden mit den entsprechenden Lautzeichen ("Nein", "Aus",

"Pfui") bestraft. Die härteste Strafe ist das Packen im Genickfell - eine Strafe,

die nur gerechtfertigt ist, wenn das Leben des Sheltie durch eine Unart in

Gefahr ist: Der Hund nagt an elektrischen Kabeln, läuft allein über die

Straße, entfernt sich vom Grundstück, jagt hinter Radfahrern, Mopeds oder

Autos her, verfolgt Haustiere und Wild, ohne auf Zuruf zurückzukommen. In

solchen Fällen läuft man so schnell wie möglich zu dem Sünder hin und

packt ihn kurz mit dem Ruf "Aus" im Genick. Ist eine sofortige Bestrafung

nicht möglich, so nimmt man den Hund ohne ein Wort an eine Zugleine

und beobachtet das Verhalten im Wiederholungsfall. Versucht er jetzt

wieder diese gefährliche Unart, so wird er mit einem Ruck an der Leine

oder dem Griff in den Nacken sofort bestraft. Benimmt er sich beim

nächsten Mal richtig, so vergessen Sie nicht, ihn dafür ausgiebig zu loben.

Niemals darf man seinen Hund bestrafen, wenn er auf Rufen

herankommt, auch nicht, wenn das Rufen fast eine Viertelstunde gedauert

hat! Auch einige Handlungen, die vom Besitzer keineswegs als Strafe

gemeint sind, können vom Sheltie so verstanden werden und müssen

vermieden werden, wenn man dem Hund das Herkommen nicht verleiden

will: Hochnehmen sofort nach dem Herkommen, sowie das sofortige

Anleinen können auf den Hund wie eine Strafe wirken.

Noch einmal: Schimpfen und strafen Sie nur, wenn Sie das

harmonische Zusammenleben mit dem Hund durch eine Unart gefährdet

sehen. Ständiges Herumnörgeln "Was hast du jetzt schon wieder angestellt"

und die entsprechenden vernichtenden Blicke machen aus Ihrem Sheltie

Leben mit dem Sheltie

150

einen unsicheren, unselbständigen Hund. Lernen Sie vielmehr, bei

richtigem und erwünschtem Verhalten Ihrer Freude überschwenglich durch

Lob und Zuwendung Ausdruck zu verleihen!

Stubenreinheit. Wenn der Welpe 8 oder 10 Wochen alt ist, so darf man

nicht erwarten, daß er in wenigen Tagen stubenrein ist - vor der

Stubenreinheit hat jetzt noch das Fressen und Wachsen Vorrang. Die drei

täglichen Mahlzeiten machen es dem jungen Welpen mit seiner noch sehr

kurzen Verdauungszeit unmöglich, nachts durchzuhalten. Auch tagsüber

muß der Kleine erstaunlich oft; wie schon erwähnt, kann ein

Kurzzeit-Wecker helfen, den Welpen regelmäßig hinauszubringen - je

seltener in den ersten Tagen ein Malheur passiert, umso schneller hat man

es geschafft. An der für den Welpen bestimmten Stelle wird er mit immer

gleichen Worten zur Erledigung seiner Geschäfte aufgefordert. Den Erfolg

quittiert man mit großer Freude. Besonders dringend ist es nach dem

Schlafen, unmittelbar nach den Mahlzeiten und etwa eine Stunde später.

Wenn der Welpe mit der Nase am Boden kreisförmig in Ecken umherläuft,

dann wird es höchste Zeit. Ein Händeklatschen kann die böse Tat

manchmal noch in letzter Sekunde verhindern. Ist es trotzdem einmal

passiert, ohne daß man den Urheber in flagranti erwischt hat, so muß man

stillschweigend darüber hinweggehen. Die Stelle wird gesäubert und mit

einem Desinfektionsmittel oder Feuerzeugbenzin betupft, um den Welpen

von einer Wiederbenutzung abzuschrecken. In den ersten Tagen und bei

noch sehr jungen Welpen kann man nur vorbeugen und richtige

Handlungen mit viel Lob und Liebesbezeigungen belohnen. Ältere Welpen,

die man bei der Tat ertappt, werden mit einem tadelnden "Pfui", "Aus" oder

"Nein" hochgehoben und an die dafür vorgesehene Stelle gebracht. Bei

Wiederholungstätern kann die Strafe durch leichtes Schütteln am Boden

verstärkt werden - wenn man jedoch vergißt, den Welpen regelmäßig

hinauszubringen, dann muß man mit sich selbst ins Gericht gehen.

Bei Sheltie-Welpen, die im Spätsommer oder Herbst geboren wurden,

sind die obengenannten Ratschläge leichter gesagt als getan: Dunkelheit,

Nässe und Kälte halten Besitzer und Welpen gleichermaßen davon ab,

häufig ins Freie zu gehen. Da viele Welpen schon vom Züchter her

Zeitungspapier als Lösung kennen, richtet man auch tagsüber für den

Welpen eine solche Zeitungstoilette ein: der Balkon, der Vorkeller oder eine

andere stille, aber immer zugängliche Ecke eignen sich dafür. Man muß

allerdings wissen, daß es immer schwieriger wird, einen Welpen an's Freie

zu gewöhnen, je länger er regelmäßig aufs Papier machen durfte. Es hat

schon Welpen gegeben, die nach einem langen Spaziergang in's Haus

stürmten, um dort ihr "Zeitungsgeschäft" zu erledigen.

Auf die nächtliche Stubenreinheit kann man indirekt hinwirken, indem

man die letzte Mahlzeit nicht zu spät gibt (nicht nach 18 Uhr) und der

Junghund sowohl nach dem Fressen wie auch vor dem Schlafen

Leben mit dem Sheltie

151

hinausgebracht wird. Vor dem Alter von vier Monaten ist jedoch ein

nächtliches Durchhalten meist nicht möglich. Auch später kann es noch

einmal ein Malheur geben, beispielsweise nach besonderen Aufregungen

oder kleinen Krisen in der Entwicklung. Auch bei längerem Alleinsein

tagsüber oder während einer aufregenden oder zu langen Autofahrt darf

man es dem Jung-Sheltie nicht übelnehmen, wenn er sich einmal vergißt.

Vorbeugend sollte man vor längeren Reisen nichts oder nur kleine Mengen

füttern.

L e i n e n f ü h r i g k e i t . V o r a u s s e t z u n g f ü r a l l e we i t e r e n

Erziehungsmaßnahmen ist, daß der Welpe lernt, an der Leine zu gehen.

Damit beginnt man sofort, indem man den Welpen mit einem genau

passenden Lederhalsband ausstattet, das er in der Zeit des Lernens ständig

tragen sollte. Das erste Vertrautmachen mit der Leine geht am besten in

der Wohnung mit einem Leckerbissen, der zusammen mit der Leine

gebracht wird. Nach einem ersten Häppchen wird die Leine angelegt und

man läßt dann den Kleinen an der Leine posieren, indem man ihm den

Leckerbissen zeigt und bei ruhigem, aufmerksamem Stehen mit viel Lob

gibt. Auch bei den ersten kleinen Ausflügen sind Leckerbissen dabei, die

bei richtigem Verhalten verteilt werden. Wenn der Welpe sich der Leine

widersetzt, hilft nur gutes Zureden, Locken und Loben. Ihre Kinder sollten

den Welpen erst führen, wenn er schon gut an der Leine geht. Als nächstes

benutzt man eine sogenannte "Zugleine" (5 m lang, für kleine Hunde): Sie

gibt dem Sheltie die notwendige Bewegungsfreiheit, kann aber jederzeit

als Rettungsleine und Erziehungsmittel dienen, mit dem man zum Beispiel

das zuverlässige Herkommen auf Befehl spielerisch aber konsequent üben

kann.

Die nächsthöhere Stufe der Leinenführigkeit, die man nicht zu lange

hinauszögern sollte, ist das Links-neben-dem-Herrn-Gehen: Wenn der

Welpe einigermaßen an der Zugleine läuft, legt man ihm einmal täglich

eine kurze Leine an und geht mit ihm einige hundert Meter. Hierbei führt

man den Kleinen links neben sich, wobei man ihn mit dem Wort "Fuß" und

einem leichten Leinenruck immer wieder in diese Position bringt, wenn er

versucht, an der Leine zu ziehen oder zu weit seitlich zu laufen. Die Leine

darf niemals auf Dauerspannung gehalten werden, sondern bleibt nach

dem Ruck locker, beim Vorpreschen kommt jedoch sofort wieder ein

leichter Ruck und das Wort "Fuß". Geht der Welpe einige Schritte korrekt an

lockerer Leine, so sagt man "Braver Hund"; prescht er daraufhin wieder los,

so folgt wieder der leichte Ruck usw. Überfordern darf man den Welpen

dabei nicht - der Junghund allerdings muß das Bei-Fuß-gehen

beherrschen, um ein angenehmer Begleiter zu sein.

Sheltie-Besitzern, die ihren Hund später vielleicht einmal auf eine

Ausstellung bringen möchten, empfehlen wir, den Sheltie gelegentlich im

Trab an der Leine neben sich laufen zu lassen, denn damit trainiert man

Leben mit dem Sheltie

152

gleichzeitig die richtige Gangart für die Ausstellung. Man führt dabei

seinen Hund links neben sich an lockerer Leine in einem so schnellen Trab,

daß er gerade nicht in Galopp fällt - dies erfordert einen relativ schnellen

Schritt des Besitzers. Nach einer gewissen Strecke schaltet man eine

Kehrtwendung ein, wobei der Hund in der Bewegung gehalten wird.

Engländer und Amerikaner nennen diese Leibesübung für zukünftige

Aussteller "road work". In den letzten zwei Wochen vor der Ausstellung kann

man das Training intensivieren. Sie werden staunen, wie sich Muskulatur

und Kondition des Sheltie verbessern und sein Trab zu jener fließenden

Bewegung wird, die man von der Rasse erwartet. Nicht zuletzt hilft diese

Übung auch dem Besitzer, sich koordiniert und mit der richtigen

Geschwindigkeit zu bewegen.

Unsere erwachsenen Shelties tragen tagsüber kein Halsband, um die

Halskrause zu schonen. Unterwegs tragen sie eine feine Metallkette mit

Erkennungs-Hülse, die jedoch nicht als Halsband dient. Wir benützen

unterwegs sogenannte Schauleinen, etwa 1 cm breite, in allen Farben

erhältliche Nylon-Leinen, deren vorderes doppeltes Ende als Halsband

dient, das mittels einer Rutsch-Klemme auf jede Halsweite sicher

einzustellen ist. Solche Leinen sind waschbar, lassen sich leicht in der

Manteltasche verstauen und stören den Sheltie beim Sitzen oder Liegen

(z.B. in Gaststätten) überhaupt nicht.

Autofahren gehört für einen modernen Hund zur Allgemeinbildung.

Die ersten Ausfahrten mit dem Welpen sollten kurz und erfreulich sein. Ein

bis drei Kilometer Fahrt zu einer schönen Wiese oder zu einem

Spielkameraden werden die Autofahrt für den Sheltie positiv färben. Wenn

man den Rücksitz mit einer entsprechenden Auflage versieht, wird auch

das in der Aufregung gemachte Pfützchen die gute Laune von Mensch

und Hund nicht trüben. Das Herunterfallen vom Rücksitz kann man durch

einen in den Fußraum gestellten Karton verhindern.

Auch wenn der Sheltie das Auto als ein sehr angenehmes

Fahr-Gehäuse empfindet, ist die Gefahr groß, daß er eines Tages durch ein

Fahrzeug verletzt oder getötet wird. Eine besonders große Gefahr für das

Leben des Sheltie ist das eigene Auto, beziehungsweise die Autos seiner

Familie, besonders, wenn auf dem eigenen Grundstück eine gewisse

Strecke zurückgelegt wird. Der Sheltie ist so klein, daß man seine

Anwesenheit vor oder hinter dem Auto nicht bemerkt - hier muß man sich

selbst und den anderen Familienmitgliedern ganz feste Regeln einüben:

Das Auto darf nur bewegt werden, wenn man genau weiß, daß der Hund

im Haus ist oder wenn eine zweite Person den Hund an einer vom Fahrer

einzusehenden Stelle festhält.

Das Alleinsein. Beim Welpen ist es relativ leicht, ihn an das

gelegentliche Alleinsein zu gewöhnen, denn er hat ein sehr großes

Leben mit dem Sheltie

153

Schlafbedürfnis, das man sich zunutze machen kann. Man wählt für die

ersten Übungen die Tageszeit, zu der der Welpe später vielleicht auch

allein sein soll. Vorbedingung ist, daß der Welpe müde und satt ist. Man

bringt ihn dann an seinen Schlafplatz und sagt ihm - immer mit gleichen

Worten - daß er jetzt hierbleiben muß, etc. Am besten verläßt man das

Haus oder die Wohnung wirklich - wenn man nämlich an der Tür lauscht,

ob der Welpe ruhig ist, und wieder schimpfend hineingeht, wenn er

jammert, dann lernt der Sheltie daraus, daß man nur zu jammern braucht,

um den Besitzer zurückzuholen. Wenn man nach 1 bis 2 Stunden

zurückkehrt, wird der Welpe sehr gelobt und belohnt. Man benutzt immer

dieselben Worte, wenn der Hund länger alleinbleiben soll - dies gilt auch,

wenn er im Auto warten soll.

Weniger bellen. Die meisten Shelties sind bellfreudig und drücken ihre

Lebensfreude und ihre Wünsche durch verschiedenartiges Bellen aus.

Verdächtige Gestalten und Geräusche werden sofort mit einem wilden

Gebell gemeldet. Als Alarmanlage in einsamen Gegenden ist ein Sheltie

daher bestens geeignet - in einer Wohnsiedlung und noch mehr in einem

Mehrfamilienhaus kann das allerdings zum Problem werden, wenn nicht

alle Familienmitglieder von Anfang an auf den Sheltie einwirken. Mit einem

festen Griff über die Schnauze und einem "Nein" oder "Still" kann man

überflüssiges Bellen einschränken und sich das Wohlwollen der Nachbarn

und Mitbewohner erhalten. Bedenken Sie auch bei der Anschaffung eines

zweiten Sheltie, daß die beiden nicht nur sehr viel mehr bellen, sondern

auch schwieriger zur Ruhe zu bringen sind.

Das freudige und zuverlässige Herkommen bis vor die Füße des Herrn

in verschiedensten Situationen ist bereits ein hoher Ausbildungsstand, auf

den man mit Recht stolz sein darf! Das Herkommen ist Grundlage des

harmonischen Zusammenlebens zwischen Mensch und Hund,

Lebensversicherung für den Sheltie und die Basis jeder weiteren

Ausbildung. Das Geheimnis des Erfolges ist auch hier: Konsequenz! Hat

man den Befehl "Komm", "Hierher" oder "Hier" erst einmal ausgesprochen,

dann MUSS der Sheltie herkommen, auch, wenn die vermeintliche Gefahr

inzwischen gebannt ist, oder man es sich anders überlegt hat! Besprechen

Sie das auch mit Ihren Kindern und anderen Bezugspersonen, damit der

Sheltie Gehorsam nicht nur auf eine Person in der Familie bezieht.

Neben dem Herkommen scheint uns noch die Befolgung eines

anderen Befehles für das Leben mit dem Sheltie wichtig: STEH! Sofortiges

Stehenbleiben bzw. das ruhige Stehen ist in den verschiedensten

Situationen hilfreich und wichtig: Im täglichen Leben bleibt der Hund auf

"Steh" an der Haustür stehen, so daß man seine schmutzigen Füße säubern

kann, er läßt sich im Stand kämmen und bürsten, er steht geduldig bis man

ein schönes Photo gemacht hat und der vielversprechende Jung-Sheltie,

der vielleicht eine Ausstellungs-Karriere vor sich hat, lernt das Posieren und

Leben mit dem Sheltie

154

"Sich Zeigen". Auf Spaziergängen wird das "Steh" vor dem Überqueren von

Straßen schnell zur Routine, wenn man es mit einem leichten Ruck an der

Leine übt. Auch in Situationen, wo es für ein Herkommen zu gefährlich ist,

kann das "Steh" zum Retter in der Not werden.

Bei allen Befehlen sollte man darauf hinarbeiten, daß er nur einmal

ausgesprochen wird und vom Hunde sofort befolgt wird. Ein bestimmtes

Handzeichen in Verbindung mit dem Befehlswort (z.B. erhobener Arm =

"Hierher"; ausgestreckter Arm mit abwehrender Handfläche = "Steh")

erleichtert dem Hund das Lernen und kann später auch ohne das

Lautzeichen benutzt werden. Besonders hilfreich ist dies bei alten, schon

etwas schwerhörigen Shelties.

Solche Erziehungsmaßnahmen haben vor allem das Ziel, Ihren Sheltie

vor den Gefahren des Straßenverkehrs zu schützen. Das Auto, nicht zuletzt

auch das eigene, ist eine große Gefahr für das Leben des Sheltie.

Nachdenklich muß dabei stimmen, daß es meist nicht die unerfahrenen

Welpen sind, die ein Opfer des Verkehrs werden, sondern Hunde die "aufs

Wort" gehorchten; auch der besterzogene Sheltie kann die Gefahr nicht

selbst einschätzen und sich vernünftig verhalten. Niemals darf man seinen

Sheltie überschätzen, indem man ihn in der Stadt ohne Leine laufen läßt!

Zum Schluß noch einmal: Trotz der Notwendigkeit einer gewissen

Erziehung sollte ein Jung-Sheltie sein Leben nicht zwischen lauter

Vorschriften und Tabus zubringen müssen. Im Gegenteil, es sollte ihm viel

Zeit zugebilligt werden, wo er er selbst sein darf. Sei es zu Hause mit

Spielsachen, sei es auf dem Spaziergang mit anderen Hunden - er sollte

seinen Neigungen oft und lange ungehemmt nachgehen dürfen (so etwa

hat es einmal der Hundekenner Urs Ochsenbein im "Schweizer Hundesport"

gesagt).

Mit dem Sheltie unterwegs

Der Sheltie ist nach Aussehen, Größe und Charakter ein Hund, den

man fast überall mitnehmen kann, und der fast überall gern gesehen wird.

Zu den schönsten Erlebnissen unseres Lebens mit Shelties gehört es, wenn

fremde Menschen stehenbleiben und sprachlos mit verklärtem Blick den

Sheltie betrachten - dies sind die Augenblicke, in denen wir fühlen, daß

diese Rasse gerade in unserer modernen Welt ihre Daseinsberechtigung

hat.

Trotzdem sollte man das Mitnehmen auch nicht übertreiben, im

Interesse des Hundes, aber auch aus Respekt vor Menschen, die eine

Antipathie gegen Hunde haben. Einige Menschen wollen Hunde nicht in

Leben mit dem Sheltie

155

ihrer Nähe haben, und haben Einwände gegen ihre Mitnahme z.B. in

Restaurants. In anderen Ländern kann das Mitführen des Hundes auf

Unverständnis und Ablehnung stoßen.

Beim Welpen und Junghund ist die Gefahr besonders groß, daß man

zuviel des Guten tut. Alle Aktivitäten sollten so bemessen sein, daß auch

tagsüber Schlaf- und Ruhezeiten für den Sheltie möglich sind. Wenn

ständig etwas los ist, und er überallhin mitgenommen wird, hat er ein

Schlafdefizit, das seine körperliche Entwicklung beeinträchtigen kann. Eine

Geschäftsfrau nahm beispielsweise ihren Jungsheltie mit ins Geschäft. Eine

chronische Magenentzündung, die von verschiedenen Tierärzten ohne

Erfolg behandelt wurde, verschwand erst, als er am Vormittag zuhause

bleiben durfte. Vor allem, wenn Kinder in der Familie sind, muß auf das

Ruhebedürfnis des Welpen geachtet werden, ganz besonders nach den

Mahlzeiten.

Die Ausflüge und Unternehmungen des Welpen werden sich zunächst

auf die nähere Umgebung beschränken, wobei aber regelmäßige kurze

Autofahrten wichtig sind. Vordringlich ist jetzt, da der Sheltie-Welpe nur

noch mit Menschen zusammenlebt, daß er das in den ersten Wochen von

Mutter und Geschwistern gelernte Sozialverhalten vervollständigt und auf

fremde Hunde überträgt. Viel Kontakt und Spiel mit anderen Hunden wird

aus dem Sheltie einen unter Seinesgleichen anerkannten Hund machen,

der die richtigen Umgangsformen beherrscht, die ihn vor Anfeindungen

durch andere Hunde am besten schützen.

Da der Impfschutz des Welpen womögl ich noch nicht

hundertprozentig ist, wählt man für die ersten Kontakte zunächst noch

nicht die von allen anderen benutzte Hundewiese, sondern verabredet

sich mit netten Besitzern entsprechender Nachbarshunde an einer

anderen Stelle. Grundsätzlich sollte man den Sheltie an die Leine nehmen,

wenn man sieht, daß ein entgegenkommender Hundebesitzer seinen Hund

anleint. Der Hund ist vielleicht krank, läufig, bissig oder alles zusammen -

davon abgesehen ist es ein Akt der Höflichkeit dem anderen Besitzer

gegenüber, der vielleicht einfach nur seine Ruhe haben will.

Für die ersten Ausflüge in die Stadt wählt man das ruhige

Wochenende oder den Abend. Der Sheltie wird noch im Auto angeleint

und bleibt in der Stadt immer an der Leine. Um es deutlich zu sagen: auch

ein Hund, der alle Ausbildungsprüfungen erfolgreich absolviert hat, bleibt

in der Stadt immer an der Leine. Es gibt unendlich viele unvorhersehbare

Situationen, die einen Hund veranlassen können, 2 oder 3 Meter zur Seite

zu springen: Kinderpistole, Sirene, Metallgitter am Boden, umfallende

Gegenstände usw. Dieses Beiseite-Springen kann in der Stadt tödlich sein!

Leben mit dem Sheltie

156

In der Manteltasche hat man Papiertaschentücher und einen kleinen

Plastikbeutel, um ein Malheur sofort verschwinden zu lassen - auch in dieser

Beziehung sollte ein Sheltie und sein Besitzer nur angenehm auffallen. Jetzt

kommt es darauf an, nicht nur den Hund an die Stadt zu gewöhnen,

sondern selbst zu lernen, die Stadt etwas aus der Sheltie-Perspektive zu

sehen. Die Auspuffrohre der Autos sind genau in Kopfhöhe des Sheltie, der

über dem Arm getragene Schirm von Passanten droht mit seiner

Metallspitze, Metallroste vor Eingängen und Gullys an Straßenrändern

können von Sheltie-Füßen oft nicht gemeistert werden, und durchgehend

verglaste Türen sind für den Hund unsichtbar. Im Winter, wenn in der Stadt

Salz gestreut wird, kann der Hund überhaupt nicht mitgenommen werden.

Es ist erstaunlich, wieviele Leute sich in der Stadt für den Sheltie

interessieren. Reserviert aber höflich werden Sie beide auch diese Situation

meistern. Erlauben Sie einigen netten Menschen, den Hund anzufassen,

wobei Sie dem Hund signalisieren, daß Sie es wünschen. Im übrigen aber

sagen Sie freundlich und bestimmt: "Bitte nicht anfassen".

Der Urlaub im ersten Jahr sollte nicht gleich ganztägige

Bergwanderungen einschließen. Wenn man Meer und Strand liebt, sind

viele Orte in Dänemark, Holland oder an unserer Küste geeignet, südliche

Länder (einschließlich Frankreichs) sind nach unserer Meinung für Hunde

ungeeignet: Die Hitze, frei herumlaufende Hunde, die mit unbekannten

Krankheiten und Parasiten behaftet sind, und die insgesamt andere

Einstellung vieler Menschen gegenüber Hunden sprechen dagegen.

Trotzdem braucht man auch als Sheltie-Besitzer nicht auf den Süden

oder auf eine Flugreise zu verzichten. Der Sheltie kann inzwischen ebenfalls

neue Eindrücke und Erlebnisse sammeln, indem er beispielsweise in der

Familie eines gleichaltrigen Hundes seine Ferien verbringt. An den

Urlaubs-Pflegeplatz für den Sheltie sollte man möglichst schon bei seiner

Anschaffung denken. Ideal ist ein Urlaubs-Tausch, wenn von Anfang an

freundschaftliche Kontakte mit der Familie eines Geschwisters oder mit

einer anderen Sheltie-Familie bestehen. Natürlich funktioniert das auch mit

Besitzern anderer kleiner Hunderassen, aber nach unserer Erfahrung fühlen

sich Shelties besonders stark zueinander hingezogen. Im ersten Lebensjahr

ist es allerdings für einen längeren Urlaubs-Tausch noch etwas zu früh, denn

eine gute Grunderziehung und die feste Bindung an die eigene Familie

sind dafür Voraussetzungen.

Bei jeder Unternehmung, für die das Auto notwendig ist, legt man

dem Sheltie die Halskette mit der Erkennungs-Hülse an, in der sich Adresse

und Telefon-Nummer eines Freundes, Nachbarn oder Verwandten

befindet - wenn der Hund unterwegs verloren geht, nützt es meist nichts,

wenn die eigene Telefon-Nummer angerufen wird. Verlorengegangene

Shelties sind leider garnicht so selten: Schrecksituationen, aber auch

Leben mit dem Sheltie

157

Unachtsamkeit von Hund oder Besitzer beim Wandern können dazu führen.

Auch der ältere Sheltie, dessen Gehör schon etwas nachläßt, kann

plötzlich die Orientierung verlieren. Auf sich allein gestellt, sind Shelties oft

extrem scheu, besonders wenn sie das Gefühl haben, verfolgt zu werden.

Oft hat es sich dabei bewährt, mit anderen Shelties auf die Suche zu

gehen, die sich dem Verlorengegangenen leichter nähern können.

Für längere Autofahrten kommt das Schaumstoffbett des Sheltie mit

auf die Reise. Bei uns hat dieses Reisebett einen karierten Überzug in

Kopfkissengröße. Wenn man die Ecken des Überzuges fest in die

Rücksitz-Polsterung zwischen Sitz und Rückenlehne stopft, erreicht man ein

hohes Maß an Sicherheit bei Bremsmanövern etc. Relativ hohe

Temperaturen im fahrenden Auto sind für den Hund zu ertragen, wenn er

zwischendurch Wasser bekommt, nicht jedoch direkte Sonneneinstrahlung,

gegen die man den Sheltie mit einem ins Seitenfenster gehängten Tuch

schützen muß. Die Wasserflasche und der Trinknapf sind weitere Utensilien

für eine längere Fahrt. Wird unterwegs übernachtet oder fährt man

längere Zeit weg, so sollte auch das Täschchen mit der Hunde-Apotheke

mitgenommen werden: Leukoplast, um die Fußballen bei anstrengenden

Wanderungen zu schützen, eine stumpfe Pinzette (zum Entfernen von

Zecken) und ein Desinfektionsmittel. Nicht vergessen sollte man auch die

kleinen Plastiktüten und Papiertücher, die man stets bei sich trägt, um aus

einem kleinen Malheur während der Stadtführung kein Drama werden zu

lassen.

Während der Reise und später in der fremden Umgebung führt man

den Hund stets an der Leine, bis man selbst mit den neuen Gegebenheiten

vertraut ist. Auch die Identitäts-Halskette wird zunächst nicht abgelegt.

Shelties, die beispielsweise bisher nur den Stadtpark kannten, können am

Waldrand mit seinen Geräuschen und Gerüchen ganz unerwartet

reagieren. Auch die neue Hundepopulation muß erst einmal

kennengelernt werden.

Shelties, die viel reisen, müssen immer einen kompletten Impfschutz

haben; die meisten europäischen Länder verlangen bei Grenzübertritt die

Tollwutschutzimpfung, osteuropäische Länder häufig zusätzlich ein

tierärztliches Attest. England, Schweden und Norwegen können mit dem

Hund nicht besucht werden, da eine mehrmonatige Quarantäne bei der

Einreise notwendig ist. Auf Flugreisen kann ein kleinerer Sheltie manchmal

in der Passagier-Kabine mitgenommen werden, dies muß jedoch vorher

bei der entsprechenden Fluglinie erfragt und angemeldet werden. Die

Fluglinie verleiht auch Transportbehälter, die man vielleicht schon einige

Tage vor der Reise abholt, um den Sheltie damit vertraut zu machen.

Leben mit dem Sheltie

158

Der sportliche Sheltie

Der Sheltie liebt jede Art von Aktivität in der Gemeinschaft mit seinem

Menschen, aber am glücklichsten ist er nach unserer Erfahrung, wenn er

dabei körperlich und geistig etwas gefordert wird. So kann man beim

Spazierengehen kleine Aufgaben einstreuen, wie z.B. Stehenbleiben auf

den Befehl "Steh", während man selbst ein paar Meter weitergeht und den

Hund dann wieder abholt, oder indem man mit den Worten "links" oder

"rechts" in die entsprechende Richtung zeigt und richtiges Verhalten mit

viel Lob belohnt. Sie werden spüren, wie das Band des Vertrauens immer

fester wird, und der Sheltie glücklich ist, mit Ihnen ein Team zu bilden.

Der nächste Schritt kann sein, daß man sich unter Hundeleuten

umhört, wo man mit dem Sheltie eine Grund-Ausbildung mit anderen

Hunden machen kann. Ein solcher Kurs kann sich "Verkehrssicherer

Begleithund" oder ähnlich nennen, wichtig ist, daß der Sheltie dabei auch

den freundlichen Umgang mit anderen Hunden lernt. Wir selbst haben sehr

gute Erfahrungen mit den Ausbildungs-Kursen von Pudel- und Dackel-Clubs

gemacht. Shelties sind aber überall gern gesehen und beenden ihre

Ausbildung nicht selten als Klassenbester.

Eine Freizeit-Aktivität, die für den Sheltie wie geschaffen scheint, ist

"Agility" (auf deutsch: Flinkheit, Behendigkeit), eine Hundesportart, die 1978

in England als "Pausenfüller" bei Pferde-Spring-Turnieren erfunden wurde.

Inzwischen ist dieser schöne Hundesport fast weltweit beliebt und ein

großer Spaß für Teilnehmer und Zuschauer. Der Hundeführer führt dabei

seinen Hund mit Hand- und Rufzeichen (ohne Leine) über einen Parcours

mit Hürden, Tunneln, Wippe, Steg, Tisch und Slalom, wobei es auf die

richtige Reihenfolge, das fehlerlose Überwinden der Hindernisse und die

benötigte Zeit ankommt. Der Sheltie sollte etwa ein Jahr alt sein, bevor er

mit diesem Sport beginnt, und schon eine Grund-Ausbildung absolviert

haben. Auch für den Besitzer ist dies eine ernstzunehmende Sportart, die

Fitness und Übersicht verlangt. Inzwischen bieten viele Hundesportvereine

Trainings-Kurse und Turniere an.

Der halbwüchsige Sheltie

Ein Sheltiewelpe benötigt nur wenige Monate, um sich zu einem

erwachsenen Hund zu entwickeln. Dies geht so schnell, daß man wirklich

ständig darauf achten muß, daß alles normal verläuft - Kontakte mit den

Besitzern gleichaltriger Shelties, oder mit dem Züchter sind hier hilfreich,

denn als Erst-Sheltie-Besitzer weiß man oft gar nicht, worauf man achten

muß. Selbst so einfach klingende Dinge, wie die Frage, ob der Jungsheltie

zu dünn oder zu dick ist, kann man alleine nur schwer beurteilen. Wenn

159

man den richtigen Zeitpunkt für eventuell notwendige Maßnahmen

versäumt, kann es danach zu spät sein.

Dies gilt zunächst für alle Impftermine, die man bei der Übernahme

des Welpen sofort in den Terminkalender eintragen sollte. Bei der

Grundimpfung (Parvovirose, Staupe, Hepatitis , Leptospirose,

Zwingerhusten) darf der Impftermin keinesfalls hinausgeschoben werden.

Weiterhin verfolgt man, wie das Milchgebiß nach und nach durch die

endgültigen Zähne ersetzt wird. Wichtig ist hier, daß im Alter von 5 bis 6

Monaten die spitzen Milch-Fangzähne (Eckzähne) rechtzeitig ausfallen

oder gezogen werden, um die richtige Stellung der endgültigen

Fangzähne nicht zu gefährden. Dieses Problem kommt bei Shelties häufiger

als bei anderen Rassen vor.

Relativ häufig kommen auch tränende Augen bei Jungshelties vor.

Zunächst stellt man sicher, daß nicht Zugluft am Liegeplatz des Hundes die

Ursache ist. Danach kann man einen Hinweis erhalten, wenn man sich

Auge und Lidränder mit einer Lupe ansieht - vielleicht ist eine Wimper nach

innen gewachsen, deren Entfernung man besser dem Tierarzt überläßt.

Keinesfalls darf das laufende Auge längere Zeit unbeachtet bleiben, da

sich sonst eine chronische Entzündung entwickeln kann, ganz abgesehen

von dem kosmetischen Schaden, den ein tränendes Auge anrichtet.

Beim heranwachsenden Sheltie gibt es fast immer "Ohrenprobleme",

die wir daher in einem eigenen Kapitel abhandeln.

Erwachsen ist ein Sheltierüde, wenn er das Beinheben perfekt

beherrscht, also im Alter zwischen 6 und 12 Monaten. Sexualität spielt im

Leben eines Sheltierüden keine besonders große Rolle, was dazu beiträgt,

ihn zu einem besonders angenehmen Hausgenossen zu machen.

Streunen, Ungehorsam, nächtliches Heulen und Futterverweigerung wird es

kaum geben, es sei denn, es gibt eine Nachbarhündin, die während ihrer

Hitze Gelegenheit hat, dem Sheltie-Rüden den Kopf zu verdrehen. Wenn

für den Jungrüden eine Zuchthund-Karriere nicht vorgesehen ist, sollte man

ihm besser seine Unschuld erhalten helfen, um ihn nicht zum Streuner und

Raufer zu machen.

Soll der Sheltierüde vielleicht einmal ein Zuchtrüde werden, dann

empfehlen wir den Kontakt zu erfahrenen Besitzern von Zuchtrüden, um

von Anfang an keine Fehler in der mentalen Vorbereitung des Jungrüden

zu machen. Die Erfahrung lehrt, daß Rüden, die in der Familie gehalten

werden, nur selten zuverlässige Zuchtrüden werden.

Wenn der Sheltierüde mit einer Hündin zusammenlebt, kann es

mancherlei Probleme geben, die man nicht ohne Weiteres voraussieht.

Gleichgültig ob er "seine" Hündin decken darf oder nicht - aus dem

friedliebenden Sheltierüden kann in der kritischen Phase der Läufigkeit

160

manchmal ein aggressiver, unberechenbarer Hund werden, der nicht nur

todesmutig größere Rüden angreift, sondern auch nach fremden

Menschen schnappen kann, die seine Hündin anfassen wollen. Nach

unserer eigenen Erfahrung treten solche Aggressionen sogar dann auf,

wenn die Hündin während der Hitze zu Freunden gebracht wurde. - Auch

bei einem solo lebenden Sheltierüden muß man damit rechnen, daß er an

der Markierungsstelle einer läufigen Hündin einen Blackout hat und

sekundenlang nichts mehr hört und sieht.

Die Sheltiehündin wird im Alter zwischen 8 und 12 Monaten zum ersten

Mal läufig - auch Schwestern aus ein und demselben Wurf können in der

Zeitspanne stark variieren. Einige Hündinnen zeigen schon mehrere

Wochen vorher ein Markierungs-Verhalten, indem sie an bestimmten

Stellen ihre Duftmarken absetzen, bei reifen, erfahrenen Hündinnen geht

das so weit, daß sie ein Hinterbein dabei anheben, allerdings nicht nach

hinten wie der Rüde, sondern nach vorn. Bei der ersten Läufigkeit ist die

Hündin eher anhänglicher und manchmal sogar etwas verstört. Als erster

Tag der Läufigkeit gilt derjenige, an dem zum ersten Mal Blut aus der

Scheide austritt. Kritisch ist der Zeitraum zwischen 9. und 20. Tag ab Beginn

der Blutung, wenn der Ausfluß eher wässrig rosa oder überhaupt nicht

mehr wahrnehmbar ist - unerfahrene Hundebesitzer können dann glauben,

daß die Hitze vorbei ist: Dies ist wohl der Grund, warum es immer noch so

viele unerwünschte Mischlingswürfe gibt! Während dieser Tage, in denen

die Hündin nicht nur deckfähig, sondern auch an Rüden interessiert ist,

muß sie in Anwesenheit anderer Hunde an die Leine, notfalls auch auf den

Arm. Wenn man die Hündin während ihrer gesamten Läufigkeit auf den

ersten und letzten 300 Metern vor der Wohnung trägt, kann man die

Belästigung durch Rüden vermindern.

Man kann die Läufigkeit der Hündin durch regelmäßige

Hormon-Injektionen unterdrücken (unschön auch "wegspritzen" genannt).

Bedenken und besprechen Sie dies ausführlich mit erfahrenen

Hundeleuten. Das Hormonsystem der Hündin ist äußerst sensibel, und

Probleme mit den Sexualorganen sind bei behandelten Hündinnen auch

in jungen Jahren relativ häufig. Eine spätere Zuchtverwendung kann

ausgeschlossen sein.

Wenn man die Läufigkeiten der Hündin notiert, weiß man bald, in

welchen Abständen sie auftreten (6 bis 9 Monate). Der Haarwechsel ist

damit korreliert und tritt ziemlich genau 4 Monate nach Einsetzen der

vorangegangenen Läufigkeit ein. Für Ausstellungs-Hündinnen bedeutet

dieser Zusammenhang, daß sie etwa 2 Monate nach der Läufigkeit ihr

schönstes Haarkleid tragen, danach aber besser nicht ausgestellt werden

sollten.

Den stärksten Haarwechsel machen sowohl Hündin wie auch Rüde im

Alter von etwa einem Jahr durch, wenn das oft sehr schöne Jugendhaar

ausfällt. Während die Junghündin meistens schon wieder mit 18 Monaten

161

Zwei Jungshelties

RANNERDALE HOT CHOCOLATE, geb. 1991,

8 Monate alt, ein Enkel von Ch. Forestland Target.

KYLEBURN DAPHNE AT ALNMAC, geb. 1991,

17 Monate alt, eine Tochter von Kyleburn Pearl Fisher.

Leben mit dem Sheltie

162

oder 2 bis 3 Monate nach der zweiten Hitze) wunderschön aussieht und

ihre Ausstellungskarriere fortsetzen kann, benötigt der Jungrüde (je nach

Linie) in der Regel längere Zeit, um das volle Haarkleid mit genügend

Unterwolle zu entwickeln. Es sind nicht die schlechtesten Linien, in denen

die Rüden erst mit 3 oder 4 Jahren ihre volle Schönheit erreichen!

Der alte Sheltie

Eines Tages entdeckt man ein paar weiße Haare um die Nase des

Sheltie und wird dabei wehmütig an die Welpen- und Jugendzeit

zurückdenken. Es ist gut, die vergangenen Jahre und den bisherigen

Lebenslauf des Sheltie noch einmal Revue passieren zu lassen - für Wehmut

allerdings ist es viel zu früh, denn wahrscheinlich hat Ihr Hund noch die

gleiche Anzahl von Jahren vor sich. Nicht wenige Shelties erreichen in ihrer

Lebensmitte erst ihre volle Schönheit; bei guter Gesundheit können sie ein

hohes Lebensalter von 15 und mehr Jahren erreichen. Dies ist, wie wir

meinen, eine sehr hohe Qualität, die unsere Rasse auszeichnet. Das Leben

mit dem Sheltie ist in der zweiten Hälfte oft besonders vertrauensvoll und

innig, denn Sie und Ihr Sheltie kennen sich inzwischen so genau, daß es

manchmal fast unheimlich ist.

Jetzt, wo der Sheltie vielleicht 8 Jahre alt ist, sollte man als

Hundehalter einmal Bilanz ziehen: Ist mein Sheltie noch so fit wie früher?

Gibt es kleinere gesundheitliche Probleme, um die ich mich schon länger

kümmern wollte? Hat mein Sheltie Übergewicht? Wie sieht das Gebiß aus?

- Dies ist der Zeitpunkt, zu dem diese und ähnliche Fragen im Zweifelsfall in

Zusammenarbeit mit einem Tierarzt beantwortet werden sollen, um auch

die nächsten Jahre glücklich mit dem Sheltie zu verleben.

Wenn man gleich die erste Frage verneinen muß und man sich selbst

vielleicht sogar schon die Antwort gegeben hat "er wird eben alt", dann

müssen wir ganz entschieden widersprechen - es liegt jetzt an Ihnen und

dem Tierarzt Ihres Vertrauens, herauszufinden, warum der Sheltie nicht

mehr so fit ist wie früher. Sehr häufig, besonders bei Hündinnen, ist es das

Gewicht, daß sich über die Jahre um ein paar Pfündchen hochgemogelt

hat. Eine maßvoll reduzierte Futtermenge (keine Leckerbissen mehr

zwischendurch) und vermehrte Zuwendung und Bewegung erhöhen Ihrem

Sheltie wieder seine Lebensfreude und wecken in Ihnen berechtigten Stolz.

Der Tierarzt wird vielleicht vorschlagen, eine größere Untersuchung

durchzuführen, die auch eine Blutuntersuchung einschließt. Die Funktion

von Nieren, Leber und Schilddrüse kann auf diese Weise kontrolliert werden

und bei Bedarf die Zusammensetzung des Futters verändert werden. Falls

die Zähne in einem etwas verwahrlosten Zustand sind, so müssen sie jetzt

Leben mit dem Sheltie

163

unbedingt saniert werden, denn wenn der Sheltie einmal wirklich alt ist,

wird eine Zahnentzündung und eine eventuell notwendige Narkose bei der

Entfernung von Zähnen zum Risiko.

Als verantwortungsvoller Besitzer hat man über die Jahre auch auf die

intimeren Regionen des Sheltie geachtet - jetzt allerdings droht Gefahr

von den inneren Geschlechtsorganen, die sich durch gewisse Symptome

erkennen lassen:

Bei Hündinnen über 7 Jahre kann es zu einer Gebärmutter-Vereiterung

kommen, die sich in der Regel 1 bis 4 Wochen nach der letzten Hitze

ankündigt. Die Symptome können sehr verschieden sein: Apathie,

Futterverweigerung, vermehrter Bauchumfang, häufig auch starkes Trinken

oder gar Erbrechen. Auch ungewöhnlicher Ausfluß während und nach der

Hitze sind Alarmzeichen. Da es bei Hündinnen grundsätzlich keine

"Wechseljahre" oder so etwas Ähnliches gibt, sollte man jeden Verdacht

sehr ernst nehmen und eine Gebärmutter-Untersuchung machen lassen.

Die Gefahr einer Schädigung anderer Organe ist groß, und auch eine

Operation wird immer riskanter, je länger die Entzündung besteht. Vor der

Operation (Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken) braucht man

sich nicht zu fürchten. In der Regel hat sich die Hündin nach wenigen

Tagen erholt und zeigt dann neue Jugendlichkeit. Über spätere Folgen des

Fehlens der Sexualhormone und hilfreiche Gegenmaßnahmen sollte man

sich mit einem Tierarzt besprechen.

Beim Rüden kann es in diesem Alter zu einer Vergrößerung der

Prostata kommen, was sich durch Probleme beim Kotabsatz bemerkbar

macht. Wenn man bemerkt, daß der Rüde mehrfach hintereinander

versucht, Kot abzusetzen, jedoch ohne oder mit nur geringem Erfolg, dann

sollte der Tierarzt zu Rate gezogen werden, denn Abführmittel oder die

Klistierspritze lösen das Problem nicht. Der Tierarzt wird dann durch

Hormongaben versuchen, die Prostata wieder zu verkleinern, eine Heilung

ist allerdings nur durch eine Kastration möglich. Auch hier sollte die

Entscheidung nicht zu lange hinausgezögert werden, denn es kann zu

einer problematischen Aussackung des Enddarmes kommen.

Auch bei körperlich absolut gesunden und lebenstüchtigen Shelties

kann das Hörvermögen schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt (mit 8 oder

9 Jahren) nachlassen. Wenn der Sheltie mit anderen Hunden

zusammenlebt, wird man davon lange Zeit nichts bemerken, aber wenn er

allein gehalten wird und auf Zuruf gelegentlich in die falsche Richtung

schaut oder sogar läuft, dann kann das falsche Richtungshören ein erster

Hinweis auf eine Hörschwäche sein. Ein Heilmittel gibt es nicht, um den

Prozeß aufzuhalten, aber man sollte jetzt verstärkt Handzeichen benutzen,

um die manchmal schwierige Kommunikation zu erleichtern. Konzentrieren

Sie jetzt beim Wandern Ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf Ihren Hund, denn

Leben mit dem Sheltie

164

falls er von Ihnen wegläuft, kann er oft durch Hörzeichen nicht wieder

zurückgerufen werden. In fremder Umgebung wird es dem alten Sheltie

Sicherheit geben, wenn er an der Leine geführt wird.

Bei der Ernährung weiß man inzwischen ganz genau, welche

Vorlieben der Hund hat, und welche Futtermittel er nicht mag oder nicht

verträgt. Zum Trockenfutter als Hauptfutter haben wir in einem anderen

Kapitel Bedenken angemeldet, weil es für einen in der Familie lebenden

Hund fast unmöglich ist, den mit Trockenfutter verbundenen Wasserbedarf

zu decken. Dies gilt eigentlich noch mehr für den älteren Hund, der

niemals unter Wasserdefizit leiden sollte. Wenn man bisher nur einen

Wassernapf an der Futterstelle des Hundes stehen hatte, so sollte jetzt auch

am Schlafplatz eine zweite Wasserstelle eingerichtet werden. Es sollte auch

bei Autofahrten und längeren Wanderungen Wasser mitgenommen

werden. In Gastwirtschaften, die man unterwegs aufsucht, kann man,

ohne Anstoß zu erregen, einen Aschenbecher auf der Toilette mit Wasser

füllen und als Trinknapf benutzen. Man achte stets auf die Wassermenge,

die der Hund zu sich nimmt, da starkes Trinken ein Hinweis auf Krankheiten

wie Gebärmutterentzündung, Nierenschäden oder auch Zuckerkrankheit

sein kann.

Bei der Zusammensetzung des Futters sollte man - wie damals in der

Welpenzeit - noch einmal nachrechnen, ob der Hund die richtige Menge

von Vitaminen und Mineralstoffen erhält. Ein älterer Hund kann, ähnlich wie

ältere Menschen, diese Stoffe nicht mehr so gut resorbieren, so daß die

Menge etwas erhöht, aber keinesfalls überdosiert werden sollte. Eine gute

Lösung ist es, als Basisfutter wieder ein Dosenfutter für Welpen zu füttern,

das auch dem sehr alten Sheltie meist gut schmeckt und bekommt. Der

Handel bietet heute auch Senioren-Futter für alte Hunde an. Wenn der

Sheltie bisher nur einmal täglich gefüttert wurde, so empfehlen wir jetzt,

sein Futter auf zwei Mahlzeiten aufzuteilen; aber die Gesamtmenge muß

wirklich halbiert werden, damit der Hund nicht dick wird.

Die Fußballen des Sheltie werden merkwürdigerweise über die Jahre

empfindlicher, was vielleicht mit dem nicht mehr so federnden Gang

zusammenhängt. Plötzliches Hinken bei Wanderungen oder in der Stadt

kann bedeuten, daß ein Fußballen durchgelaufen ist. Als unser Sheltie 11

Jahre alt war, haben wir gedacht, daß es deswegen jetzt wohl vorbei ist

mit den schönen gemeinsamen Wanderungen - vorbeugend haben wir

dann vor größeren Touren auf jeden der zwei vorderen Zehenballen

winzige "Sohlen" aus einer doppelten Schicht Leukoplast geklebt, was sich

sehr gut bewährt hat. Am nächsten Morgen muß ein Teil der Sohlen

erneuert werden, wobei man die alten, abgelaufenen nicht abreißt, um

den Ballen nicht zu strapazieren.

Nehmen Sie jetzt auch einmal die inzwischen liebgewordenen

Leben mit dem Sheltie

165

Int.Ch. RIEMANN’S

ASMUS DEICHGRAF,

geb. 1975, im Alter von 16 Jahren.

Gewohnheiten Ihres Sheltie kritisch unter die Lupe: Liegt er vielleicht

bevorzugt an der windigsten und kältesten Stelle vor dem Haus oder

während der Nacht unter dem offenen Fenster? Versuchen Sie das mit

Einfühlungsvermögen zu verändern, denn Rheumatismus und

Gelenkkrankheiten können dadurch ausgelöst oder verschlimmert werden.

Die überschwenglichen Gefühlsäußerungen der frühen Jahre sind jetzt

gemäßigter geworden, der Sheltie hat es auch nicht mehr nötig, sich

ständig Ihrer Zuneigung zu versichern. Besonders, wenn noch andere

Hunde oder Haustiere da sind, sollte man sich einmal am Tag dem älteren

Sheltie zuwenden, nur ihn kraulen, nur mit ihm reden, nur mit ihm ein

bißchen spielen. Wenn man darauf achtet, daß er seinen

Lieblings-Liegeplatz immer bekommt, ihn niemand beim Fressen stört, und

daß sich jüngere Hunde keine Frechheiten erlauben, dann wird er auch

glücklich und gesund bleiben. Vielleicht war Ihr Sheltie in der Blüte seiner

Jahre ein gefeierter Ausstellungssieger - machen Sie sich und ihm die

Freude, ihn gelegentlich so zurecht zu machen, als ginge es am nächsten

Wochenende auf die Bundessieger-Schau!

166

13 Die Bibliothek des Sheltiefreundes

Neben gelegentlich genannten Zeitschriftenartikeln und Büchern,

die wir mit einem kurzen Hinweis im laufenden Text unserer Fibel als

Referenz anführten, gibt es eine Reihe von Publikationen, die wir

mehrfach zitierten. Diese und einige andere, nachfolgend genannten

Bücher möchten wir dem Leser zum Aufbau einer eigenen Bibliothek

empfehlen. Einige Bücher muß man in Antiquariaten suchen, weil sie im

Buchhandel vergriffen sind.

Eine wichtige deutsche Einführung in die Kenntnis von Collie und Sheltie:

Krämer, E.-M. & M. Feldhoff (1992): Collie und Sheltie. Franckh-Kosmos

Verlag; Stuttgart, 153 Seiten.

Englische Bücher über den Sheltie:

Baker, M. (1988): Shetland Sheepdogs today. Ringpress; Letchworth,

Hertfordshire, 159 Seiten. -- Das Schwergewicht liegt auf einer

Vorstellung von schönen Shelties der Gegenwart aus England und

Skandinavien.

Davis, M. (1973): Shetland Sheepdogs. Arthur Baker; London, 136 Seiten.

-- Kompetente Darstellung, geschrieben von der langjährigen

Präsidentin des English Shetland Sheepdog Club.

Davis, M. (1994): Pet Owners Guide to the Shetland Sheepdog.

Ringpress; Letchworth, 80 Seiten.-- Erschien auch in deutscher

Sprache.

Fallas, G. & M. (1986): Shetland Sheepdog Show Champions 1915-1980.

Dalsetter Designs; Wakefield, 473 Seiten. -- Eine Sammlung von

Photographien mit Ahnentafeln. Ein Ergänzungsband erschien 1992.

Die Bibliothek des Sheltiefreundes

167

Gwynne-Jones, O. (1958): The Shetland Sheepdog Handbook. Nicholson

& Watson; London, 139 Seiten.

Hart, M. (1999): Shetland Sheepdogs. An Owner’s Companion. The

Crowood Press, Marlborough, Wiltshire, 191 Seiten.

Herbert, B.M. & J.M. (1961): The Shetland Sheepdog. Foyles Handbooks;

London, 92 Seiten. (Reprint 1976).

Moody, J. (1990): Shetland Sheepdogs - the Sheltie. Bredicot

Publications; The Old Rectory, Bredicot, Spetchley, Worcester, 225

Seiten. -- Enthält zahlreiche gute, teils farbige Reproduktionen von

Bildern berühmter Hunde der Vergangenheit und eine Vorstellung

der Ahnenfolge (Linien und Familien).

Norman, M. (1998): The Complete Shetland Sheepdog. Ringpress;

Lydney, 176 Seiten. -- Berücksichtigt auch amerikanische Shelties

(ein eigenes Kapitel von S.A. Bowling ist eingefügt) und vergleicht

den englischen und amerikanischen Rassestandard.

Osborne, M. (1973): The Shetland Sheepdog. 5. Aufl. Popular Dogs

Publishing Co.; London, 253 Seiten.

Rogers, F.M. (1980): All about the Shetland Sheepdog. 2. Aufl. Pelham

Books; London, 128 Seiten. (1. Aufl. 1974). -- Gute Darstellung der

Ahnenfolge der Shelties, mit wunderschönen Bildern.

Shiel (1977): The Shetland Sheepdog. Bartholomew; Edinburgh und

London, 96 Seiten. -- Eine umfassende kurze Einführung, unter

anderem zu Geschichte und Zucht. Berücksichtigt auch

amerikanische Shelties und enthält gute Zeichnungen.

Thynne, B. (1916): The Shetland Sheepdog. The Illustrated Kennel News

Co.; London, 72 Seiten. (Reprint 1990 von Dogs in Print; Hepworth,

Huddersfield).

Amerikanische Bücher:

Coleman, C. E. (1943): The Shetland Sheepdog. W.W. Gallagher, J.N.

Levine & A.R. Miller; New York, 168 Seiten.-- Enthält eine ausführliche

Geschichte der Shelties in England und Amerika. Ein Reprint des

Buches war 1981 in Amerika erhältlich.

Die Bibliothek des Sheltiefreundes

168

McKinney, B.J. & B.H. Hagen Rieseberg (1976): Sheltie Talk. Alpine

Publications, 1901 South Garfield; Loveland, Colorado, 211 Seiten (2.

Aufl. 1985). -- Dieses Buch über amerikanische Shelties kann auch

europäische Sheltie-Leute begeistern.

Riddle, M. (1974): The New Shetland Sheepdog. Howell Book House; New

York, 223 Seiten. -- Die Darstellung der frühen Geschichte der

Shelties auf den Shetland Inseln ist besonders lesenswert.

Handbücher der Sheltie-Clubs in aller Welt geben wertvolle weitere

Informationen. Vorbildlich sind die Handbücher des English Shetland

Sheepdog Club (ESSC) geworden. Dieser Club hat weitere

Publikationen in Heftform herausgebracht (z.B. die Zeitschrift

"Nutshell" und die "Elaborations" für den Standard), sowie einen sehr

empfehlenswerten Video-Film zur Veranschaulichung des

Standards.

Collie-Bücher:

Lehrreich für Sheltie-Leute ist es, sich mit den Gedanken zur

Colliezucht auseinanderzusetzen. Wir mögen hier besonders das

folgende Buch:

Hunt, H. (1990): Rough Collies. An Owners Companion. Crowood Press;

Marlborough, Wiltshire, 256 Seiten.

Tiermedizin:

Schneider, A. & W. (1979): Hundekrankheiten. Ein Leitfaden zum

Vorbeugen, Erkennen, Helfen. (Kosmos-Hundebibliothek).

Franckhsche Verlagshandlung, Stuttgart, 160 Seiten.

Stöhr, H. (1961): Wie hilft man kranken Hunden? 2. Aufl. Albert Müller

Verlag; Rüschlikon, 279 Seiten. (Unter dem Titel " Wie helfe ich

meinem kranken Hund?" seit 1977 als Humboldt-Taschenbuch

erhältlich).

Allgemeine Kynologie:

Räber, H. (1984): Brevier neuzeitlicher Hundezucht. 4. Aufl. Verlag Paul

Haupt; Bern und Stuttgart, 204 Seiten. (2. Aufl., 1974)

Wegner, W. (1979): Kleine Kynologie für Tierärzte und andere Tierfreunde.

2. Aufl. Terra-Verlag; Konstanz, 341 Seiten. (1. Aufl., 1975).

 

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Die Autoren, Dr. Franz Riemann und Dr. Karin Riemann, beanspruchen für das vorliegende digitale Dokument den im Literaturwesen üblichen Schutz des Urheberrechts.

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Stand: 27. March 2006

Monday, 27 March 2006 21:33:43